Heft 
(1897) 06
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Ueöer Tand und Meer.

Stechlin.

Kortschädel, wenn ich so meinen Engelke, wie er da geht nnd steht, ins märkische Provinzialmuseum ab­liefern könnte, so kriegt' ich ein Jahrgehalt und wäre 'raus."

Das war im Mai, daß der alte Stechlin diese Worte Zu seinem Freunde Kort­schädel gesprochen hatte. Heut aber __

war dritter Oktober und ein Wunder- voller Herbsttag dazu. Tnbslav, sonst empfindlich gegen Zug, hatte die Thüren ausmachen lassen, und von dem großen Portal her Zog ein erquicklicher Luftstrom bis aus die mit weiß und schwarzen Fliesen gedeckte Veranda hinaus. Eine große, etwas schadhafte Marquise war hier herabgelassen nnd gab Schutz gegen die Sonne, deren Lichter durch die schadhaften Stellen hindurch schienen und ans den Fliesen ein Schattenspiel ansführten.

Gartenstühle standen umher, vor einer Bank aber, die sich an die Hanswaud lehnte, waren doppelte Strohmatten gelegt. Ans eben dieser Bank, ein Bild des Behagens, saß der alte Stechlin in Joppe und breitkrempigem Filzhut und sah, während er ans seinem Meerschaum allerlei Ringe blies, ans ein Rän­delt, in dessen Mitte, von Blumen eingefaßt, eine kleine Fontäne plätscherte. Rechts daneben lies ein sogenannter Poetensteig, an dessen Ausgang ein ziemlich hoher, ans allerlei Gebälk zusammengezimmerter Anssichtstnrm aufragte. Ganz oben eine Plattform mit Fahnenstange, daran die preußische Flagge wehte, schwarz nnd weiß, alles schon ziemlich verschlissen.

Engelke hatte vor kurzem einen roten Streifen annähen wollen, war aber mit seinem Vorschläge nicht durchgedrungen.Laß. Ich bin nicht dafür. Das alte Schwarz und Weiß hält grade noch: aber wenn du was Notes dran nähst, dann reißt es gewiß."

Tie Pfeife war ansgegangen, und Dubslav wollte sich eben von seinem Platz erheben und nach Engelke rufen, als dieser vom Garten­saal her auf die Veranda heranstrat.

Das ist recht, Engelke, daß du kommst. . . Aber du hast da ja was wie 'u Telegramm in der Hand. Ich kann Telegramms nicht leiden. Immer is einer dod, oder es kommt wer, der besser zu Hause bliebe."

Engelke griente.Der junge Herr kommt."

Und das weißt du schon?"

Ja, der Postbote hat es mir gesagt."

So, so. Dienstgeheimnis. Na, gieb her." Und unter diesen Worten brach er das Tele­gramm auf und las:Lieber Papa. Bin sechs Uhr bei dir. Nex und von Czako begleiten mich. Tein Woldemar."

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Aber Eremmen is doch so weit ganz gut."

Nn, gewiß, gewiß. Bloß sie haben da so kurze Betten . . . Und wenn man, wie Woldemar, Kavallerist ist, kann man ja doch auch die acht Meilen von Berlin bis Stechlin in einer Pace machen. Warum also Nachtquartier? Und ,Nex und von Czako begleiten

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GHeoöor: Ilontcrne rn hmem Arbeitszimmer".

Engelke stand und wartete.

Ja, was da thnn, Engelke?" sagte Dubslav und drehte das Telegramm hin nnd her.Und aus Eremmen nnd von heute früh," fuhr er fort. Ta müssen sie also die Nacht über in Eremmen gewesen sein. Auch kein Spaß."

mich'. Ich kenne Ner nicht und kenne von Czako nicht. Wahrscheinlich Regimentskameraden. Haben wir denn was?"

Ich denk' doch, gnäd'ger Herr. Und wovor haben wir denn unsre Mamsell? Die wird schon was finden."

Nu gut. Also wir haben was. Aber wen laden wir dazu ein? So bloß ich, das geht nicht. Ich mag mich keinem Menschen mehr vorsetzen. Czako, das ginge vielleicht noch. Aber Nex, wenn ich ihn auch nicht kenne, zu so was Feinem wie Nex pass' ich nicht mehr; ich bin zu altmodisch geworden.

Was meinst du, ob die Gunder­manns wohl können?"

Ach, die können schon. Er gewiß, und sie kluckt auch bloß immer so rum."

Also Gundermanns. Gut. Und dann vielleicht Oberförsters. Das älteste Kind hat freilich die Masern, und die Frau, das heißt die Ge­mahlin (nnd .Gemahlin' is eigent­lich auch noch nicht genug), die er­wartet mal wieder. Man weiß nie recht, wie man mit ihr dran ist, und wie man sie nennen soll, Oberförsterin Katzler oder Durch­laucht. Aber man kann's am Ende versuchen. Und dann unser Pastor. Ter hat doch wenigstens die Bildung. Gundermann allein ist zu wenig und eigentlich bloß ein Klnten- treter. Und seitdem er die Siebcn- mühlen hat, ist er noch weniger geworden."

Engelke nickte.

Na, dann schick also Martin. Aber er soll sich proper machen. Oder vielleicht ist Brose noch da; der kann ja auf seinem Netourgang bei Gundermanns mit 'rangehn. Und soll da sagen .sieben Uhr', aber nicht früher; sie sitzen sonst so lange 'rum, und man weiß nicht, wovon man reden soll. Das heißt mit ihm; sie red't immerzu. . . Und gieb Brosen auch 'neu Kornus nnd fünfzig Pfennig."

Ich werd' ihm dreißig geben." Nein, nein, fünfzig. Erst hat er ja doch was gebracht, und nn nimmt er wieder was mit. Das is ja so gut wie doppelt. Also fünfzig. Knaps ihm nichts ab." II.

Ziemlich um dieselbe Zeit, wo der Telegraphenbote bei Gunder­manns vorsprach, um die Bestellung ^ des alten Herrn von Stechlin ans- Zurichten, ritten Woldemar, Rex und Czako, die sich für sechs Uhr angemeldet hatten, in breiter Front von Eremmen ab; Fritz, Woldemars Reit­knecht, folgte den dreien. Der Weg ging über Wutz. Als sie bis in Nähe von Dorf und Kloster dieses Namens gekommen waren, bog Woldemar vorsichtig nach links hin ans, weil er der Möglichkeit ent­gehen wollte, seiner Tante Adelheid, der Domina