Heft 
(1897) 06
Seite
8
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Ueber Land und Neer.

Und das sagen Sie, Czako, gerade Sie, der Sie das Menschliche stets betonen?"

Ja, Nex, das thn' ich. Heut wie immer. Aber eines schickt sich nicht für alle. Der eine dars's, der andre nicht. Wenn unser Freund Stechlin sich in diese seine alte Schloßkate zurückzieht, so darf er Mensch sein, soviel er will, aber als Garde­dragoner kommt er mit dem bloßen alten Menschen nicht ans. Vom alten Adam will ich nicht sprechen, das hat noch so 'ne Nebenbedeutung."

Während Nex und Czako Toilette machten und abwechselnd über den alten und den jungen Stechlin verhandelten, schritten die, die den Gegenstand dieser Unterhaltung bildeten, Vater und Sohn, im Garten aus und ab und hatten auch ihrerseits ihr Gespräch.

Ich bin dir dankbar, daß du mir deine Freunde mitgebracht hast. Hoffentlich kommen sie aus ihre Kosten. Mein Leben verlaust ein bißchen zu einsam, und es wird ohnehin gut sein, wenn ich mich wieder an Menschen gewöhne. Du wirst gelesen haben, daß unser guter alter Kortschüdel gestorben ist, und in etwa vierzehn Tagen haben wir hier 'ne Neuwahl. Da muß ich dann 'ran und mich populär machen. Die Konservativen wollen mich haben und keinen andern. Eigentlich mag ich nicht, aber ich soll, und da paßt es mir denn, daß du mir Leute bringst, an denen ich mich für die Welt sozusagen wieder wie eiuübeu kann. Sind sie denn ausgiebig, plauderhaft?"

O sehr, Papa, vielleicht zu sehr. Wenigstens der eine."

Das is gewiß der Czako. Sonderbar, die von Alexander reden alle gern. Aber ich bin sehr dafür; Schweigen kleid't nicht jeden. Und dann sollen wir uns ja auch durch die Sprache vom Tier unter­scheiden. Also wer am meisten red't, ist der reinste Mensch. Und diesem Czako, dem Hab' ich es gleich angesehn. Aber der Nex. Tu sagst, Miuisterial- assessvr. Ist er denn von der frommen Familie?"

Nein, Papa. Du machst dieselbe Verwechslung, die beinah' alle machen. Die fromme Familie, das sind die Reckes, gräflich und sehr vornehin. Tie Nex natürlich auch, aber doch nicht so hoch hinaus und auch nicht so fromm. Allerdings nimmt mein Freund, der Ministerialassessor, einen Anlauf dazu, die Reckes womöglich cinzuholen."

Dann Hab' ich also doch recht gesehu. Er hat so die Figur, die so was vermuten läßt, ein bißchen wenig Fleisch und so glatt rasiert. Habt ihr denn beim Rasieren in Cremmeu gleich einen gesunden?"

Er hat alles immer bei sich; lauter englische. Von Solingen oder Suhl will er nichts wissen."

Und muß man ihn denn vorsichtig aufassen, wenn das Gespräch auf kirchliche Dinge kommt? Ich bin ja, wie du weißt, eigentlich kirchlich, wenigstens kirchlicher als mein guter Pastor (es wird immer schlimmer mit ihm), aber ich bin so im Ausdruck mitunter ungenierter, als man vielleicht sein soll, und bei ,niedergesahreu zur Hölle' kann mir's passieren, daß ich noleos volems ein bißchen tolles Zeug rede. Wie steht es denn da mit ihm?

Muß ich mich in acht nehmen? Oder macht er bloß so mit?"

Das will ich nicht geradezu behaupten. Ich denke mir, er steht so, wie die meisten stehn; das heißt, er weiß es uicht recht."

Ja, ja, den Instand kenn' ich."

Und weil er es uicht recht weiß, hat er sozu­sagen die Auswahl und wählt das, was gerade gilt und nach oben hin empfiehlt. Ich kann das auch so schlimm nicht finden. Einige nennen ihn einen ,Streber'. Aber wenn er es ist, ist er jedenfalls keiner von den schlimmsten. Er hat eigentlich einen guten Charakter, und im eorelo Ultimo kann er reizend sein. Cr verändert sich dann nicht in dem, was er sagt, oder doch nur wenig, aber ich möchte sagen, er verändert sich in der Art, wie er zuhört. Czako meint, unser Freund Nex halte sich mit denn Ohr für das schadlos, was er mit dem Munde ver­säumt. Czako wird überhaupt am besten mit ihm fertig; er schraubt ihn beständig, und Rex, was ich reizend finde, läßt sich diese Schranbereien gefallen. Daran siehst du schon, daß sich mit ihm leben läßt. Seine Frömmigkeit ist keine Lüge, bloß Erziehung, Angewohnheit und so schließlich seine zweite Natur geworden."

Ich werde ihn bei Tisch neben Loreuzen setzen; die mögen dann beide sehn, wie sie miteinander fertig werden. Vielleicht erleben wir 'ne Bekehrung. Das heißt Nex den Pastor. Aber da höre ich eine Kutsche die Torsstraße 'raufkommen. Das sind natürlich Gundermanns; die kommen immer zu früh. Der arme Kerl hat mal was von der Höflichkeit der Könige gehört und macht jetzt einen zu weit­gehenden Gebrauch davon. Autodidakten übertreiben immer. Ich bin selber einer und kann also mit­reden. Nun, wir sprechen morgen früh weiter; heute wird es nichts mehr. Du wirst dich auch noch ein bißchen striegeln müssen, und ich will mir 'neu schwarzen Nock anziehn. Das bin ich der guten Frau von Gundermann doch schuldig; sie putzt sich übrigens nach wie vor wie 'n Schlittenpferd und hat immer noch den merkwürdigen Federbusch in ihrem Zopf das heißt, wenu's ihrer ist."

III.

Engelke schlug unten im Flur zweimal au einen alten, als Tamtam fungierenden Schild, der an einem der zwei vorspringenden und die ganze Treppe tra­genden Pfeiler hing. Eben diese Zwei Pfeiler bildeten denn auch mit dem Podest und der in Front des­selben angebrachten Nokoko-Uhr einen zum Garten­salon, diesem Hauptzimmer des Erdgeschosses, führen­den, ziemlich pittoresken Portikus, von dem ein auf Besuch anwesender hauptstädtischer Architekt mal gesagt hatte: sämtliche Bausündeu von Scploß Stech- liu würden durch diesen verdrehten, aber malerischen Einfall wieder gut gemacht.

Die Uhr mit dem Hippenmann schlug gerade sieben, als Nex und Czako die Treppe herunter kamen und, eine Biegung machend, ans Am von berufener Seite so glimpflich beurteilten sonderbaren Vorbau Znsteuertcn. Als die Freunde diesen passierten,