Slechlni.
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„Auch so wie hier?"
„Nein, bloß Grabstein und schon etwas abgetreten. Aber man sieht doch noch, daß es derselbe ist."
Ezako nickte. Dabei waren sie bis an ein Eckzimmer gekommen, das mit der einen Seite nach dem Flur, mit der andern Seite nach einem schmalen Gang hin lag. Hier war auch die Thür. Engelke, vorangehend, öffnete und hing die beiden Plaidrotlen an die Haken eines hier gleich an der Thür stehenden Kleiderständers. Unmittelbar daneben war ein Klingel- zng mit einer grünen, etwas ausgefransten Puschel daran. Engelke wies darauf hin und sagte: „Wenn die Herren noch was wünschen . . . Und um sieben . . . Zweimal wird angeschlagen."
Und damit ging er, die beiden ihrer Bequemlichkeit überlassend.
Es waren zwei nebeneinander gelegene Zimmer, in denen man Rex und Czako untergebracht hatte, das vordere größer und mit etwas mehr Aufwand eingerichtet, mit Stehspiegel und Toilette, der Spiegel sogar znm Kippen. Das Bett in diesem vorderen Zimmer hatte einen kleinen Himmel und daneben eine Etagere, ans deren oberem Brettchen eine Meißner Figur stand, ihr ohnehin kurzes Nöckchen lüpfend, während auf dem unteren Brett ein Neues Testament lag, mit Kelch und Kreuz und einem Palmcnzweig ans dem Teckel.
Ezako nahm das Meißner Püppchen und sagte: „Wenn nicht unser Freund Woldemar bei diesen: Arrangement seine Hand mit im Spiel hat, so haben wir hier in Bezug ans Requisiten ein Ahnungs- Vermögen, wie's nicht größer gedacht werden kann. Das Püppchen pour moi, das Testament xour vous."
„Ezako, wenn Sic doch bloß das Necken lassen könnten!"
„Ach, sagen Sie doch so was nicht, Rer; Sie lieben mich ja bloß um meiner Neckereien willen."
Und nun traten sic, von dein Borderzimmer her, in den etwas kleineren Wohnranm, in dem Spiegel und Toilette fehlten. Dafür aber war ein Nokoko- sofa da, mit hellblauem Atlas und weißen Blumen darauf.
„Ja, Rex," sagte Czako, „wie teilen wir nun? Ich denke, Sie nehmen nebenan den Himmel, und ich nehme das Nokokosofa, noch dazu mit weißen Blumen, vielleicht Lilien. Ich wette, das kleine Ding von Sofa hat eine Geschichte."
„Rokoko hat immer eine Geschichte," bestätigte Rer. „Aber hundert Jahr zurück. Was jetzt hier haust, sieht mir, Gott sei Tank, nicht danach aus. Ein bißchen Spuk trau' ich diesem alten Kasten allerdings schon zu; aber keine Nokokogeschichte. Rokoko ist doch immer unsittlich. Wie gefällt Ihnen übrigens der Alte?"
„Vorzüglich. Ich hätte nicht gedacht, daß unser Freund Woldemar solchen famosen Alten haben könnte."
„Das klingt ja beinah'," sagte Rex, „wie wenn Sie gegen unfern Stechlin etwas hätten."
„Was durchaus nicht der Fall ist. Unser Stechlin ist der beste Kerl von der Welt, und wenn ich das
verdammte Wort nicht haßte, wnrd' ich ihn sogar einen perfekten Gentleman' nennen müssen. Aber..."
„Nun..."
„Aber er paßt doch nicht recht an seine Stelle."
„An welche?"
„In sein Regiment."
„Aber Czako, ich verstehe Sie nicht. Er ist ja brillant ungeschrieben. Liebling bei jedem. Der Oberst hält große Stücke von ihm, und die Prinzen machen ihm beinah den Hos. . ."
„Ja, das ist es ja eben. Die Prinzen, die Prinzen."
„Was denn, wie denn?"
„Ach, das ist eine lange Geschichte, viel zu lang, um sie hier vor Tisch noch auszukramen. Tenn es ist bereits halb, und wir müssen uns eilen. Uebrigens trifft es viele, nicht bloß unfern Stechlin."
„Immer dunkler, immer rätselvoller," sagte Rex.
„Nun, vielleicht daß ich Ihnen das Rätsel löse. Schließlich kann man ja Toilette machen und 'noch seinen Diskurs daneben haben. ,Die Prinzen machen ihm den Hof', so geruhten Sie zu bemerken, und ich antwortete: ,Ja, das ist es eben'. Und diese Worte kann ich Ihnen nur wiederholen. Die Prinzen — damit hängt es zusammen, oder, um es noch deutlicher zu sagen, damit, daß die feinen Regimenter immer seiner werden. Kucken Sie sich mal alte Ranglisten an, das heißt wirklich alte, voriges Jahrhundert und bis Anno sechs. Da finden Sie bei Regiment Garde du Corps oder bei Regiment Gensdarmes unsre guten alten Namen: Marwitz, Wakenitz, .Kracht, Löschebrand, Bredow, Nochow, höchstens daß sich mal ein höher betitelter Schlesischer mit hinein vertrrt. Natürlich gab es auch Prinzen damals, aber der Adel gab den Ton an, und die paar Prinzen mußten noch froh sein, wenn sie nicht störten. Damit ist es nun aber, seit wir Kaiser und Reich sind, total vorbei. Natürlich sprech' ich nicht von der Provinz, nicht von Litauen und Masuren, sondern von der Garde, von den Regimentern unter den Augen seiner Majestät. Und nun gar erst diese Gardedragoner! Die waren immer piek, aber seit sie, poar eomblsr ts boirbour, auch noch Königin von Großbritannien und Irland' sind, wird es immer mehr davon, und je pieker sie werden, desto mehr Prinzen kommen hinein, von denen übrigens auch jetzt schon mehr da sind, als es so obenhin aussieht, denn manche sind welche und dürfen es bloß nicht sagen. Und wenn man dann gar noch die alten mitrechnet, die bloß ä Io suite stehn, aber doch immer noch mit dabei sind, wenn irgend was los ist, so haben wir, wenn der Kreis geschlossen wird, zwar kein Parkett von Königen, aber doch einen Cirkus von Prinzen. Und da hinein ist nun unser guter Stechlin gestellt. Natürlich thut er, was er kann, und macht so gewisse Lupusse mit, Gesühls- luxusse, Gesinttungslnxusse und, wenn es sein muß, auch Freiheitsluxusse. So 'nen Schimmer von Sozialdemokratie. Das ist aber ans die Tauer schwierig. Richtige Prinzen können sich das leisten, die ver- bebeln nicht leicht. Aber Stechlin! Stechlin ist ein reizender Kerl, aber er ist doch bloß ein Mensch."