Heft 
(1897) 06
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Ucber Lau

des Klosters, zu begegnen. Er stand zwar gut mit dieser und hatte sogar vor, ihr, wie herkömmlich, auf dem Rückwege nach Berlin seinen Besuch zu machen, aber in diesem Augenblick paßte ihm solche Begegnung, die sein pünktliches Eintreffen in Stechlin gehindert haben würde, herzlich schlecht. So beschrieb er denn einen weiten Halbkreis und hatte das Kloster schon um eine Viertelstunde hinter sich, als er sich wieder der Hauptstraße znwandte. Diese,, durch Moor- und Wiesengründe führend, war ein vorzüg­licher Reitweg, der an vielen Stellen noch eine Grasnarbe trug, weshalb es anderthalb Meilen lang in einem scharfen Trabe vorwärts ging, bis an eine Avenue heran, die geradlinig aus Schloß Stechlin znführte. Hier ließen sie die Zügel fallen und ritten im Schritt weiter, lieber ihnen wölbten sich die schönen alten Kastanienbäume, was ihrem Anritt etwas Anheimelndes und zugleich etwas beinah' Feier­liches gab.

Das ist ja wie ein Kirchenschiff," sagte Rer, der am linken Flügel ritt.Finden Sie nicht auch, Ezako?"

Wenn Sie wollen, ja. Aber Pardon, Rex, ich finde die Wendung etwas trivial für einen Miuisterial- assessor."

Nnn gnt, dann sagen Sie was Besseres."

Ich werde mich hüten. Wer unter solchen Um­ständen was Besseres sagen will, sagt immer was Schlechteres."

Unter diesen: sich noch eine Weile sortsetzenden Gespräche waren sie bis an einen Punkt gekommen, von dem ans man das am Ende der Avenue sich ansbancnde Bild in aller Klarheit überblicken konnte. Dabei war das Bild nicht bloß klar, sondern auch so frappierend, daß Rep und Ezako unwillkürlich anhielten.

Alle Wetter, Stechlin, das ist ja reizend," wandte sich Ezako Zn dem am andern Flügel reiten­den Woldemar.Ich sind' es geradezu märchenhaft, Fata Morgana das heißt, ich habe noch keine gesehn. Tie gelbe Wand, die noch das letzte Tages­licht auffängt, das ist wohl Ihr Zauberschloß? Und das Stückchen Gran da links, das taxier' ich aus eine Kirchenecke. Bleibt nur noch der Staket- zann an der andern Seite; da wohnt natürlich der Schulmeister. Ich verbürge mich, daß ich's da­mit getroffen. Aber die zwei schwarzen Riesen, die da grad' in der Mitte stehn und sich von der gelben Wand abheben (.abheben- ist übrigens auch trivial; entschuldigen Sie, Rex), die stehen ja da wie die Ehernbim. Allerdings etwas zu schwarz. Was sind das für Leute?"

Das sind Findlinge."

Findlinge?" -

Ja, Findlinge," wiederholte Woldemar.Aber wenn Ihnen das Wort anstößig ist, so können Sie sie auch Monolithe nennen. Es ist merkwürdig, Ezako, wie hochgradig verwöhnt im Ausdruck Sie sind, wenn Sie nicht gerade selber das Wort haben ... Aber nun, meine Herren, müssen wir uns wieder in Trab setzen. Ich bin überzeugt, mein Papa steht schon ungeduldig ans seiner Rampe, und wenn er

d und Weer.

uns so im Schritt ankommen sieht, denkt er, wir bringen eine Trauernachricht oder einen Verwundeten."

-di-

Wenige Minuten später, und alle drei trabten denn auch wirklich, von Fritz gefolgt, über die Bohlenbrücke fort, erst in den Vorhof hinein und dann an der blanken Glaskugel vorüber. Der Alte stand bereits ans der Rampe, Entgelte hinter ihn: und hinter diesem Martin, der alte Kutscher. Im Nn waren alle drei Reiter aus dem Sattel, und Martin und Fritz nahmen die Pferde. So trat man in den Flur.Erlaube, lieber Papa, dir zwei liebe Freunde von mir vorznstellen: Assessor von Rex, Hanptmann von Ezako."

Der alte Stechlin schüttelte jedem die Hand und sprach ihnen ans, wie glücklich er über ihren Besuch sei.Seien Sie mir herzlich willkommen, meine Herren. Sie haben keine Ahnung, welche Freude Sie mir machen, mir, einem vergrätzten alten Ein­siedler. Alan sicht nichts mehr, man hört nichts mehr. Ich hoffe ans einen ganzen Sack voll Neuig­keiten."

Ach, Herr Major," sagte Ezako,wir sind ja schon viernndzwanzig Stunden fort, lind, ganz ab­gesehen davon, wer kann heutzutage noch mit den Zeitungen konkurrieren! Ein Glück, daß manche prinzipiell einen Posttag zu spät kommen. Ich meine mit den neuesten Nachrichten. Vielleicht auch sonst noch."

Sehr wahr," lachte Tnbslav.Ter Kon­servatismus soll übrigens, seinem Wesen nach, eine Bremse sein; damit muß man vieles entschuldigen. Aber da kommen Ihre Mantelsäcke, meine Herren. Engelke, führe die Herren auf ihr Zimmer. Wir haben jetzt sechseinviertel. Um sieben, wenn ich bitten darf."

Engelke hatte mittlerweile die beiden von Tnbs­lav etwas altmodisch alsMantelsäcke" bezeichneten Plaidrollen in die Hand genommen und ging damit, den beiden Herren voran, ans die doppelarmige Treppe Zn, die gerade da, wo die beiden Treppen­arme sich kreuzten, einen ziemlich geräumigen Podest mit Säulchengalerie bildete. Zwischen den Säulchen aber, und zwar mit Blick auf den Flur, war eine Rokoko-Uhr angebracht, mit einem Zeitgort darüber, der eine Hippe führte. Ezako wies daraus hin und sagte leise zu Rex:Ein bißchen graulich," ein Gefühl, drin er sich bestärkt sah, als man bis aus den mit ungeheurer Nanmverschwendung angelegten Dberflnr gekommen war. lieber einer nach hinten zu gelegenen Saalrhür hing eine Holztasel mit der Inschrift:Museum", während hüben und drüben, an den Flnrwänden links und rechts, mächtige Birken­maser- und Ebenholzschränke standen, wahre Pracht­stücke, mit zwei großen Bildern dazwischen, eines eine Burg mit dicken Backsteintürmen, das andre ein überlebensgroßer Ritter, augenscheinlich ans der Frnndsbergzeir, wo das bunt Landsknechtliche schon die Rüstung zu drapieren begann.

Js wohl ein Ahn?" fragte Ezako.

Ja, Herr Hanptmann. Und er ist auch unten in der Kirche»"