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Ueber Land und Meer.
noch ein paar Scheite/die während der Essenszeit halb niedergebrannt waren, und durch die offenstehende hohe Glasthür fiel von der Veranda her das Licht der über den Parkbänmen stehenden Mondsichel. Alles gruppierte sich alsbald um Frau von Gundermann, um dieser — die Mutigeren unter Handkuß — die pflichtschuldigen Honneurs zu machen, während Martin die Lampen, Engelke den Kaffee brachte. Das ein paar Minuten lang geführte gemeinschaftliche Gespräch kam über ein unruhiges Hin und Her nicht hinaus, bis der Knäuel, in dein man stand, sich wieder in Gruppen auflöste.
Das erste sich abtrennende Paar waren Rex und Katzler, beide passionierte Billardspieler, die sich — Kahler übernahm die Führung — erst in den Eß- saal Zurück und von diesen! ans in das daneben gelegene Spielzimmer begaben. Das hier stehende, ziemlich vernachlässigte Billard war schon an die fünfzig Jahre alt und stammte noch aus des Vaters Zeiten her. Dnbslav selbst machte sich nicht viel aus Spiel überhaupt und interessierte sich, soweit sein Billard in Betracht kam, nur für eine sehr nachgedunkelte Karoline, von der ein Berliner Besucher mal gesagt hatte: „Alle Wetter, Stechlin, wo haben Sie die Herd Das ist ja die gelbste Karoline, die ich all mein Lebtag gesehen habe," — Worte, die damals solchen Eindruck ans Dnbslav gemacht hatten, daß er seitdem ein etwas freundlicheres Verhältnis zum Billard unterhielt und nicht ungern von „seiner Karoline" sprach.
Das zweite Paar, das sich aus der Gemeinschaft abtrennte, waren Waldemar. und Gundermann. Gundermann, wie alle an Kongestionen Leidende, fand es überall zu heiß und lvies, als er ein paar Worte mit Woldemar gewechselt, ans die offenstehende Thür. „Es ist ein so schöner Abend, Herr von Stechlin; könnten wir nicht auf die Veranda hinaustretens"
„Aber gewiß, Herr von Gundermann. Und wenn wir nns absentieren, wollen wir auch alles Gute gleich mitnehmen. Engelke, bring uns die kleine Kiste, du weißt schon."
„Ah, kapital. So ein paar Züge, das schlägt nieder, besser als Sodawasser. Und dann ist cs auch wohl schicklicher im Freien. Meine Frau, wenn wir Zu Hause sind, hat sich zwar daran gewöhnen müssen und spricht höchstens mal von ,paffen' (na, das is nicht anders, dafür is man eben verheiratet), aber in einem fremden Hause, da fangen denn doch die Rücksichten an. Unser guter alter Kortschädel sprach auch immer von ,Dehors'."
Unter diesen Worten waren Woldemar und Gundermann vom Salon her auf die Veranda hinausgetreten, bis dicht an die Treppenstufen heran, und sahen ans den kleinen Wasserstrahl, der auf dem Nundell aufsprang.
„Immer, wenn ich den Wasserstrahl sehe," fuhr Gundermann fort, „muß ich wieder an unfern guten alten Kortschädel denken. Is nu auch hinüber. Na, jeder muß mal, und wenn irgend einer seinen Platz da oben sicher hat, der hat ihn. Ehrenmann durch und durch, und loyal bis auf die Knochen. Redner war er nicht, was eigentlich immer ein Vorzug, und
j hat mit seiner Schwätzerei dem Staate kein Geld gekostet; aber er wußte ganz gut Bescheid, und, unter vier Augen, ich habe Sachen von ihm gehört, großartig. Und ich sage mir, solchen kriegen wir nicht wieder..."
„Ach, das ist Schwarzseherei, Herr von Gundermann. Ich glaube, wir haben viele von ähnlicher Gesinnung. Und ich sehe nicht ein, warum nicht ein Mann wie Sie..."
„Geht nicht."
„Warum nicht?"
„Weil Ihr Herr Papa kandidieren will. Und da muß ich zurückstehen. Ich bin hier ein Neuling. Und die Stechlins waren hier schon..."
„Nun gut, ich will dies letztere gelten lassen, und mir was das Kandidiereil meines Vaters angeht — ich denke mir, es ist noch nicht so weit, vieles kann noch dazwischen kommen, und jedenfalls wird er schwanken. Aber nehmen wir mal an, es sei, wie Sie vermuten. In diesem Falle träfe doch gerade das zu, was ich mir soeben zu sagen erlaubt habe. Mein Vater ist in jedem Anbetracht ein treuer Gesinnungsgenosse Kortschädels, und wenn er an seine Stelle tritt, was ist da verloren d Die Lage bleibt dieselbe."
„Nein, Herr von Stechlin."
„Nun, was ändert sich?"
„Vieles, alles. Kortschädel war in den großen Fragen unerbittlich, und Ihr Herr Vater läßt mit sich reden..."
„Ich weiß nicht, ob Sie recht haben. Aber wenn es so wäre, so wäre das doch ein Glück . . ."
„Ein Unglück, Herr von Stechlin. Wer mit sich reden läßt, ist nicht stramm, und wer nicht stramm ist, ist schwach. Und Schwäche (die destruktiven Elemente haben dafür eine feine Fühlung), Schwäche ist immer Wasser auf die Mühlen der Sozialdemokratie."
Die vier andern der kleinen Tafelrunde waren im Gartensalon zurückgeblieben, hatten sich aber auch zu zwei und zwei zusammengethan. In der einen Fensternische, so daß sie den Blick ans den mond- beschienenen Vorplatz und die draußen ans der Veranda auf und ab schreitenden beiden Herren hatten, saßen Lorenzen und Frau von Gundermann. Die Gundermann war glücklich über das Tete-a-tete, denn sie hatte wegen ihres jüngsten Sohnes allerhand Fragen auf dem Herzen oder bildete sich wenigstens ein, sie zu haben. Denn eigentlich hatte sie für gar nichts Interesse, sie mußte bloß, richtige Berlinerin, die sie war, reden können.
„Ich bin so froh, Herr Pastor, daß ich nun doch einmal Gelegenheit finde. Gott, wer Kinder hat, der hat auch immer Sorgen. Ich möchte wegen meines Jüngsten so gerne mal mit Ihnen sprechen, wegen meines Arthur. Rudolf hat mir keine Sorgen gemacht, aber Arthur. Er ist nun jetzt eingesegnet, und Sie haben ihm, Herr Prediger, den schönen Spruch mitgegeben, und der Junge hat auch gleich den Spruch auf einen großen weißen Bogen geschrieben, alle Buchstaben erst mit Zwei Linien nebeneinander und dann dick ausgetnscht. Es sieht aus