Heft 
(1897) 06
Seite
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Ueber Land und Meer.

Ungewöhnlich, für unser Gefühl sogar verletzend, ist alles, was mit dem sterbenden Hindu geschieht. Stirbt er innerhalb seines Hauses, so wird er, in ein weißes oder gelbes, rotgesprenkeltes Laken gewickelt, auf einer rohen Bahre aus dein Hause getragen aber nicht durch die Thür, sondern durch ein in die Wand geschlagenes und dann schnell zugemauertes Loch, damit die abgeschiedene Seele keinen Rückweg zu den Hinterbliebene!: finde und sie nicht beunruhige.

In eiligen: Trabe schleppen die Träger, beständigSat Hai, sat Hai" keuchend, die Leiche an das Gangesnfer, wo sie einige Zeit so niedergelegt wird, daß sie von den Wellen des Stromes bespült und von der Sonne beschienen werden kann, wie dies auf einer unsrer Abbildungen ersichtlich ist. Daß gerade diese heiligen Wellen Seuchen schnell weiter­verbreiten, ahnt der Hindu uicht.

Verschied der Kranke aber in unmittelbarer Nähe dieses

gießen sie mit Milch und geschmolzener Butter und versenken sie schließlich in einen: Thonkrug in den Ganges.

Doch lassen wir die Toten ruhen! Wir rudern ans Land; unser Wagen rasselt durch die engen Bazargassen. Wohl bergen die winzigen Läden oder, richtiger, die darin aufgespeicherten Truhen die fesselndste Augenweide: duftige Brokatstoffe, wie für Elfen geschaffen, Stickereien wie für das Hochzeitsgewand einer Feenkönigin, kaum zu überschätzende Schinucksachen würde der Händler aus den unscheinbaren Kisten und Kästen auf unfern Wink ent­hüllen doch heute müssen wir eilen. Unsrer harrt ein nicht alltägliches Schauspiel. Wir sind vom Intendanten der Gefängnisse zur Besichtigung derselben Ungeladen; zwei riesige Zuchthäuser lehren den aus ganz Indien ii: Benares zusammenströmenden Hindu die Achtung vor den englischen Gesetzen: das Central-Jail und Distrikt-Jail.

Voll besetzt sind die langen Hallei: in den von radialen

Teppichknüpfer im Zuchthaus.

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gebenedeiten Users, so wird eine Handvoll Gangesschlamm auf die erbleichenden Lippen gedrückt, dann wird der Ver­storbene aus die Bahre gelegt, diese in das Gangeswasser getaucht und schließlich zwischen die Holzknüttel oder ge­dörrte!: Kuhdüngerscheiben des Scheiterhaufens verpackt. Einige schiwaitischen Sekten beobachten den furchtbaren Brauch, zuvor eine Kokosnuß aus dem Schädel des Toten zu zerschlagen, der dann von dem Safte überströmt wird.

Ter Holzstoß links steht bereits in vollen Flammen; wo aber weilt der Leidtragende, der sie entfachte? Dort kauert er gelassen links oberhalb des Scheiterhaufens neben den: Gedenkstein einer Satti, während ihn: nach Hindufitte eii: Barbier die Haare spiegelblank von: Kopf schert. Hat er auf diese Weise seinen: Verlust Ausdruck gegeben, so schmaucht er mit den andern Verwandte!: eine gemeinschaftliche, mit Opium gefüllte Huka-Wasserpseife, bis der Holzstoß heruntergebrannt ist dann sammeln die .Hinterbliebenen die nicht völllg verbrannten Gebeine, be-

Maueru durchzogenen kreisrunden Höfen, mit deren Hilfe der Verkehr der Gefangenen bei etwaigen Meutereien ge­hemmt werden kann. Nur die Oberleitung liegt ii: den Händen weniger Europäer, die Aufsicht wird durch Sträf­linge von guter Führung bewirkt.

An der Töpferscheibe oder am Kochherd, am Färbertrog oder an: Schmiedefeuer müssen die Gefangenen arbeiten, je nach ihrer Kaste. In der langen Halle dort Hocker: die Teppichwirker, die nach uralter Weise ihre Decken weben, natürlich, wie bei allen Handarbeiten ii: Indien, unter Zuhilfenahme der Füße. Mit den großen Zehen wird der Schußfadeu hin und her gezogen, während die Hände das Pocheisen regieren.

Aussallenderweise tritt die den Engländer:: eigne Sorge, das Kastenvorrecht der einflußreichen Brahminei: zu wahren, selbst hier im Gefängnis zu Tage. Nicht allein, daß die eingesperrten Brahminen bei ihrer Arbeit hübsch unter sich bleiben dürfen, selbst das Essen erhalten diese Herrei: aus