gerade an Sardousche und Schubinsche Nussinnen denkt. Ich weiß nicht — diese schnelldenkenden Köpfchen, die so undutzendmäßig sind, und dabei eine gewisse aufregende Perspektive — ich meine nicht gerade Dynamitgernch — sie wollen ja doch nicht alle Bomben schlendern! Dann dies gebrochene Deutsch und vor allem die Unschuld in den Augen, diese Weltdamenunschuld, über der die Wimpern gemalt sind wie bei der ältesten Kokette.
Die jüngere war auch t^ps äs so rass, aber noch frisch, mehr Natur, noch ohne Erfahrung, ja, sie hatte zuweilen einen Anflug vom deutschen Mädchengenre, und dann war auch kein Ehemann neben ihr, den sie schlecht oder gar nicht hätte behandeln können. Diese bessere Eigenschaft machte sie so reizend im Vergleich zur andern.
Wenn die Schwestern zugegen waren, sprachen wir unausgesetzt mit ihnen, das heißt: die redseligsten von uns, unser dicker Premier und unser begeisterter Major. Waren wir allein, so redeten wir von ihnen, und dann sagte auch wohl der Hauptmann ein Wort, immer ein gehalten vorsichtiges, denn die andern brauchten doch — weiß der Himmel! — nicht zu merken, was in ihm vorging.
Ich schlief neben ihm oder vielmehr: ich schlief nicht neben ihm, denn ich hörte es alle Mitternächte, dies verzweifelte Auf-und-nieder-rennen eines Menschen, der mit einem Gefühl fertig werden will und mit jeder Anstrengung neu unterliegt. Und dann nicht wissen: soll man, oder darf man auch noch? Und dann die Jahre, die schuldlos aneinander gereihten, die man ja gar nicht gewollt hat, und die einem so widerwillig angehäugt werden, bis man sich eines Tages sagt: mit der Jugend ist's aus, nun sieh zu, wie du dich mit dem andern abfindest!
Er hätte sich ja gar nicht in sie zu verlieben brauchen! Im ganzen deckte sie sich durchaus nicht mit der Norm, die er von den Frauen, wie sie sein sollten, aufzustellen pflegte. Aber — da half kein Meditieren, gethan hatte er's!
Und ich saß daneben, und er that mir in der Seele leid, denn das wußte ich ja: schwesterlich gern hatte sie ihn — jetzt, wo kein rechter Blender in der Nähe war, nur wir andern guten Kerle, die wir von der Schönheitsgöttin bei der Geburt nicht das mindeste mitbekommen hatten. Aber die Ter Schwadron lag ja drei Dörfer weit, es konnte nicht fehlen, daß die einmal herüberkamen, und da war der Lanox dabei, der überall auf Abenteuer lief und dem dieser Typ gewiß wie gefunden kam.
Wenn er doch vorher sprechen — oder nein — lieber den Lanox noch abwarten wollte! Denn vielleicht sah er dann, daß nicht viel an ihr zu beklagen war, wenn sie sich entpuppte als wetterwendischer Flirt!
Am Morgen darauf ritten der Hauptmann und ich nach der Uebung auf einem drei Stunden weit entfernten Nittergute vor.
Der Besitzer, ein alter Graf Rafchin, saß im getäfelten Eßzimmer vor dem Sektkübel und ihm gegenüber — richtig, da war er ja schon, 1s dsau Lanox!
Deir schmalen Kopf in die Hand gelegt, saß er möglichst leger da. Er hatte sich den Uniformrock aufgeknöpft und zurückgefchlagen, so daß ihm das rote Futter etwas Generalmäßiges gab, „so einen Zukunstsvorgeschmack!" pflegte der Bescheidene zu sagen. Seine elegante Wäsche, durch die er berühmt war, stand ihm in ihrem blendenden Weiß sehr gut zu Gesicht, zu dem feinen, melancholischen Mädchengesicht mit dem gelockten Schnurrbart. Er war der Gigerl des Regiments; er trug winters seidene Epauletten, machte jede Uniformmode mit, sobald sie in Berlin, dem Himmel der Lieutenants, entdeckt war, trug prächtige Diamantringe und — selbstverständlich! — ein noch prächtigeres Armband. Zu all diesem Luxus liebte er in seiner Garnison eine verheiratete Frau und hoffte mit dieser auf den Tod ihres Mannes, .was diesen natürlich gut konservierte, ihm aber einen Nimbus gab — so einen Leihbibliothekschmöker-Nimbus — aber er zog doch sehr beim andern Geschlecht!
Lanox rauchte und blies mit blasierter Lippenbewegung den Dampf in die Luft. Er hatte immer etwas Elegisches, Triumphmüdes — aber natürlich! mich und meinen Schlag übertrumpfte er auf dem Parkett jedesmal.
Wir tranken mit. Graf Raschin war sehr aufgeräumt.
„Sind die jungen Erdmannsdorfer in Tarnowa?" fragte er; dann lakonisch: „Schwester mit?"
„Eine Schwester? Ledig?" fragte Lanox.
Dem Hauptmann zuckte es schon um die Stirn.
„Was- sind denn das für Menschen, die jungen Erdmannsdorfer?" fuhr Lanox fort. „Ich muß nämlich dorthin als Quartiermacher für die Ter."
„Er, der Erdmannsdorf, ist, milde gesagt, eine Null," versetzte Raschin. „Die Frau — na, so ganz verbrieft dürfte die Familie nicht sein — Russen, die zwischen Paris und Berlin leben — natürlich unvermögend, aber hochelegant. Ich für meinen Teil habe dies Genre gründlich satt — alles berechnende Frauenzimmer — wenn eine den Erd- mannsdors nimmt, so ist das selbstverständlich bare Spekulation — keine Spur Herz."
„Und die Ledige?" näselte Lanox.
„Noch ledig," sagte Naschin, „aber sieht mir gerade aus, als mache sie's bei nächster Gelegenheit wie die andre — ich meine, wenn ihr ein reicher Gimpel in die Falle gerät!"
Der Hauptmann brach eilig auf. Dem Raschin war ja schließlich nichts übelzunehmen — was so Herren bei Sekt und Zigarren sagen!
Lanox ritt mit uns nach Tarnowa. Er saß sehr gut zu Pferd, auch mit des Neides Augen gesehen. Ein superbes Pferd, dreimal prämiierter Wettrenngaul, — natürlich war Lanox enragierter Sports- man — dasselbe Pferd, mit dem er in feiner Garnison täglich der schönen Gattin des Totgehofften und Wunschkonservierten Parade ritt.
Er unterhielt uns ununterbrochen vom Baden- Badener Herbstrennen und erging sich in überschwenglichen Lobsprüchen auf den Jockey Fred Cramper.
In Tarnowa empfing uns nur der Hausherr, alle andern hielten Siesta.