Heft 
(1897) 06
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Weber Land und Meer.

Er ist mißglückt, und niemand kann absehen, wann endlich unsern Töchtern der Zugang zu den Hörsälen ohne hochnot­peinliche Vorschriften frei und unbehindert offen stehen wird. Diesen erschwerenden Vorschriften seht jener Paragraph die Krone auf, durch welchennach Prüfung der Zeugnisse und Ausstellung des Erlaubnisscheins durch den Herrn Rektor die Einwilligung der Professoren und Dozenten, deren Vor­lesungen zu hören gewünscht wird, einzuholen ist".

Man sollte doch meinen, daß die Einwilligung dieser Herren nach der Genehmigung der oberen Instanzen eine ganz selbstverständliche wäre. Was geschieht nun aber, wenn dieser oder jener von den Herren Dozenten die er­betene Erlaubnis verweigert, was bei der an der Berliner Universität noch immer vorherrschenden Stimmung, die eine starke Stütze an dein nun abgetretenen Rektor Professor Brunner fand, immerhin sehr wahrscheinlich ist? Hat doch selbst ein so hochstehender Gelehrter wie Hermann Grimm seine Kollegien den Damen ohne weiteres verschlossen, obwohl gerade seine Gegenstände (litterarische und kunstgeschichtliche) ihnen interessant sein mußten! Ist die Zulassung zu den Vorlesungen in das Belieben der Dozenten gestellt, dann ist die ganze Verfügung des Herrn Ministers thatsächlich illu­sorisch. Nicht mit Unrecht hat der Abgeordnete Rickert in jener Sitzung vom 24. Juni es für wünschenswert erklärt, die Namen derjenigen Professoren zu veröffentlichen, die den Damen den Zutritt zu den Vorlesungen verweigern.

Auf dem vorjährigen Kongreß der Evangelisch-Sozialen in Stuttgart erstattete der damalige Rektor der Universität, Herr Professor Adolf Wagner, Bericht über seine mit den Hörerinnen gemachten erfreulichen Erfahrungen. Er betonte, daß irgend welche formellen oder materiellen Mißstände sich seit der Teilnahme der Damen an den Vorlesungen in keiner Weise gezeigt hätten,der Ton sei geradezu besser geworden". Er würde es als eine Schande der deutschen Jugend be­zeichnen, wenn die studierenden Damen irgendwie belästigt würden. Die Damen seien ganz besonders eifrig und fleißig. Nach diesen Erfahrungen können wir sagen," so schloß Professor Wagner seine bemerkenswerten Ausführungen,es wird den Frauen der Besuch der Hochschule erleichtert werden."

Alan geht wohl nicht fehl mit der Annahme, daß diese erfreuliche Aussicht die obengenannten Antragstellerinnen zu ihrer Petition bestimmt hat. Denn man durste in der That anuehmen, daß diese kompetenten Ausführungen Wagners an den betreffenden Stellen Beachtung finden würden, daß die noch bestehenden Erschwernisse nach solchem Zeugnis fallen, daß besonders Wagners Nachfolger im Berliner Rektorat, Herr Professor Brunner, sich freundlicher zu den berechtigten Ansprüchen der Damen stellen würde. Alan durfte wohl auch annehmeu, daß das Parlament sich nun etwas näher mit diesen Dingen beschäftigen und jener Petition ein geneigtes Gehör schenken werde. Aber nichts von alle­dem geschah. Professor Brunner ging nicht auf die An­regung seines Amtsvorgängers ein, ja er verweigerte sogar dem Fräulein Lange einen Raum in der Universität zur Abhaltung eines Vortrags. Blau darf hoffen, daß die am 3. August erfolgte Wahl des bekannten Professors Schmoller endlich einen Umschwung in diese unhaltbaren Zustände bringen werde, wobei freilich nicht vergessen werden darf, daß er auf dem evangelisch-sozialen Kongreß zu Erfurt erklärte, daß die Frau nicht in den Konkurrenzkampf mit den Männern geworfen werden dürfe.

Nachdem das Abgeordnetenhaus die erwähnte Petition mindestens ebenso oberflächlich und befangen behandelt hat, als der Reichstag im vorigen Frühsommer das Vereins- und Versammlungsrecht behandelte, wäre es doch endlich an der Zeit, daß unsre Parlamentarier mit mehr Wohlwollen und Unbefangenheit die Frauenfrage prüften und denberechtigten Kern" von der Forderung voller Gleichberechtigung unter­scheiden möchten, die ja doch nur von einem kleinen Teile

der Frauenrechtlerinnen geltend gemacht wird. Bei wirklich unbefangenem Verhalten könnten sie nicht dabei stehen bleiben, den geistig begabten und willensstarken Frauen, deren Sinn und Neigung der geistigen Arbeit zugewendet ist, ihren schon ohnehin schwierigen Weg durch künstliche Einschränkungen erschweren oder verlegeil zu wollen. Darin muß in einem Kulturstaate die Frau dem Manne gleichstehen, daß sie sich in allem bilden und fördern darf, wohin Neigung und Begabung sie treibt, und von diesem Standpunkt, den schon Fanny Lewald vor etwa dreißig Jahren mutig und zugleich logisch zu vertreteil wußte, müssen die er­schwerenden Bestimmungen für das Frauenstudiuni au allen deutschen Hochschulen aufs eifrigste bekämpft werden. Darf man doch nicht vergessen, daß jene Frauen, die sich aus reinem, innerem Trieb dem Studium widmen und durch dies mutige Loslöseu vom alten Herkommen sich mit den Anschauungen weiter Kreise in Gegensatz stellen, doch that­sächlich mehr Anerkennung und Wohlwollen zu beanspruchen haben als jene ungezählten Tausende, die in trägem Dahin- träumen, dekoriert durch allerlei wahllose Lektüre, Klavier spiel oderMalen" ihre Tage müßig hinbringen oder das Vergnügen um jeden Preis" auf ihre Fahne geschrieben haben

Alan begegnet heutzutage häufig der Anschauung, daß eine ernste wissenschaftliche Ausbildung der Frauen in der Gegenwart leichter erworben werden könne als früher. Mir scheiilt das nur in dem einen Sinne richtig, daß man jetzt mehr als früher Einrichtungen trifft, die solche Ausbildung begünstigen; im übrigeil halte ich die geistige Bildung der Frauen jetzt für schwieriger als zu irgend einer andern Zeit Das moderne bunte Leben erfaßt unsre junge weibliche Welt mit unwiderstehlicher Gewalt; die Zunahme des bürger­lichen Wohlstandes lehrt mit jedem Tage neue Bedürfnisse kennen, der wachsende Luxus mit seinen unerfreulichen Be gleiterscheinungen drangt den Sinn für geistige Thätigkeit und geistigen Besitz mehr und mehr zurück. Unsrein Zeichen des Verkehrs" stehende Zeit weist mehr als je au Ausflüge und Reisen hin; die Geselligkeit mit ihren viel fettigen Abziehungen und künstlerische Genüsse verschiedenster Art fordern ihr Recht, lind in diesem lockenden, zerstreuenden Tagestreiben ist ernste, stille Arbeit und zurückgezogenes Versenken in die Welt des Geistes in ungeahnter Weise er schwert. Und auf der andern Seite bieteil populäre wissen schaftliche Anregungen verschiedenster Art eine leichte Ge legenheit, sich mit einem wenn auch trügerischen Schimme- von Kenntnissen und Bildung zu umkleiden und auch de» geistig Trägen so viel Verständnis für Tageserscheiuungei auf künstlerischem oder wissenschaftlichem Gebiet zu ver Mitteln, daß er sich mit leidlichen Ehren an unsrer land läufigen Tageskonversation beteiligeil kann. Dieübertünchte' Halbbildung ist eine hervorstechende Eigeilschaft unsrer Zeit.

Durch diese nicht wegzuleugnende Erscheinung begründet sich die Forderung ganz von selbst, daß für ernster strebende Frauen eine Möglichkeit geschaffen werde, sich durch eine straffere geistige Zucht und ernstere Schulung aus dem ver flachenden Treiben der Gegenwart zu flüchteil und ihrer nach geistiger Bethätigiing verlangenden Beanlagung ein Feld zu eröffnen, wo sie unter Gleichstrebeuden sich unsr- besten Bildungsschätze aneigneu können, gleichviel, ob diese geistige Arbeit eine Vorbereitung zu einer Prüfung sein und praktische Zwecke verfolgen soll, oder ob sie als Selbstzweck angesehen wird.

Von diesem Gesichtspunkt scheint mir jene Bestimmung der Berliner Universität besonders hart, daßAnmeldungs bücher nur denjenigen Frauen ausgehändigt werden sollen, die sich auf eine Prüfung vorbereiten und zu dieser einen Nachweis über die gehörten Vorlesungen zu führen haben". Da drängt sich doch die Frage auf, warum denn die m» der nachgewiesenen genügenden Vorbildung ausgerüstete Dame nicht lediglich zur Erweiterung ihrer allgemeinen