Heft 
(1897) 06
Seite
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Acker Land und Weer.

Satz ein Irrtum ! Die echten und gerechten Vorkämpferinnen wollen nun einmal von einer Inferiorität ihres Geschlechts nicht das mindeste wissen, und, worauf es hier am meisten ankommt, ihre Forderungen sind keineswegs so leicht zu übersehen. Wir nehmen nur einen Punkt heraus: die aktive Teilnahme am politischen Leben, das Wahlrecht. Gewiß giebt es viele einsichtsvolle Frauen, die zu ihrem eignen Glück nichts davon wissen wollen, aber es giebt auch viele, welche das Wahlrecht als eiu Hauptziel der Frauenbewegung ansehen und jeden als ihren Feind betrachten, der es ihnen nicht einräumt. Als ich vor einiger Zeit in derM. Allg. Zeitung" jene politischen Aspirationen der Frauen in maß­vollster Form besprach und darzulegen versuchte, daß sie für Haus, Familie und öffentliches Leben nur von unheilvoller Wirkung sein könnten, da bin ich mit polemischen Zuschriften vonzarter Hand" überflutet worden, die den Reiz und Adel echter Weiblichkeit oft stark vermissen ließen.

Den besonnenen Freund der Frauenbewegung werden solche Vorkommnisse nicht verstimmen, er nimmt sie hin als die notwendigen, jedem organischen Werdeprozeß anhaftenden Uebergangserscheinungen und bleibt mit seinem Rate nicht zurück, wenn kritische Zeiten die gesunde Entwicklung zu hemmen scheinen. Ich glaube, daß für die weiteren Fort­schritte der Frauenbewegung eine solche kritische Zeit ge­kommen ist, die alle besonnenen Frauen und wohlwollenden Männer anffordert, zusammenzustehen und mit ruhiger Energie an der Weiterführnng des Baues fortzuarbeiten.

Wenn ich von Fehlern in der eingeschlagenen Taktik sprach, so verstehe ich unter diesen Fehlern auch die Miß­griffe in der Wahl der Themata, die auf den Kongressen und sonstigen Vereinigungen zur Diskussion gestellt werden. Jede weitausschauende Aspiration, jede Forderung, für die die bisherige Propaganda keine genügende Vorbereitung ge­geben hat, mit der sich also das Volksbewnßtsein noch nicht befreundet hat, und vor allem jede Provokation muß sorgsam vermieden werden. Die Zeit der großen Worte und flammenden Proteste hat die gehofften Früchte nicht gezeitigt. Das Schicksal der unehelichen Mütter und un­ehelichen Kinder und die Anwartschaft auf die höchsten Staatsstellen, Themata, die auf der Brüsseler Versammlung eingehend behandelt wurden, sind aus taktischen Gründen so lange zurückzuhalten, bis die ersten notwendigen Forderungen, mit denen sich jeder Gebildete befreundet hat, zur Verwirk­lichung gelangt sind. Dazu rechnen wir in erster Linie die Freigabe des Studiums, die Mündigstellung der Frau im bürgerlichen Recht und die Erweiterung der bürgerlichen Berufsarten der Frauen.

berühmte Rennfahrer.

(Siehe die Abbildungen Seite 49, 52 und 53.)

(Mer Radrennsport, so jung er noch ist, hat doch bereits Qs eine ganze Reihe vonBerühmtheiteil" gezeitigt, die in der Geschichte des Sportes voraussichtlich einen ehren­vollen Platz behaupten werden. Allerdings wird das Fort­leben ihrer Namen nicht lediglich den erzielteil Erfolgen, sondern wesentlich auch der zunehmenden Bedeutung des Fahrrades zu danken sein, zu dessen Popularisierung sie außerordentlich viel beigetragen haben. Namen wie Lehr, Arend, Bourrillon sind heute jedermann in Deutschland geläufig, was man weder voll den Berühmtheiten andrer Sportzweige noch von solchen auf den Gebieten der Wissen­schaft, Kunst, Litteratur und so weiter behaupten kann. Es unterliegt keinem Zweifel, daß die Beliebtheit, deren sich das Fahrrad bei jung und alt erfreut, zur Popularität seiner Meister sehr viel beigetragen hat. Andrerseits aber soll man sich auch hüten, die Verdienste der Maladore zu

unterschätzen, denn es giebt vielleicht keinen Beruf, dessen Höchstleistungen an seine Vertreter größere Anforderungen stellen als der des Rennfahrers. Der Kampf auf der Rennbahn, der sich im Tempo eines Schnellzuges abspielt, erfordert neben der natürlichen Kraft eine Summe von andern männlichen Tugenden, die sich nur selten in einem Individuum vereinigt finden. Zum Rennfahrer gehört ein ganzer Mann, in der weitesten Bedeutung des Begriffes. Mut, Kaltblütigkeit, Entschlossenheit, Zähigkeit, scharfer Blick, Klugheit und die Gabe, jede Situation blitzschnell zu er­fassen und auszunutzen, müssen in höchster Vollendung bei dem Rennfahrer vereinigt sein. Es liegt auf der Hand, daß Leute mit solchen Gaben auch auf andern Gebieteil Hervorragendes leisten würden, daß sie also der allgemeinen Beachtung nicht unwert sind. Von diesem Gesichtspunkt aus dürfen auch unsre Bilder berühmter Rennfahrer An­spruch auf Interesse erheben, selbst bei denjenigen, die dem Rennsport an sich gleichgültig oder gar ablehnend gegen­überstehen.

Der erste Platz in der stattlichen Reihe gebührt zweifellos August Lehr, dem Altmeister der deutschen Rennfahrer. Er hat eine Siegeslaufbahn hinter sich, deren sich kein andrer Rennfahrer der Welt rühmen kann, und steht heute noch auf der vollen Höhe seiner Leistungsfähigkeit. Was das bedeuten will, vermag nur derjenige voll zu ermesseil, der im stände ist, sich ein klares Bild von der intensiven Entwicklung des modernen Nennwesens zu machen. Es gehört eine Riesennatur dazu, in diesem aufs äußerste ge­steigerten Ringen die Oberhand zu behalten. Der Sohn eines Frankfurter Weinhandlers, begann Lehr seine Renn- carriere als siebzehnjähriger Jüngling im Jahre 1887. Seitdem hat er eine Reihe von Erfolgen erzielt, die nur durch die des berühmten Amerikaners Zimmermann erreicht wird. Aber während derfliegende Pankee" der Renn­bahn längst Valet gesagt hat, steht Lehr immer noch in vorderster Reihe und wird diesen Platz auch voraussichtlich noch lange behaupten. In den Jahren 1888 bis 1894 war er unbestritten der beste Fahrer der Welt. Er ge­wann in dieser Zeit zweimal die Weltmeisterschaft, und zwar 1889 in England und 1894 in Antwerpen. Im Jahre 1895 gründete er die Lehr-Fahrradwerke in Frank­furt a. Nt., die er bis Ende 1896 leitete. Während dieser Zeit wurden seine sportlichen Erfolge durch die geschäftliche Thütigkeil naturgemäß etwas beeinträchtigt; aber als er sich dann zu Anfang dieses Jahres von neuem ganz der Renn­bahn widmete, zeigte er sich sofort wieder als der Alte, wenn ihm auch inzwischen eine riesenhafte Konkurrenz er­wachsen war.

Sein gefährlichster Gegner ist heute der Hannoveraner Willy Arend, dessen Stern im Jahre 1895 aufging. Arend, der heute erst 21 Jahre zählt, konnte bereits vor zwei Jahren 44 erste Plätze neben 8 zweiten auf sein Conto bringen. Seine Glanzzeit aber fällt in das laufende Jahr und erreichte ihren Gipfel bei den Weltmeisterschaften in Glasgow, wo der Hannoveraner gegen die auserlesenste englische und französische Konkurrenz einen selbst von der englischen Sportpresse bedingungslos anerkannten Sieg da­vontrug. Später gewann er dann noch in Hamburg den Großen Preis gegen Bourrillon und Courbe d'Outrelon, die goldene Armbinde in Berlin und das Dreiermatch in Köln gegen Lehr und den Grazer Büchner, nebst zahlreichen andern bedeutenden Rennen. Arend ist ein Fahrer von ungewöhnlich hoher natürlicher Klasse. Seine Begabung liegt weniger in der Technik als in seiner körperlichen Ver­anlagung, die ihn befähigt, einen langen Spurt durchzu­stehen, ohne sich für das Finish ganz auszugeben. Da er gegenwärtig erst 21 Jahre zählt, so hat er bei sorgfältiger Schulung zweifellos noch eine glänzende Siegeslaufbahn vor sich.