110
Ueber Land und Meer.
besser aussähe . . ." Nex versuchte zu widersprechen aber Czako gab nicht nach und versicherte: „Ja, Rex, Sie sind ein schöner Mann, Sie Haben eben mehr zuzusetzen. Und da bleibt denn immer noch was übrig."
Oben auf der Rampe stand Engelke.
„Nun, Engelke, wie steht's? Woldemar und der Pastor schon da?"
„Nein, gnäd'ger Herr. Aber ich kann ja die Christel schicken..."
„Nein, nein, schicke nicht. Das stört bloß. Aber warten wollen wir auch nicht. Es war doch weiter nach Globsow, als ich dachte; das heißt, eigentlich war es nicht weiter, bloß die Beine wollen nicht mehr recht. Und hat solche Anstrengung bloß das eine Gute, daß man hungrig und durstig wird. Aber da kommen ja die Herren."
Und er grüßte von der Rampe her nach der Bohlenbrücke hinüber, über die Woldemar und Lorenzen eben in den Schloßhos eintraten. Rex ging ihnen entgegen. Dubslav aber nahm Czakos Arm und sagte: „Nun kommen Sie, Hauptmann, wir wollen derweilen ein bißchen recherchieren und uns einen guten Platz aussuchen. Mit der ewigen Veranda, das is nichts; unter der Marquise steht die Lust wie 'ne Mauer, und ich muß frische Lust haben. Vielleicht erstes Zeichen von Hydropsie. Kann eigentlich Fremdwörter nicht leiden. Aber mitunter sind sie doch ein Segen. Wenn ich so zwischen Hydropsie und Wassersucht die Wahl habe, bin ich immer für Hydropsie. Wassersucht hat so was kolossal Anschauliches."
Unter diesen Worten waren sie bis in den Garten gekommen, an eine Stelle, wo viel Buchsbaum stand, dem Poetensteige gerad' gegenüber. „Sehen Sie hier, Hauptmann, das wäre so was. Niedrige Buchsbaumwand. Da haben wir Lust und doch keinen Zug. Denn vor Zug muß ich mich auch hüten wegen Rheumatismus, oder vielleicht ist es auch Gicht. Und dabei hören wir das Plätschern von meiner Sanssouci- Fontäne. Was meinen Sie?"
„Kapital, Herr Major."
„Ach, lassen Sie den Major. Major klingt immer so dienstlich . . . Also hier, Engelke, hier decke den Tisch und stell auch ein paar Fuchsien oder was gerade blüht in die Mitte. Nur nicht Astern. Astern sind ganz gut, aber doch sozusagen unterm Stand und sehen immer ans wie 'n Banern- garten. Und dann mache dich in den Keller und hol uns was Ordentliches herauf. Du weißt ja, was ich zum Frühstück am liebsten habe. Vielleicht hat Hauptmann Czako denselben Geschmack."
„Ich weiß noch nicht, um was es sich handelt, Herr von Stechlin; aber ich möchte mich für Ueber- einstimmung schon jetzt verbürgen."
Inzwischen waren auch Woldemar, Rer und der Pastor vom Gartensalon her ans die Veranda hinausgetreten, und Dubslav ging ihnen entgegen. „Guten Tag, Pastor. Nun, das ist recht. Ich dachte schon, Woldemar würde von Ihnen annektiert werden."
„Aber, Herr von Stechlin . . . Ihre Gäste . . . Und Woldemars Freunde."
„Betonen Sie das nicht so, Lorenzen. Es giebt Umgangssormen und Artigkeitsgesetze. Gewiß. Aber das alles reicht nicht weit. Was der Mensch am ehesten durchbricht, das sind gerade solche Formen. Und wer sie nicht durchbricht, der kann einem auch leid thun. Wie geht es denn in der Ehe? Haben Sie schon einen Mann gesehen, der die Formen wahrt, wenn seine Frau ihn ärgert? Ich nicht. Leidenschaft ist immer siegreich."
„Ja, Leidenschaft. Aber Woldemar und ich .. ."
„Sind auch in Leidenschaft. Sie haben die Freundschaftsleidenschast, Orest und Pylades -- so was hat es immer gegeben. Und dann, was noch viel mehr sagen will, Sie haben nebenher die Kon- spirationsleidenschast..."
„Aber, Herr von Stechlin."
„Nein, nicht die Konspirationsleidenschast, ich nehm' es zurück; aber Sie haben dafür was andres, nämlich die WeltverbesserungSleidenschast. Und das ist eine der größten, die es giebt. Und wenn solche zwei Weltverbesserer zusammen sind, da können Rex und Czako warten, und da kann selbst ein warmes Frühstück warten. Sagt man noch Dejeuner ü 1a kourellette?"
„Kaum, Papa. Wie du weißt, es ist jetzt alles englisch."
„Natürlich. Die Franzosen sind abgesetzt. Und ist auch recht gut, wiewohl unsre Vettern drüben erst recht nichts taugen. Selbst ist der Mann. Aber ich glaube, das Frühstück wartet."
Wirklich, es war so. Während die Herren zu Zwei und zwei an der Buchsbaumwandung aus und ab schritten, hatte Engelke den Tisch arrangiert, an den jetzt Wirt und Gäste herantraten.
Es war eine längliche Tafel, deren dem Nundell zugekehrte Längsseite man frei gelassen hatte, was allen einen Ueberblick über das hübsche Gartenbild gestattete. Dubslav, das Arrangement musternd, nickte Engelke zu, zum Zeichen, daß er's getroffen habe. Dann aber nahm er die Mittelschüssel und sagte, während er sie Nex reichte: „Uoujours xerärix. DaS heißt, es sind eigentlich Krammetsvögel, wie schon gestern abend. Aber wer weiß, wie Krammetsvögel auf französisch heißen? Ich wenigstens weiß es nicht. Und ich glaube, nicht einmal Tucheband wird uns Helsen können."
Ein allgemeines verlegenes Schweigen bestätigte Dnbslavs Vermutung über französische Vokabelkenntnis.
„Wir kamen übrigens," fuhr dieser fort, „dicht vor Globsow durch einen Dohnenstrich, überall hingen noch viele Krammetsvögel in den Schleifen, was mir aussiel und was ich doch, wie so vieles Gute, meinem alten Krippenstapel zuschreiben muß. Es wäre doch 'ne Kleinigkeit für die Jungens, den Dohnenstrich auszuplündern. Aber so was kommt nicht vor. Was meinen Sie, Lorenzen?"
„Ich freue mich, daß es ist, wie es ist, und daß die Dohnenstriche nicht ausgeplündert werden. Aber ich glaube, Herr von Stechlin, Sie dürfen es Krippen- stapel nicht anrechnen."
Dubslav lachte herzlich. „Da haben wir wieder