ansehen kann, zusammengestellt. Außer dem ange- zweifelten Fenster werden Frau Gräfin noch ein paar phantastische Regentrausen finden und vor allem viele Wetterhähne, die von alten märkischen Dorfkirchtürmen herabgenommen wurden. Einige sollen ganz interessant sein. Ich habe keinen Sinn dafür. Aber Krippenstapel hat einen Katalog angefertigt."
Unter diesen Worten waren beide bis an die Rampe gekommen, auf der Engelke schon stand und auf die Gräfin wartete. Lorenzen empfahl sich. Aber auch Melusine wollte nicht gleich ins Museum hinauf, zog es vielmehr vor, erst unten in das große Gesellschaftszimmer einzutreten und sich da zu wärmen.
Engelke machte sich auch sofort am Kamin zu schaffen, was der Gräfin gut paßte, weil sie noch manches fragen wollte.
„Das ist recht, Engelke, daß Sie Kohlen auf- schütten und auch Kienäpfel. Ich freue mich immer, wenn es so lustig brennt. Und oben im Museum' wird es wohl noch kalt sein."
„Ja, kalt ist es, Frau Gräfin. Aber mit der .Kälte, na, das ging' am Ende noch, und der viele Staub, der oben liegt, das ginge vielleicht auch noch; Staub wärmt. Und die Dachtraufen und Wetterhahne thuu keinem Menschen was..."
„Aber was ist denn sonst noch?"
„Ach, ich meine bloß die verdammten Dinger, die Spinnen..."
„Um Gottes willen, Spinnen?" erschrak Melusine.
„Ja, Spinnen, Frau Gräfin. Aber so ganz schlimme sind nich dabei. Solche mit 'm Kreuz oben Hab' ich bei uns noch nich gesehu. Bloß solche, die Schneider heißen."
„Ach, das sind die, die die langen Beine haben."
„Ja, lange Beine haben sie. Aber sie thun einem nichts. Und eigentlich sind es sehr ängstliche Tiere und verkriechen sich, wenn sie hören, daß aufgeschlossen wird, und bloß wenn Krippenstapel kommt, dann kommen sie alle 'raus uu kucken sich um. Krippenstapeln, den kennen sie ganz gut. und ich Hab' auch mal gesehn, daß er ihnen Fliegen mitbringt. Und machen sich dann gleich drüber her."
„Aber das is ja grausam. Ist es denn ein guter Mensch?"
„O, sehr gut, Frau Gräfin. Und als ich ihm mal so was sagte, sagte er: ,Ja, Engelke, das is nu mal so; einer frißt den andern auf.'"
Das Gespräch setzte sich noch eine Weile fort; dann sagte Melusine: „Nun, Engelke, ist es aber wohl die höchste Zeit für das Museum, sonst komm' ich zu spät und feh' und höre gar nichts mehr. Ich bin nun auch wieder warm geworden." Dabei erhob sie sich und stieg die Doppeltreppe hinauf und klopfte. Sie wollte nicht gleich eintreten.
Auf ihr Klopfen wurde sehr bald von innen her geöffnet, und Krippenstapel, mit der Hornbrille, stand vor ihr. Er verbeugte sich und trat zurück, um den Platz freizugeben. Aber Melusine, deren Angst vor ihm wiederkehrte, zauderte, was eine momentane Verlegenheit schuf. Inzwischen war aber auch Dubslav herangekommeu. „Ich fürchtete schon.
daß Lorenzen Sie nicht Herausgeber: würde. Seine Gelegenheiten, hier in Stechlin ein Gespräch zu führen, sind nicht groß und nun gar ein Gespräch mit Gräfin Melusine! Nun, er hat es gnädig gemacht. Jetzt aber, Gräfin, halten Sie gefälligst Umschau; vielleicht daß Lorenzen schon geplaudert hat oder gar Engelke."
„So ganz im Dunkeln bin ich nicht mehr; ein Küstriner Schloßfenster, ein paar Kirchendachreliquien und dazu Wetterhähne, — lauter Gegenstände (denn ich bin auch ein bißchen fürs Aparte), zu deren Auswahl ich Ihnen gratuliere."
„Wofür ich der Frau Gräfin dankbar bin, ohne sonderlich überrascht zu sein. Ich wußte, Damen wie Gräfin Ghiberti haben Sinn für derlei Dinge. Darf ich Ihnen übrigens zunächst hier diesen Lebuser Bischof zeigen und hier weiter einen Heiligen oder vielleicht Änachoreten? Beide, Bischof und Ana- choret, sehr unähnlich untereinander, schon in Bezug auf Leibesumfang, — der richtige Gegensatz von Refektorium und Wüste. Wenn ich den Heiligen hier so sehe, taxier' ich ihn höchstens auf eine Dattel täglich. Und nun denk' ich, wir fahren in unsrer Besichtigung fort.' Krippenstapel war nämlich eben dabei, der Eomtesse Armgard unfern Derfflinger- schen Dragoner mit der kleinen Standarte und der Jahreszahl 1675 zu zeigen. Bitte, Gräfin Melusine, bemerken Sie hier die Zahl, dicht unter dem brandenburgischen Adler. Es wirkt, wie wenn er die Nachricht vom Siege bei Fehrbellin überbringen wolle. Daß es ein Dragoner ist, ist klar; der Filzhut mit der breiten Krempe hebt jeden Zweifel, und ich Hab' es für mein gutes Recht gehalten, ihn auch speziell als Derfflingerschen Dragoner festzusetzen. Aber mein Freund Krippenstapel will davon nichts wissen, und wir liegen darüber seit Jahr und Tag in einer ernsten Fehde. Glücklicherweise unsre einzige. Nicht wahr Krippenstapel?"
Dieser lächelte und verbeugte sich.
„Die beiden Damen," fuhr Dubslav fort, „mögen aber nicht etwa glauben wollen, daß ich mich für berechtigt hielte, die freie Wissenschaft hier in meinem Museum in Banden zu schlagen. Grad' umgekehrt. Ich kann also nur wiederholen: ,Krippenftapel, Sie haben das Wort.' Und nun fetzen Sie den Damen Ihrerseits auseinander, warum es nach ganz bestimmten Begleiterscheinungen ein Derfflingerscher nicht sein kann. Bilderbücher aus der Zeit her hat man nicht, und die großen Gobelins lassen einen im Stich und beweisen gar nichts."
Unter diesen Worten hatte Krippenstapel die den Gegenstand des Streits bildende Wetterfahne wieder in die Hand genommen, und als er sah, daß die Gräfin — die, wie das in ihrer Natur lag, den vor zehn Minuten noch so gefürchteten ,Fliegentöter' längst in ihr Herz geschlossen hatte — ihm freundlich zunickte, ließ er auf Geltendmachung seines Standpunkts auch nicht lange mehr warten und sagte: „Ja, Frau Gräfin, der Streit schwebt nun schon so lange, wie wir den Dragoner überhaupt haben, und Herr von Stechlin wäre wohl schon längst in das gegnerische Lager, in dem ich und Oberlehrer