Heft 
(1897) 10
Seite
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Aas Training der Aennfaijrer.

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Auf dein Weg zur

Trainierbahn.

Das Training der Rennfahrer.

Von

Adolf Zchulze.

Mit acht Originalzeichnungcn von Adolf Wald.

^ Anfang der achtziger Jahre die ersten Radrennen sE in Deutschland ausgesuchten wurden, nahmen diese sportlichen Kämpfe einen ziemlich einfachen Verlauf. Die Fahrer setzten sich aufs Rad, wurden abgelassen, traten dann, was sie treten konnten, in die Pedale, und den Sieg errang derjenige, der am schnellsten trat. Die Rennen wurden damals lediglich mit den Beinen gefahren.

Seitdem hat sich das Rennwesen, begünstigt durch den großartigen Aufschwung des Radfahrens, in hohem Maße vervollkommnet. Heute kann man sagen, daß die Rennen mehr mit dem Kopfe als mit den Beinen gefahren werden, und ein Rennfahrer, der einfach darauf losjagt, ohne sich um feine Gegner zu kümmern, wird am Ziel selten noch mitzureden haben.

Das Rennfahren ist eine Kunstfertigkeit um nicht zu sagen eine Kunst geworden, die sorgfältig stu­diert fein will, und zu der es namentlich einer ungemein strengen Vorbereitung, des sogenannten Trainings, bedarf. Bevor wir jedoch auf dieses Thema näher eingehen, wird es gut fein, wenn wir uns zunächst in der Hauptsache mit dem vertraut machen, was durch das Training erreicht werden soll, nämlich mit der Renntechnik und ihren Auf­gaben.

Die Entwicklung des modernen Rennwesens ist bereits zu einer Einteilung in verschiedene Schulen gediehen. Ebenso wie beim Fechten oder Reiten spricht man heute auch schon aus der Rennbahn von einer französischen, einer italienischen

Ueber Land und Meer. Jll. Okt.-Hefte. XIV. 10.

und, wenn man will, auch einer deutschen Schule. Di" letztere ist allerdings neuesten Datums und eigentlich nichts weiter als eine Rückkehr zu den ersten Anfängen des Nennsports.

Sie besteht nämlich darin, daß der Fahrer sich auf die Kraft und Ausdauer seiner Beine verläßt und von vornherein ein so mörderisches Tempo vorlegt, daß den Gegnern keine Zeit übrig bleibt, ihre technischen Finessen zur Anwendung zu bringen.

Um diese letzteren zu begreifen, müssen wir uns vor allem vergegenwärtigen, wie heutzutage die Rennen meist gefahren werden. Bei den Fliegerrennen, deren Distanz selten über 3000, für gewöhnlich aber nur 1000 bis 2000 Meter beträgt, werden die ersten Runden fast immer im langsamen, oft sogar sehr langsamen Tempo zurückgelegt. Erst gegen das Ende wird es etwas lebhafter, weil dann jeder Fahrer bestrebt ist, einen guten Platz für den bevorstehenden Endkampf zu erlangen. Dieser gute Platz" ist nun nicht etwa der erste, wie der Laie denken wird, sondern die Position an zweiter oder dritter Stelle, und die Kunst im Rennen besteht zunächst darin, sich einen dieser Plätze zu sichern. Es gehört große Gewandtheit, scharfer Blick, rascher Entschluß und oft auch kühner, rücksichtsloser Blut dazu, hier das Rechte zu treffen. Die Erfahrung hat nämlich gelehrt, daß der Führende fast immer im Nachteil ist; er muß dem Gegner schon beträchtlich überlegen sein, wenn er trotz­dem siegen will. Daher auch die namentlich in neuerer Zeit immer häufiger auftretenden Stehversuche, weil niemand führen will. Der Nachteil des Führenden erklärt sich zum Teil aus dem Luftwiderstände, der bei ihm naturgemäß größer ist als bei seinen Hintermännern. Der Hauptgrund für die Ueberlegenheit der letzteren ist aber moralischer Natur. Er beruht auf der Thatsache, daß wir mehr zu leisten im stände sind, wenn wir einen Gegner vor uns

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