Heft 
(1897) 10
Seite
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Ueöer Land und Weer.

Hier bedeckt er sich einige Minuten mit dem Badetuch, bis die Schweißabsonderung aufgehört hat, um sich dann je nach Gefallen einer trockenen oder kalten Abreibung oder auch einer kalten Dusche zu unterziehen. Manche Fahrer- lassen sich auch mit einer Mischung aus Alkohol und Arnika­tinktur, mit Bap-Rum oder andern Mitteln einreiben, weil sie glauben, daß dies die Muskeln kräftiger und geschmeidiger macht. In jedem Falle aber muß die Schweißentwicklung völlig beendet sein, bevor der Fahrer die Kabine verläßt. Das Gleiche gilt auch für den Fall, daß der Trainierende sich einer Massagekur unterzieht, die von den Fahrern, unsrer Ansicht nach mit Unrecht, lange nicht genug gewürdigt wird.

Der Zweck dieser Morgenarbeit ist, den Stoffwechsel zu beschleunigen, dem Körper durch lebhafte Schweißbildung das überflüssige Fett zu entziehen, die Muskeln frei und geschmeidig zu machen und Herz und Lunge zu stählen.

raining hinier dciu Dreisitzer.

Bei der Nachmittagsarbeit werden zunächst ebenfalls 5 Kilometer in mäßigem Tempo, etwa zweieinhalb Minuten auf den Kilometer, gefahren. Beim letzten Kilometer wird die Fahrt noch mehr verlangsamt und dann zu einem Endspurt von 150 bis 200 Meter eingesetzt, bei dem als Hauptregel gilt, daß die letzte Strecke am schärfsten ge­fahren wird. Hierauf folgen einige langsame Runden und dann wieder ein kurzer Spurt, was je nach dem Be­finden des Fahrers drei- bis viermal wiederholt werden kann. In der zweiten Woche wird der Spurt bis auf 400 Meter ausgedehnt. Bei der Wiederholung wird dann aber nicht mehr im vollen Spurttempo gefahren, sondern nur um 4 bis 5 Sekunden schneller, als der Durchschnitt der Morgenarbeit beträgt.

Ist also das Vormittagstempo beispielsweise auf 1 Minute 40 Sekunden pro Kilometer herabgeschraubt, so wreden die 400 Meter in 35 bis 36 Sekunden zurückgelegt.

Hieraus erfolgt eine Abreibung, und dann kann die Arbeit nach einer Ruhepause wiederholt werden. Doch darf dies nur einigemale in der Woche erfolgen, damit in keinem Falle Uebermüdung Antritt. In der dritten und vierten Woche können diese Hebungen aus 800 Meter und später nach und nach bis zu 1600 Metern eine englische Meile ausgedehnt werden. Bei diesen längeren Strecken aber sollen die Hebungen immer mit Schrittmachern und nur die letzte Bahnrunde ohne diese gefahren werden.

Es versteht sich ferner von selbst, daß diese Spnrt- versuche nach Möglichkeit gemeinsam mit andern Fahrern gemacht werden, damit der Trainierende einerseits einen Maßstab für sein Können erhält und andrerseits auch Gelegenheit findet, sich an das Fahren im geschloffenen Felde, an rasches Erfassen der Situation, Ausnutzung etwaiger Fehler der Gegner und andre Dinge zu gewöhnen.

Tie vorstehend geschilderte Methode entspricht im großen und ganzen derjenigen des be­kannten amerikanischen Trainers Tom Eck. Sie dient sowohl in Amerika wie in Europa vielfach als Grundlage für die Aus­bildung, darf jedoch nicht als die allein richtige angesehen werden. August Lehr zum Bei­spiel, der als der Altmeister unsrer deutschen Fahrer mit Recht eine gewisse Autorität auf diesem Gebiet beanspruchen kann, fährt in den ersten beiden Wochen seines Trainings vor- wie nach­mittags je 15 Kilometer im Tempo von etwa zwei Minuten pro Kilometer. In den nächsten beiden Wochen geht er dann zu einem schärferen Tempo über, legt aber nur noch je 10 Kilo­meter zurück. In den letzten 14 Tagen werden vormittags 5, nachmittags 2 Kilometer in sehr- scharfem Tempo gefahren, und im Anschluß an die Nachmittags­arbeit drei bis vier kurze Spurts über 100 bis 200 Meter geübt, wobei er besonderes Gewicht auf den kurzen, schnellen Antritt im Spurt selbst während der letzten 50 Meter legt. Lehr läßt sich früh nach dem Ausstehen massieren und nimmt dann eine ganz kalte e. Vor und nach dem Training aber gestattet er nur ein leichtes Frottieren.

Die eine wie die-andre der vorstehend geschilderten Methoden bezieht sich lediglich auf die Ausbildung der sogenannten Flieger, das heißt Fahrer, die im stände sind, eine kurze Strecke in möglichst kurzer Zeit zurückzulegen, und bei denen daher das Hauptgewicht ans die Entwick­lung des Spnrtes und des schnellen Antrittes gelegt wird.

Anders und bedeutend einfacher gestaltet sich das Training des Dauerfahrers oderStehers", wie der tech­nische Ausdruck lautet. Bei diesem kommt es im wesent­lichen auf die Erzielung einer möglichst großen Ausdauer an, die ihn befähigt, eine längere Strecke, 50, 100, ja 500 und inehr Kilometer in gleichmäßigem, scharfein Tempo durchzustehen". Seine Arbeit beschränkt sich daher ledig­lich auf das Tempofahren hinter Schrittmachern, wobei sowohl das Tempo wie die Strecke jeden Tag um ein