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Meöer Land und Meer.
Schritten sich dem achtzigsten Lebensjahr näherte. Und was noch merkwürdiger war, der Glaube an die Menschheit war ihm nicht abhanden gekommen, wie oft er auch getäuscht ward, nicht minder sein kindliches Gottvertrauen. Obschon er dieses letzte Jahrzehnt seines Lebens nie eine Kirche in Höxter besuchte, was ihm sogar am offenen Grabe übel vermerkt wurde, hat es doch wohl keinen neueren Dichter gegeben, der so viel wirkliche Religiosität in seinen Liedern zeigt. So gutmütig und duldsam Hoffmann aber auch war, so energisch, ja rücksichtslos konnte er auftreten, sobald seine Ideale und das, was er für recht und gut erkannt hatte, angegriffen wurden. Seine Kampfeslust und sein Mut bewährten sich da selbst vor den Hochgestellten dieser Erde. Er verletzte dadurch an unzähligen Stellen, und daß er nicht überall die Anerkennung fand, die ihm gebührt hätte, ist in erster Linie diesem Umstande zuzu- schreiben. Trotzdem die einheimischen Beweise der Anerkennung gänzlich ausblieben, wandte sich Hoffmann doch nicht verbittert dem Auslande zu, das ihm glänzende Anerbietungen gemacht hatte.
Der markigen Gestalt des Sängers konnten scheinbar die Jahre nichts anhaben. In voller körperlicher wie geistiger Frische ist er schließlich am 19. Januar 1874 dahingegangen. Neben der so früh geschiedenen Gattin fand er seine Ruhestätte.
Ein Kind NN Herzen, doch an Mut ein Mann,
Von ernstem Sinn, ein Sänger hell und heiter.
Schloß er, der Freiheit nimmermüder Streiter,
Ans Vaterland, ans teure, treu sich an.
Verstummt der Liedermund, dem mit Entzücken Das Volk gelauscht, wenn bei der Becher Klang Er ihn: von Freiheit, Lieb' und Frühling sang —
Komm, Frühling, bald, ihm hold das Grab zu schmücken.
Mr königliches Jubelpaar.
(Siehe die PorirätS Seite 84 und 85.)
H>sm Köiiigshofe zu Dresden wird am 23. April ein seltenes Kid Fest gefeiert. König Albert, der an diesen: Tage sein siebzigstes Lebensjahr vollendet, begeht an seinem Wiegenfeste zugleich sein fünfuudzwanzigjähriges Regierungsjubiläum, das noch kein sächsischer König als solcher erlebt hat. Das deutsche Volk nimmt lebhaften Anteil an dem Jubelfeste, und die besten Köpfe, die geschicktesten Hände bieten zu demselben ihre Gaben dar; die regierenden Fürsten des Deutschen Reichs aber finden sich zum weitaus größten Teile, mit dem Kaiser an der Spitze, in der Residenzstadt an der Elbe zur persönlichen Beglückwünschung des sächsischen Königspaares ein, das sich weit über die grün-weißen Grenz- psähle hinaus großer und verdienter Beliebtheit erfreut.
König Albert genießt die allgemeine Verehrung vor allem als letzter ans der Reihe jener Feldherren und Paladine des unvergeßlichen ersten Hohenzollernkaisers, welche die deutschen Heere in dem großen, siegesgewaltigen Jahre 187(171 zu unvergänglichem Waffeuruhm geführt haben. Von allen jenen Helden und Heerführern lebt nur noch der Sachsenkönig, und er allein ist auch nur noch Besitzer des Großkreuzes vom Eisernen Kreuze, jenem Wahrzeichen der deutschen Befreiungskriege von 1813—15, wie des deutschen Nationalkriegcs 1870/71. Er empfing es am 22. März 1871, jenem Tage, an dem das erste Mal Kaiser Wilhelm seinen Geburtstag nach Annahme der Deutschen Kaiserwürde beging, und mit dem damaligen Kronprinzen von Sachsen nur noch die folgenden Feldherren: Graf Moltke, der deutsche Kronprinz, Prinz Friedrich Karl, die Generale von Werder, von Gäben und von Manteuffel. In den Befreiungskriegen hatten diesen höchsten preußischen Kriegsorden erhalten der Marschall Vorwärts (Fürst Blücher), Bülow von Dennewitz, Tauentzien von
Wittenberg, Pork von Wartenburg und Kronprinz Karl Johann von Schweden. Keiner von allen diesen Heerführern hat diesen hohen Kriegsorden so lange getragen als der heutige König von Sachsen. In dem letzten großen Kriege gegen Frankreich brachte er mit seinen Sachsen am 18. August 1870 die heiße Schlacht bei Gravelotte durch Erstürmung des stark verschanzten Dorfes St. Privat zur Entscheidung, als Oberbefehlshaber der Maasarmee hatte er hervorragenden Anteil au der: Siegen bei Beaumont und bei Sedan, und bei der folgenden Einschließung der französischen Hauptstadt hielt er die Nord- und Ostfront von Paris besetzt. Nach Abschluß des Präliminarfriedens übernahm er den Oberbefehl über alle in Frankreich verbleibenden deutschen Truppen und leistete mit denselben der französischen Regierung wichtige Dienste bei Unterdrückung des blutigen Kommune-Aufstandes. Die Verdienste des damaligen Kronprinzeil Albert erfuhren durch Kaiser Wilhelm I. auch dadurch die höchste Anerkennung, daß ihm bei Gelegeilheit des Einzuges der siegreichen Truppen in Berlin, am 16. Juni 1871, sowie in Dresden, am 11. Juli 1871, die höchsten militärischen Ehrenstellungen verliehen wurden, nämlich diejenigen eines Armee-Inspekteurs und eines Generalfeldmarschalls. Letzteren höchsteil militärischen Rang verlieh ihm zur selben Zeit auch der Zar. Der heutige Deutsche Kaiser, der wiederholt Gelegenheit genommen hat, vor aller Welt seine Verehrung und tiefe Dankbarkeit gegen den sächsischen König um seiner treudeutschen Gesinnung wie seiner unvergeßlichen militärischen Verdienste in Krieg und Frieden öffentlich durch Wort und Schrift zu bekräftigen, nahm überdies Veranlassung, bei dein im Oktober 1893 gefeierteil fünfzigjährigen Militärdienstjubiläum des Sachsenkönigs an der Spitze aller kommandierenden Generale des deutschen Reichsheeres im Residenzschlosse zu Dresden zu erscheinen und dem Monarcheil vor diesen Führern der dentschen Truppen von heilte unter herzlicher Ansprache einen kostbaren, mit Brillanten besetzten Feldmarschallstab zu überreichen, sowie ihm das 2. Garde- Ulanenregiment zu verleihen.
In der preußischen Armee bekleidete König Albert schon seit 1869 die Stellung als Regimentschef und zwar des Ostpreußischen Dragouerregiments Nr. 10, und auch in der russischen und österreichischen Armee, sowie dem bayrischen lind württembergischen Heere führen Regimenter seinen Namen als Regimentsches, von seinen eignen Truppen aber genießen diese Auszeichnung das Leibgrenadierregiment Nr. 100, das Gardereiter- und Königshusarenregiment, sowie das Feldartillerieregiment Nr. 12. Wie König Albert schon als einundzwanzigjähriger Jüngling im Gefecht bei Düppel am 13. April 1849 in Schleswig feinen Soldaten eiil denkwürdiges Beispiel voll Tapferkeit und militärischer Pflichttreue gab, wie er als Kronprinz in der Schlacht bei Königgrütz am 3. Juli 1866 mitten unter ihnen aushielt in dem Wirrwarr des Rückzuges bis zum letzten Augenblicke und dort zugleich seinen Ruf als Feldherr begründete durch die energische Verteidigung des Dorfes Problus und der Waldecke von Bor, so hat er als König und Kriegsherr sich als Erzieher des Heeres und treusorgender Soldatenvater in der feinen Namen tragenden Soldatenstadt im Norden von Dresden — eine Vereinigung von Militär- und Armee-Anstalten, wie sie in dieser Vollkommenheit das Deutsche Reich nirgends weiter besitzt — ein unvergängliches Denkmal errichtet, das seine unablässige Fürsorge für die zum Dienste in der Armee einberufeneil Landeskinder noch kommenden Geschlechtern verkünden wird. Er selbst hat die Armee bei seinem goldenen Militärdienstjubiläum seine „Jugendliebe" genannt, der er immer treu geblieben sei, lind sie war es allerdings auch, mit welcher der Monarch als Kronprinz seinen Ruhm begründete. Doch auch seinem Volke ist er nach Antritt der Regierung immerdar ein