Heft 
(1898) 05
Seite
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Weber <Land und Meer.

haben die Blechmützen und sehen aus, als ob sie lauter Holländerinnen heiraten wollten . . . Was ihnen schon gefallen sollte."

Den Holländerinnen?"

Nun, denen auch," lachte die Tante.Aber ich meinte jetzt unsre Leute. Mißverstehe mich übrigens nicht. Ich weiß recht gut, was es mit den Grenadieren auf sich hat; aber die andern sind doch ebensogut, und Potsdam ist doch schließlich bloß Potsdam."

Ja, Tante, das ist es ja eben. Daß sie noch immer in Potsdam sind, das macht es. Deshalb ist es nach wie vor die ^Potsdamer Wachtparadell Und dann das Wort .erstes' spielt allerdings auch mit. Ein alter Römer, mit dessen Namen ich dich nicht behelligen will, der wollte in seinem Pots­dam lieber der Erste, als in seinem Berlin der Zweite sein. Wer der Erste ist, nun, der ist eben der Erste, und als die andern aufstanden, da hatte dieser,Erste^ schon seinen Morgenspaziergang gemacht, und mitunter was für einen! Sieh, als das zweite Garderegiment geboren wurde, da hatten die mit den Blechmützen schon den ganzen Siebenjährigen Krieg hinter sich. Es ist damit wie mit dem ältesten Sohn. Der älteste Sohn kann unter Umständen dümmer und schlechter sein als sein Bruder, aber er ist der älteste, das kann ihm keiner nehmen, und das giebt ihm einen gewissen Vorrang, auch wenn er sonst gar keinen Vorzug hat. Alles ist göttliches Geschenk. Warum ist der eine hübsch und der andre häßlich? Und nun gar erst die Damen. In das eine Fräulein verliebt sich alles, und das andre spielt bloß Mauerblümchen. Es wird jedem seine Stelle gegeben. Und so ist es auch mit unserm Regiment. Wir mögen nicht besser sein als die andern, aber wir sind die ersten, wir haben die Nummer eins."

Ich kann da beim besten Willen nicht recht mit, Woldemar. Was in unsrer Armee den Ausschlag giebt, ist doch immer die Schuldigkeit."

Liebe Tante, sprich, wovon du willst, nur nicht davon. Das ist ein Wort für kleine Garnisonen. Wir wissen, was wir zu thun haben. Dienst ist alles, und Schuldigkeit ist bloß Renommisterei. Und das ist das, was bei uns am niedrigsten steht."

Gut, Woldemar, was du da zuletzt gesagt hast, das gefällt mir. Und in diesem Punkte muß ich auch deinen Vater loben. Er hat vieles, was mir nicht zusagt, aber darin ist er doch ein echter Stechlin. Und du bist auch so. Und das Hab' ich immer ge­sunden, alle die so sind, die schießen zuletzt doch den Vogel ab, ganz besonders auch bei den Damen."

Diesbei den Damen" war nicht ohne Absicht gesprochen und schien auf das bis dahin vorsichtig vermiedene Hauptthema hinübersühren zu sollen. Aber ehe die Tante noch eine direkte Frage stellen konnte, wurde der Rentmeister gemeldet, der ihr in diesem Augenblicke sehr ungelegen kam. Die Domina wandte sich denn auch in sichtlicher Verstimmung an Woldemar und sagte:Soll ich ihn sortschicken?"

Es wird kaum gehen, liebe Tante."

Nun denn."

Und gleich danach trat Fix ein.

X.

Während Woldemar und die Domina miteinander plauderten, erst im Tete-a-Tete, dann in Gegen­wart von Rentmeister Fix, ritten Rex und Czako (Fritz mit dem Leinpferd folgte) auf Cremmen zu. Das war noch eine tüchtige Strecke, gute drei Meilen. Aber trotzdem waren beide Reiter überein­gekommen, nichts Zu übereilen und sich's nach Möglichkeit bequem zu machen.Es ist am Ende gleichgültig, ob wir um acht oder um neun über den Cremmer Damm reiten. Das bißchen Abend­rot, das da drüben noch hinter dem Kirchturm steht . . . Fritz, wie heißt er? Welcher Kirchturm ist es?..."Das ist der Wulkowsche, Herr Hauptmann!". . . Also, das bißchen Abendrot, das da noch hinter dein Wulkowschen steht, wird ohnehin nicht lange mehr Vorhalten. Dunkel wird's also doch, und von dem Hohenlohedenkmal, das ich mir übrigens gern einmal näher angesehen hätte (man muß so was immer aus dem Hinwege mit­nehmen), kommt uns bei Tageslicht nichts mehr vor die Klinge. Das Denkmal liegt etwas ab vom Wege."

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Schade," sagte Rex.

Ja, man kann es beinah' sagen. Ich für meine Person komme schließlich drüber hin, aber ein Mann wie Sie, Rex, sollte dergleichen mehr wallfahrtartig auffassen."

Ach Czako, Sie reden wieder tolles Zeug, dies­mal mit einem kleinen Abstecher ins Lästerliche. Was soll,Wallfahrt' hier überhaupt? Und dann, was haben Sie gegen Wallfahrten? Und was haben Sie gegen die Hohenlohes?"

Gott, Rex, wie Sie sich wieder irren. Ich habe nichts gegen die einen, und ich habe nichts gegen die andern. Alles, was ich von Wallfahrten gelesen habe, hat mich immer nur wünschen lassen, mal mit dabei zu sein. Und voeem der Hohenlohes, so kann ich Ihnen nur sagen, für die Hab' ich sogar was übrig in meinem Herzen, viel, viel mehr als für unser eigentliches Landesgewächs. Oder wenn Sie wollen, für unsre Autochthonen."

Nachfolger, von dem alten Friedrichsruher gar nicht erst zu reden, ihre Tage vertrauern? Ein Opfer ist es, nicht ulehr und nicht weniger, und ein Opfer bringt auch der alte Fürst, gerade wie der, der da­mals am Cremmer Damm als erster fiel. Und ich sage Ihnen, Rex, das ist das, was mir imponiert; immer da sein, wenn Not an Mann ist. Die Kleinen von hier, trotz der ,Loyalität bis ans die Knochen', die mucken immer bloß auf, aber die wirklich Vor­nehmen, die gehorchen, nicht einem Machthaber, sondern dem Gefühl ihrer Pflicht." (Fortsetzung folgt.)

Wahrheit.

Und das meinen Sie ganz ernsthaft?"

Ganz ernsthaft. Und wir wollen mal fünf Minuten wie vernünftige Leute darüber reden. Wenn ich sage ,wir', so meine ich natürlich mich. Denn Sie sprechen immer vernünftig. Vielleicht ein biß­chen zu sehr."

Rex lächelte.Nun gut; ich will's Ihnen glauben."

Also die Hohenlohes," fuhr Czako fort.Ja, wie steht es damit? Wie liegt da die Sache? Da kommt hier so Anno Domini ein Burggras ins Land, und das Land will ihn nicht, und er muß sich alles erst erobern, die Städte beinah' und die Schlösser gewiß. Und die Herzen natürlich erst recht. Und der Kaiser sitzt mal wieder weitab und kann ihm nicht helfen. Und da hat nun dieser Nürn­berger Burggraf, wenn's hoch kommt, ein halbes Dutzend Menschen um sich, schwäbische Leute, die mit ihm in diese Mördergrube gekommen sind. Denn ein bißchen so was war es. Und geht auch gleich los, und die Quitzows und die, die's sein wollen, rufen die Pommern ins Land, und hier auf diesem alten Cremmer Damm stoßen sie zusammen, und die paar, die da fallen, das sind eben die Schwaben, die's gewagt hatten und mit in den Kahn gestiegen waren. Allen voraus aber ein Gras, so ein Herr in mittleren Jahren. Der fiel zuerst und versank in den Sumpf, und da liegt er. Das heißt, sie haben ihn 'rausgeholt, und nun liegt er in der Klosterkirche. Und dieser eine, der da voran siel, der hieß Hohenlohe."

Ja, Czako, das weiß ich ja alles. Das steht ja schon im Brandenburgischen Kinderfreund. Sie denken aber immer, Sie haben so was allein ge­pachtet."

Immer vorsichtig, Rex; im Kindersreund steht es. Gewiß. Aber was steht nicht alles von Kinderfreund gar nicht zu reden in Bibel und Katechismus, und die Leute wissen es doch nicht. Ich zum Beispiel. Und ob es nun drin steht oder nicht drin steht, ich sage nur: so hat es angefangen, und so läuft der Hase noch. Oder glauben Sie, daß der alte Fürst, der jetzt dran ist, daß der zu seinem Spezialvergnügen in unser sogenanntes Reichs- kauzlerpalais gezogen ist, drin die Bismarckschen

' Zitöer aus Süöwestafrika.

inige hundert Kilometer von der Küste entfernt und heute nur mit schwerfälligen Ochsenwageu in mehr­wöchentlicher, anstrengender Reise erreichbar, liegt Wind- hoek, die Hauptstadt der südwestafrikanischen Kolonie. *) Die Lage des Platzes ist landschaftlich anmutig zu nennen; im Süden begrenzen das Windhoeker Plateau die Awasberge, im Norden und Osten sind Höhen vorgelagert, und bei der klaren Luft des trockenen Steppengebietes treten die charak­teristischen Formen und Züge scharf und silhouettenartig hervor. Dieses Windhoek oder Windeck ist in der That ein den Stürmen offen daliegender Platz, nicht nur den äolischen, sondern auch den Völkerstürmen. Es liegt zwischen dem Gebiet der Herero und der Hottentotten und war ein steter Zankapfel, bis Jan Jonker, ein Häuptling der Orla > Hottentotten, es in fester Hand hielt. Nachdem aber I« n Jonker 1889 von den Leuten Hendrik Witboois ermordet worden war, wurde die Besitzung frei, die deutsche Ver­waltung besetzte den strategisch wichtigen Platz und machte ihn zur Landeshauptstadt. Die Wahl wurde dadurch noch erleichtert, daß hier mehrere starke heiße Quellen dem Boden entströmen, die zur Berieselung von Gartenanlagen be­nutzt werden konnten, wenn, wie zu erwarten war, An­siedler sich in der Nähe niederlaffen sollten. Der Fall trat bald ein. In dem etwa eine halbe Stunde entfernten Klein-Windhoek, so genannt zum Unterschied von Groß-Wind- hoek, entstanden um das halb zerfallene Gebäude der Rheinischen Missionsgesellschaft, die diesen Platz früher besetzt, aber aufgegeben hatte, die Hütten thätiger deutscher Pioniere, die dem wilden und wenig wirtlichen, aber klimatisch günstigen Lande ihre Existenz abtrotzen wollten. Manchen ist es gelungen, aber ein Teil von ihnen hat den harten Kampf, dem nicht jeder gewachsen war, aufgeben müssen. Denn eine jede Kolonisation in einem jungfräu­lichen Lande ist eine harte uud entsagungsvolle Arbeit.

Doch kehren wir wieder zu Groß-Windhoek zurück, dem zwei unsrer Illustrationen gewidmet sind. Das Fort, ein solides, aus Bruch- uud Backsteinen aufgeführtes Gebäude, macht mit seinen Türmen einen imposanten Eindruck. Ein von hohen Mauern umschlossener Hof von wohl fünfzig Meter Länge und zwanzig Meter Breite ist an der Innen­seite von den für die Mannschaft bestimmten Räumen