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Allgemeine Rundschau.
der Gesang der Mönche verstummt auf immer. — Durch den Mittelgang kommt schlürfenden Schrittes ein müder, gebeugter Greis; seine Hand hält eine Laterne, die erleuchtend zu der bei Seite geschleuderten Steinplatte senkt, welche den unterirdischen Gang gedeckt hat. Der Alte schaudert; vor ihm liegt ein Todter, von der Wucht der Steinmassen erdrückt. Der verrätherische Sohn der Stadt hat als Erster den ihm verhaßten Boden betreten wollen. Als die schwere Platte zur Seite gerückt, so daß kaum ein Mann sich durch die Oeffnung zwängen konnte, war er hindurch geschlüpft, um das Hinderniß leichter beseitigen zu helfen. Eben hatte er sich gebückt, um den eisernen Ring zu fassen, als sich die Platte unter der furchtbaren Wucht der Nachdrängenden plötzlich hob und dann über ihn stürzte, zermalmend, ihn erdrückend. Sein greller Todesschrei mischte sich mit dem Mordio der Feinde, er wurde überhört, Niemand kümmerte sich um den sich in den letzten Zuckungen Windenden: das Ende eines Kundschafters. I".
und Hain; eine wunderbare, ureigene Symphonie, der wir andachtsvoll lauschen. Plötzlich tönt durch den lieblichen Gesang der Vögel ein markerschütternder Schrei, gellend, jeden anderen Äaut verschlingend. Der Unkundige schaudert: klingt es doch fast, als kreische ein Kind in furchtbarster Todesnoth. Wir aber wenden lächelnd den Kopf empor nach dort, von wo der schauerliche Ton zu uns gedrungen, wo eben das Licht der scheidenden Sonne die Zweige der Kiefer in Gold taucht.
Zwei rothe Körper sehen wir um den Stamm huschen, sich jagen, fauchen und dann in weiten Sprüngen sich von Ast zu Ast schwingen, bis sie endlich in dem engen Loch ihres Nestes verschwinden, aus dem noch ein- zweimal ein lustiges, schwarzes Augenpaar zu uns herabschaut, bis der Eigenthümer sich von der Sicherheit der Umgebung überzeugt hat und für heute sich definitiv zurückzieht.
„Wo Alles liebt, kaun ein Eichhörnchen allein nicht hassen." — — 6.
Heitere Lectüre. Nach dem Gemälde von R. Dammeier. Draußen glüht die Nachmittagssonne und die bleiernschwere Luft ruht versengend über der sommerlichen Gegend. . . . Durch die wenigeil unverhüllten Butzenscheiben hat sich ein greller Lichtstrahl hereingestohlen in das kühle halbdämmerige trauliche Stübchen, in das sich Junker Gottfried mit dem alten vergilbten Büchlein des lustigen Florentiner Geschichtenschreibers geflüchtet. ... Es ist so still, so traumhaft da innen — keine Fliege summt, kein Mückchen fliegt durch die goldigen Stäubchen — nur die Stehuhr pickt gleichmäßig ihr geschwätzig Ticktack ab. . . . Aber wenn es da auch lauter wäre, erhörte es doch nimmer; sein ganzes Denken, sein ganzes Sein ist ja vertieft und versenkt in die köstliche Geschichte. ... Er sieht sie leibhaftig vor sich im Geiste, den verliebten Messer Tedaldo in seiner göttlichen Verkleidung und die schöne Donna Ermettina.... Wahrhaftig, obwohl es schon an die hundert und hundert Jahre her, es könnte just eben gestern passirt sein und — war es nicht damals fast ebenso, damals, als er den losen Schabernak ausführte? . . . Ja, ja, es hätte ihm auch übel bekommen können! Aber ... es ist doch zu herrlich, diese Schalkerei und diese Pfiffigkeit, dieser einzige Humor, diese echte Lust! . . . Jedes Wort und jede Zeile muß wieder und wieder gelesen werden. . . . Und die Sonnenlichter spielen jetzt auf der prächtigen Stelle und lachen ihm zu und auch er lächelt immer herzhafter, aus voller Seele, mit tiefster Innigkeit hinein in den alten Druck. . . . Nein, er will das Ende des lustigen Märleins noch nicht wissen ... der Scherz ist einmal zu allerliebst. Köstlicher kann's doch nimmer kommen, das ist sicher. . . .
Und dem Künstler, dessen reizendes Gemälde wir hierin trefflicher Reproduktion wiedergeben, gelingt wohl ein Gleiches an uns, die wir das allerliebste, lebensfrische Bildchen betrachten. . . . Just ebenso wie dem Jnnker ergeht es auch uns mit seiner „Heiteren Lectüre". . . .
Ernst Keiter.
Eichhörnchen. Originalzeichnung von R. Friese. Der Frühlingsabend senkt seine Schatten zur Erde; von den Wiesen kräuseln sich die Nebel und schweben zu den Baumgipfeln empor, um die sie schmeichelnd ihre Arme schlingen. Die Luft ist so lau, so mild! dem Einfluß ihres lieblichen, kosenden Wehens, das die Erde zu ueuem Leben erweckt hat, kann kein Geschöpf sich entziehen. Die ganze Natur ist eiu einziger, jubelnder Laut der Liebe.
Das flötet und zirpt, pfeift und schmettert in Busch
Poetischer Zirkelschlag.
In richtiger Reihenfolge gelesen, ergeben obige Buchstaben eine Strophe Friedr. Bodenstedt's. Auflösung folgt in Nr. 16.
Well-Trleghon.
Gabriele aus Oesterreich. Leider kann Herr I)r. G. K. auch keine Auskunft geben, er schreibt: „Ich selbst kenne das in Rede stehende Bild von Gabriel Max nicht, — auch viele meiner Kunstfreunde wußten nichts davon. Nach Empfang Ihres Schreibens wandte ich mich sofort an den Maler selbst, den ich kenne — aber ohne jeden Erfolg." — Es ist durch das hartnäckige Schweigen von G. M. also unmöglich Ihnen die gewünschte Auskunft zu verschaffen.
Herrn A. B. in Dortmund. Mittheilungen über den Cirkus gingen wahrlich zu weit, wir bedauern, Ihre Bitte in dieser Hinsicht nicht erfüllen zu können.
M. S. in B. Unbrauchbar.
Frl. R. in D. Das Lesen Ihrer „großartig" angelegten Dichtungen rechnen wir auch zu einem „sogenannten" Genuß.
v. D. in K. Es ist nicht schwer, aus den angegebenen Merkmalen den Character zu erkennen.
Nachdruck verboten. — Iieversehungsrechte vteive» Vorbehalten.
Herausgeber: Eugen Friese in Dresden. — Verantwort!. Redakteur: Jesko von Puttkamer in Dresden.
Druck von Metzger L Wittig in Leipzig.