Heft 
(1.1.2019) 02
Seite
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Allgemeine Rundschau.

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Hofschauspieler berufen, welche ihre Jugend unter Jmmer- mann's Führung verlebt, und die ihm eine erste Stellung unter sämmtlichen älteren und neueren Dramaturgen vin- diciren. Und doch macht Jmmermann in seinen Memo­rabilien das bescheidene Geständniß: ohne Fehler ging die Directionsführnng nicht ab; unsere heutigen hohen und höchsten Bühnenvorstände, die die Kunst an der Manege der Büreaukratie leiten, sind freilich weit entfernt, sich zu einem solchen Wort herbeizulassen. Wie überwuchernd, ja wie verhängnißvoll der Ungeist der Mißbräuche sich in unserem Theaterleben festgesetzt hat, beweist der Umstand, daß Jmmermann, der sie schon klar erkannt, vergebens gegen sie anstrebte; ihm sind andere gleichfalls energische Geister gefolgt, die im Ganzen abermals nur wenig pros- perirt haben.

Kassenrapport und Prosa beherrschen den Markt, und der Idealismus, der Schuhu, auf den die Vögel bei Hellem Tage hacken, findet keine Actionäre mehr, die den Muth haben, für ihn zu zahlen. Jmmermann's Polemik gegen die dramaturgische Praxis in Deutschland gilt wörtlich noch heute, dieselbe befördert die poetische Originalproductiou nicht um ihrer selbst willen, sondern nur dann, wenn die letztere irgendwie sensationell präparirt, ihnen mit dem Posaunenstoß der Coterie und der Reclame zugeführt wird.

Alles in Allem: Jmmermann war immer Mann, ein Schriftsteller, dem Anfangs die Gurrst der Zeiterr ver­sagte, und der befangen in literarischen Jrrthümern und Einseitigkeiten, mit rastlosem Fleiße der innern Erkenntnis; oblag, der auf der Sonnenhöhe des Lebens das ihm irrne wohnende Schönheitsideal herausarbeitete, und der, wenn ihn nicht ein tragischer Tod zu früh abrief, unzweifelhaft sich auf eine Höhe gestellt hätte, die dem directen Erben der großen Schiller- und Goethe-Epoche zur höchsten Ehre gereicht hätte. 8t.

Zu unseren Illustrationen.

Kein Feuer, keine Kohle." Von Woldernar Friedrich. Wie sehr sich auch das Gebiet erweitert hat, dem die heutige Genremalerei ihre Motive entlehnt, immer werden die dankbarsten Motive jene sein, welche wie die Liebe in den Herzen Aller den freudigsten Widerhall finden und selbst noch im Alter süße Empfindungen wachzurufen vermögen. Eben darum kann Waldemar Friedrichs com- ponirtes Bildchen mit dem lächelnden, die Seligkeit der heimlichen Liebe ausdrückenden Mädchenantlitz und dem zweifellos dasselbe Glück in seinemHerzen fühlenden Burschen am Weingelände neben den: treue Wacht haltenden Hunde seine Wirkung auf den Beschauer gar nicht verfehlen; denn das. was uns der in der Zeichnung immer eorrecte und in seinen Entwürfen stets poetisch empfindende tüchtige Künstler in der obigen, für die Vervielfältigung wie ge­schaffenen Composition vorführt, ist nicht allein vom rein malerischen Standpunkte aus betrachtet ein dankbares Motiv, sondern nicht minder in rein menschlicher Hinsicht anmuthend und schön. So viel Wahrheit in dem bekannten Sprich­wort:Kein Feuer, keine Kohle kann brennen so heiß" u. s. w. auch liegen mag, ebenso wahr ist zugleich das, was Klaus Groth von der Liebe sagt:Kein Graben zu breit, keine Mauer zu hoch, wenn zwei sich nur gut sind sie finden sich doch!" 8.

Der Kundschafter, nach dem Gemälde von Werner Schuch. Das weite, Deutsche Reich ein Grab, ein Gottes­acker ohne den Segen Gottes, ohne Kreuz und Blumen, umwuchert von Haide und Unkraut. Die Wohnstätten fleißiger Menschen, blühende Städte und freundliche Dörfer liegen in dampfenden Trümmern, und wenn die Sonne in dem fahlen Grau der Rauchwolken zur Ruhe geht, dann steigt am Himmel glührvther Schein auf, nicht festgebannt an einem Ort, ringsum, ein Gluthmeer allerorten nach

Süd und Nord, nach Ost und West. Klagender Wehe­ruf durchzittert die Luft, daher brausen die apokalyptischen pleiter und vor den funkensprühenden Hufen ihrer Rosse sinkt der Segen von Jahrhunderten in den Staub.

Der dreißigjährige Krieg.

Ueber die Haide zieht ein Kriegsmann, im ledernen Koller, die schützende Stahlkappe auf dem borstigen Haupt, vorsichtig spähend gleich dem Raubvogel, der über ihm in dem dunstigen Aether kreist. Nach dem Gehölz, nach dem haidedurchwachsenen Gestrüpp lenkt er seinen falben, schwarz- mühnigen Klepper. Wo die Bäume ihm einen Durchblick gestatten, lugt er aufmerksam in die Ferne, nach dort, wo trutzige Thürme von der schützenden Mauer der im Nebel verschwimmcnden Stadt herüberdrohen; noch ist sie un­gebrochen, kein feindlicher Fuß hat ihr Weichbild betreten, aber auch ihre Stunde soll schlagen, heut' noch, »venu das Dunkel der Nacht die Erde deckt.

Ein leiser Pfiff; wie aus dem Boden gewachsen, steht eine abenteuerliche Gestalt neben dem Feldobristen: Das kurze Wams zerrissen, zerlumpt. Das nur zur Wade reichende Beinkleid, um die Füße, von denen er einen emporgezogen hält, als schmerze er ihn, Lumpen gewickelt, die linke Schulter auf eine Krücke gestützt und das von zerzaustem Bart umrahmte, hagere Antlitz umschattet von einem zerfetzten Schlapphut, auf dem zwei Hahnenfedern gar lustig nicken; ein wilder, wüster Gesell, sein Gebrechen die Folge eines ausschweifenden Lebens, insgesammt eine typische Gestalt aus jener schrecklichen Zeit. Einst hat er bessere Tage gesehen: als der Sohn eines wohlhabenden Bürgers war er geboren; doch der Reichthum führte ihn zur Ueppigkeit und ließ ihn das durch den Tod der Seini- gen ererbte Geld verprassen, bis er nichts sein eigen nannte und als betrunkener Bettler die Straßen durchzog, ein Spott der Kinder, den würdigen Vätern der Stadt ein Dorn im Auge. Sein Maß ward voll; drei Tage und drei Nächte zierte er den Schandpfahl, daun führte ihn der Büttel zum Thore hinaus, durch das er bei Todesstrafe nie wieder schreiten sollte.

Und er dachte nicht daran, ob er nicht mit Recht so abgeurtheilt; glühender Haß erwachte in ihm, er wollte sich rächen. So kamen ihm die feindlichen Heerhaufen, die zur Zeit die feste Stadt gleich hungrigen Geiern um­schwärmten, gerade recht. Er bot ihrem Führer seine Dienste an; kannte er doch jenen unterirdischen Gang, der vom Kloster der Augustiner im Herzen der Stadt aus­ging und in das Dunkel des Waldes ausmündete. Vor Jahrhunderten angelegt, um bei Belagerungen den Ver­kehr der Bürger mit den: Lande draußen zu ermöglichen, war er danach verfallen, eine Zufluchtsstätte der Fleder­mäuse, voll Niemand mehr beachtet, vergessen und verödet.

Der Zerlumpte hatte gekundschaftet, war oben der finsteren Höhlung des Ganges entstiegen, den er gangbar ge­funden bis dort, wo nur eine steinerne Platte ihn von dem Innern' der Kirche trennte, in der oben über ihm der Meß­gesang der frommen Mönche tönte; jetzt meldete er es dem Feldobristen, und der strich sich schmunzelnd den Bart und ließ den funkelnden Blick noch einmal nach der wehr­haften Stadt hinüberschweifeu, deren Trotz er heut noch brechen wollte.

Mordio!-heulte es durch die Straßen; mordio!

-- Und himmelan schlug die feurige Lohe. Kampfesge­schrei, Stöhnen, Jammern, Klagen von Weibern und Kin­dern, Röcheln von Sterbenden, bis es still und stiller wurde, und nur von den Marktplätzen der wilde Gesang der Landsknechte tönte, die um die Bivaksfeuer lagerten und die reiche Beute theilteu.

Stille ringsum, am stillsten aber in dem Kloster der Augustiner, von wo das Toben, der wüthende Kampf seinen Ausgang genommen. Gleich einem Grabgewölbe lag das weite Schiff der Kirche, kein Laut, kein Orgelton,