Heft 
(1.1.2019) 02
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Allgemeine Rundschau.

in der Bearbeitung von Putlitz und Eduard Devrient kaum über einen Achtungserfolg herauszubringen, und doch ent­hält das Stück im Einzelnen treffliche Scenen.

Der rastlos arbeitende Jmmermann wurde inzwischen als Landesgerichtsrath nach Düsseldorf berufen; die Freun­din Elise von Lützow folgte ihm dorthin, sie nahm Wohnung im Hofgarten auf dem Jacobischen Grundstücke. Jmmer­mann trug der von ihrem Gatten nunmehr Geschiedenen für die Ehe seine Hand an; jedoch Elise schlug dieselbe aus, denn es stehe ihr nicht an sich auf's Neue zu binden. Seltsamerweise verlangte sie aber von Jmmermann das Versprechen, daß derselbe sich nicht anderweitig verheiratheu solle. Und Jmmermann ging diese überspannte Zumuthung ein, um sie in Folge doch zu brechen; denn er verheirathcte sich, bereits ein Vierziger, einige Jahre nachher mit Mari­anne, der Tochter des bekannten Kanzlers Niemeyer, mit der er zu glücklichem Bunde vereint, leider nicht lange zu- sammenleben sollte; denn der Tod ries ihn grausam ab inmitten des rüstigsten Mannesalters.

Düsseldorf, in dem der Prinz Friedrich Hof hielt, nahm jener Zeit einen bedeutenden künstlerischen Auf­schwung; die Malerakademie zählte Namen wie Schadow, Lessing, Hildebrand, Sohn, Hübner, Bendemann, Schirmer u. A. zu den Ihren; Jmmermann trat mit Allen in freundschaftliche Fühlung. Menschen und Verhältnisse drängten den noch immer zur Jsolirung Neigenden in die Gesellschaft und den Kreis ihrer realen Interessen, und der langsame Eichenwachsthum des Jmmermann'schen Talentes begann immermehr die Eigenart einer schrift­stellerischen Eigenart zu entwickeln, die dem literarischen Deutschland imponirte. Einen weiteren Schritt zur Selbst- erkenntniß that Jmmermann in Folge des Aristophanischen SpottgedichtesDie verhängnisvolle Gabel", in dem Platen, der sich durch den Hochmuth Jmmermanns gekränkt wähnte, dessen Schicksalstragödien persifflirte. Der gereizte Jmmer­mann erließ eine etwas lahme Entgegnung:Der im Irr­garten der Metrik herumtaumelnde Cavalier"; das Beste jedoch, was er thun konnte, war, daß er Einkehr in sich hielt und einerseits dem seither mehr vernachlässigten poe­tischen Realismus ein erhöhtes Gewicht verlieh, anderer­seits, soweit er in den Bahnen der Romantik verharrte, derselben ein formschönes Gewand zu geben suchte. Das dramatische Gedicht Merlin, in das Jmmermann ähnlich wie Goethe im zweiten Theile des Faust die tiefsten Ge Heimnisse seines Wesens hineingeheimnißte, verfehlt durch die mangelnde Tendenz, daß sich das Kunstwerk rein aus sich selbst erklären soll, zwar zunächst seinen Zweck; ohne Zweifel weht aber ein genialischer Hauch durch dasselbe, der nicht ohne metaphysische Gedankenkühnheit dem seit samen Werk unter den subjektiven Dichtgattungen immer­hin einen Ehrenplatz sichert. An Jmmermanns Hohen­staufen Friedrich II. begeistert sich besonders der Nazarener Schadow, der in dem Drama eine willkommene Annähe­rung zum Katholieismus begrüßte, ein Lob, das für den preußischen Protestanten doch immerhin seltsam klang.

Einen hoch bedeutenden Griff, der ihm bleibenden Nachruhm gesichert, that Jmmermann mit seinem Münch­hausen; und im Münchhausen ist es bekanntlich die Par- thie des Westfälischen Oberhofes, die poesievoll, echt real und dem Leben abgelauscht, geradezu sich als typisch und maßgebend für die nachher durch Berthold Auerbach u. A. in Schwung gebrachte Dorsgeschichtenliteratur erwies. Jmmermann's Epigonen, ein Werk von lichtvoller Prosa und feinen psychologischen Aperyüs, lehnt sich an den Goethe'schen socialen Roman an, erreicht aber nicht die farbenkräftige Originalität des Oberhofs. Mit der Juli­revolution 1830, die mächtig in Deutschland nachdröhnte, zogenKritik, Skepsis und Materialismus in die Geister," und die zurückgedrängte Politik fängt an literarisch nach Ausdruck zu ringen. Für die Jmmermann'sche Schöpfung

bedeutet sie das Aussichheraustreten des immer nur nach Junen lebenden Dichters; Jmmermann, der Jahrzehnte lang einer unfruchtbaren Romantik obgelegen, fördert plötzlich den gefüllten Eimer des Realismus an das Tages­licht und entpuppt sich als Originalpoet und lichtvoller Prosaiker mit weltumfassender Reflexion, dessen Stil sich als mustergiltig hinstellt, und der ideal und real aus­geweitet, nunmehr wirklich für die höchsten Aufgaben der Kunst berufen erscheint. Der unselige Zwiespalt zwischen verstandesnüchterner Reflexion und naiver 'Verve, der die Devise der ersten Periode Jmmermann's ausmacht, er­scheint mehr oder weniger beglichen, und das so lang von Feinden augezweifelte Können vereint sich harmonisch mit dem Wollen. Auch für die Tragödie erwuchs Jmmermann in seiner Trilogie Alexis ein Lorbeer, den ihm eine gerecht denkende Nachwelt anerkennen muß. Das großartig con- cipirte Werk schildert das tragische Geschick Peters des Großen und seines Sohnes Alexis: der ungeheuerliche Jrrthum, den der Stoff bietet, führt Jmmermann bis an die Grenzen des Erlaubten, ohne ihn direct in das Gräß­liche verfallen zu lassen. Die ersten beiden Theile des cykliichen WerkesDie Bojaren" undDas Gericht von St. Petersburg" wirken überraschend, wir sehen die Löweu- spur eines wirklichen Dramatikers, dessen Wurf freilich die letzte faßliche Reduktion für den Bühneneffect mangelt; der letzte TheilEudoxia" klingt elegisch und minder na­türlich für uns.

Jngleichen zählen die Jmmermann'schen Memora­bilien und der Grabbe'sche Briefwechsel zu dem Besten, was unsere deutsche Memoireuliteratur besitzt. Gelang es Jmmermann nicht, das vulkanische Talent Grabbe's für die Bühne zurechtzustutzen, so bekunden seine Memora­bilien einen Weitblick, eine derartig schneidende Kritik in Personen, Literatur- und Theaterverhältnisse, daß uns die Annahme wohl erlaubt erscheint, einem Grabbe, der den Jmmermann'schen Subjektivismus bis zum Eigensinn in sich durchgebildet, war überhaupt pädagogisch nicht beizu­kommen.

Endlich dürfen wir Jmmermann's Theaterwirksamkeit nicht unerwähnt lassen. Jmmermann studirte zeitweilig den Mitgliedern des Düsseldorfer Stadttheaters Rollen ein und kam auf den Gedanken, selbständig ein Theater zu dirigiren. Der bei der Regierung nachgesuchte Urlaub wurde ihm auf ein Jahr verwilligt, und der in namhafter Stellung fungirende Jurist wurde ohne sonderliche Be­schwer, die ihn: die heutige viel liberalere Regierungspraxis keineswegs ersparen würde, der Leuker eines Thespis­karrens, der noch heute bei allen älteren Düsseldorfern in stolzem Angedenken steht, und der sich mit Recht durch ganz Deutschland interessant gemacht hat. Jmmermann sah den Verfall der Bühne in der einseitigen Pflege des modisch modernen Mittelgutes; er wollte ein ideales Re­pertoire hinstelleu und griff zu Calderon, Shakespeare und Goethe zurück, um den Geist echter Poesie neu zu heben. Das Unternehmen scheiterte nach drei Jahren in Folge Mangels an materiellem Zuschuß, den die Bühne noth- wendig erheischte. Es ist irrig anzunehmen, daß der Theaterdirector Jmmermann, der alsbanquerotter Im­presario" endete, im Grunde dem Theater und der Literatur nichts genützt habe. Jmmermann's Grundsätze über poe­tische Erfassung des dramatischen Grundgedankens, seine in die Praxis übertragene Theorieen betreffs Deklamation, Stil und Rollenstudium sind noch heute nicht überholt, und im Wesentlichen führen die Meininger unter der Pflege eines kunstliebenden Fürsten dasjenige im großen Maßstabe aus, was Jmmermann für die bescheideneren Verhältnisse Düsseldorfs angestrebt hatte. Nicht etwa Lite­ratoren, Maler und der individuelle Bekanntenkreis Jmmer- maun's erwärmten sich für seine theatralische Kunstführung, wir könnten uns auch auf das sachverständige Urtheil erster