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Zu Jmmermann's neunzigstem Geburtstage.
Jmmermann, geb. zu Magdeburg am 24 . April 1796 , war der Sohn eines preußischen Domänenrathes. Sein Vater, ein Patriot alten Schlages aus der Schule Friedrichs des Großen, lenkte die Erziehung des sichtlich veranlagten Knaben, der sich frühzeitig in der Schule hervor- that, mit Umsicht und Strenge. Kaum daß der für die Jurisprudenz bestimmte Sohn die Universität bezogen, ertönte der Aufruf Friedrich Wilhelms III. an sein Volk, dem der junge Jmmermann begeisterte Folge gab. Erfocht die Schlacht bei Belle-Alliance mit, zog ein mit den verbündeten Siegern in Paris, und nach Deutschland zurückkehrend, besuchte er die Universität Halle zur Vollendung seiner Studien. In Halle gelang es ihm, die Verbindung Teutonia, die in unleidlichem Uebergewicht die übrigen Studirenden terrorisirte, zu demüthigen, und er wurde, indem er die Staatsgewalt, ja den König selbst für das gekränkte Recht der akademischen Jugend ausrief, um wissentlich der Grund und die Veranlassung der nachmaligen Burschenschaftsverfolgungen in Deutschland. Jmmermann, nichts weniger als eine feige Denuncianten- natur, zog sich für seine unentwegte Haltung vielfachen Haß zu und lernte, auf sein besseres Bewußtsein sich beschränkend, sich frühzeitig zu isvliren gegen die Stimmen der Gesellschaft und der Kritik.
Einen unverlöschlichen Eindruck seiner studentischen Jahre in Halle bildeten die Schauspielvorstellungen in dem benachbarten Lauchstädt, in denen die Weimar'schen Hofschauspieler unter der Aegide des alten Goethe ein überraschendes Ensemble entwickelten, welches Jmmermann für Deelamation und Stil in der darstellenden Kunst viel zu denken gab.
Nach Vollendung seiner Studien finden wir Jmmermann zuerst in Aschersleben, alsdann in Münster als Referendar und Auskultator, und der Gattin des Brigade- commandeurs v. Lützow, der geb. Gräfin Elise v. Ahlefeld in einer Rechtsangelegenheit als Beistand empfohlen, schloß er mit derselben auf lange Jahre ein geistiges Bündniß, das vielfache und verschiedentliche Beurtheilung gefunden hat. Der intime Umgang mit der schönen und ideal veranlagten Frau förderte einerseits Jmmermanns dichterisches Schaffen, andererseits bestärkte er ihn in dem Zuge zur Abschließung gegen die kritischen Stimmen der Zeit, die doch für jede Schriftstellerentwicklung eine nicht unwesentliche Rolle spielen. Werk auf Werk entstand, und die Gebiete des Lyrischen, Epischen und namentlich des Dramatischen wurden von Jmmermann mit Eifer in Angriff genommen. Wir versagen uns die massenhaften Ereignisse der Jmmermann'schen Muse bei Namen aufzuführen. Beziehentlich des Dramas hatte Jmmermann einen bösen Stand, den er nicht ohne eigenes Verschulden sich gewählt hatte. Ihn, den überwiegend realistisch ge
arteten Geist erfüllte die Idee, den dramaturgischen Parnaß durch mystische Romantik retten zu wollen. Ein verhäng- nißvoller Jrrthum, der ihm nicht ohne Grund die schärfste Verurtheilung eingebracht hat. Fernliegende Stoffe, ohne ideale Vermittlung mit dem modernen Bewußtsein, ohne tief greifenden psychologischen Connex, mit Lücken in der meist willkürlich und auch oft technisch recht salopp geführten Handlung, die nicht selten in Geisterspuk und platt prosaischem Leihbibliotheksschauder culminirte, waren keine Nahrung für ein Geschlecht, das vor nicht lange die Goethe und Schiller begraben, das die Freiheitsschlachten geschlagen und in Platen, Rückert, Heine u. A. einen literarischen Nachwuchs besaß, der wohl in das Gewicht fiel. Freilich fand das nationale Pathos von Regierungswegen keine Pflege, und die für das höhere Drama grundlegenden Faetoren der Politik und der Religion waren unter dem Gesichtswinkel der Burschenschafts-Contrebande ängstlich verpönt. So dürfen Jmmermann's Jugenddramen eigentlich nur als eine technische Vorschule gelten, in denen er bis auf einen gewissen Punkt lernte dramatisch zu denken und zu concipiren, die aber in höherem Sinne werthlos sind. Das wirkliche Element der Romantik, das allerdings dem historischen Drama nicht fehlen darf, und das Jmmermann einseitig als Ideal vorschwebte, ersetzt sich nicht durch Reflexion und gemüthlose Berstandesdichtung, die shake- spearisirend in Attitüden, Ausdruck und Scenenwechsel unvermögend erscheint, den individuellen Helden aus dem Rohstoff des Mythus und der Geschichte herauszuarbeiten. Und wie geraume Zeit verstrich, bis nur wenige von Jmmermanns Schauspielen das Licht der Lampen erblickten, und der Dichter nur dem kleinen Lützow'schen Kreise als Dramatiker galt, so fanden auch seine lyrischen Ergüsse, seine Romanzen und Balladen bei ihrer Veröffentlichung anfangs nur geringen Anklang. Es half wenig, daß Heine eifrig den ihm befreundeten Jmmermann eifrigst für die Literatur empfahl. Als erster, mehr durchschlagender Erfolg ist Jmmermanns Cardenio und Celinde zu nennen: obzwar das psychologisch wenig befriedigende Stück ersichtlich an allen oben angeführten Mängeln krankt, und überdies dem Emaneipationsgelüst der Frauen romantisch das Wort redet, so verräth sich doch in ihm ein Geist von nennenswertster Phantasie, sodaß Börne, der Jmmermann lobt und zugleich tadelt, wohl nicht Unrecht hat, wenn er sagt: „des Dichters Kraft fehlt noch die Anmuth; wohl nicht für immer, denn sie fehlt der Kraft."
Mit seinem Heldengedicht Tulifäntchen machte Jmmermann einen abermaligen Griff in die sich ihm langsam erschließende Gunst des Publikums. Das Lustspiel „Die schelmische Gräfin" wurde zwar gegeben, gefiel aber nicht, und Jmmermanns Andreas Hofer, der es darin versieht, daß er nicht rücksichtslos wie Schiller im Tell das nationalpatriotische Interesse vorwalten läßt, vermochte es selbst