Briefe aus der Zeit der Gordon'schen Verwaltung unter Ismail Pascha
mitgetheilt von
M. G. von Suttner.
(Schluß.)
Chartum, 10. April 1878. Während meiner Abwesenheit sind mehrere Briefe von vr. Emin Effendi aus der Aequatorialzone eingelaufen, aus welchen ich der Neuheit wegen einige Abschnitte unten anführe. Der Besuch vr. Emins bei Kabrega, sein Urtheil über denselben, und die Absendung einer Gesandtschaft Kabregas nach Chartum werden die bisher wenig vortheilhaste öffentliche Meinung über diesen Negerfürsten günstiger stimmen. Die Gesandtschaft, aus dem Prinzen Kasübe, dem Dra- goman Msige und einem Gefolge von 14 Personen bestehend, hat sich über einen Monat hier ausgehalten und wurde allenthalben ehrenvoll empfangen und reichlich beschenkt.
Ich habe mich mit dem Prinzen Kasäbe wiederholt unterhalten, wobei der Hang nach Habsucht dieser Rasse ebenso wie bei den Abyssiniern und den übrigen Negervölkern auffallend hervortrat, denn der Prinz gab durch unzweideutige Anzeichen und Aenßernngen zu erkennen, daß er Alles, was ihm in die Augen fiel: Sacktücher, Cigarren, Tabakdosen, ebenfalls besitzen und benützen möchte. Diese Gesandten haben zweifelsohne einen guten Eindruck von hier in ihre Heimat mitgenommen, was zur Gestaltung eines freundschaftlichen Verhältnisses Kabregas mit der ägyptischen Oberhoheit wesentlich beitragen wird. Dies eine nicht zu unterschätzende Errungenschaft meines ehrenwerthen Freundes vr. Emin Effendi, von dessen Glück und Geschick noch weitere politische und wissenschaftliche Erfolge zu erwarten sind. vr. Emin schreibt:
„Mparo Njamoga, 24. September 1877. So ausgedehnt Ihre afrikanischen Kenntnisse immer sind, der Name des Ortes, in welchem dieser Brief geschrieben, dürfte jedenfalls eine Neuigkeit für Sie sein. Ich beeile mich demnach, Ihnen zu sagen, daß ich die Freude habe, Ihnen aus Kabregas Hauptstadt zu schreiben.*)
Sie wissen, daß das Gouvernement seit Bakers imglücklicher Massindi-Campagne stets in Kabrega
*) Die Gesandten nennen „Mparo" den Berg und „Boguja" die Residenz Kabregas. (Anmerk. Hansals.)
tAlle Rechte Vorbehalten.^
einen erbitterten Feind gehabt, und daß es seit langer Zeit wüuschenswerth war, ein besseres Einvernehmen herzustellen. So beehrte mich denn Se. Excellenz der Generalgouverneur des Sudan, Gordon Pascha, mit der Mission, gelegentlich meiner projectirten Reise nach Uganda und Karagua auch mein Möglichstes zu thuu, um Kabrega zu sehen, oder mit ihm in's Einvernehmen zu kommen. Ich ließ deshalb während meiner Reise von Magungo nach Mruli durch Vermittelung Eingeborener, denen ich von früher bekannt, Kabrega wissen, daß ich nicht abgeneigt sei, zu ihm zu kommen, falls er es wünsche, und bat zugleich um Nachricht und Antwort nach Mruli. Etwa 14 Tage nach meiner Ankunft in letzterem Orte erschienen denn auch ein Matongali (Unterchef eines Districtes) und ein arabisch sprechender Eingeborener als Dragoman, mit etwa 30 Leuten als Träger, um mich abzuholen. Sie übcrbrachten mir zwei Lasten weißen Salzes, in Bananenbast eingewickelt, als Geschenk. Am nächsten Morgen waren meine Reisevorbereitungen zu Ende; Waffen, Gewehre re. wurden in Mruli zurückgelassen, ein Revolver und die nöthigen Geschenke mitgenommen, und begleitet von meinen Dienern, zwei Knaben und einem Soldaten, ging es vorwärts. Die Distanz zwischen Mruli und Kabregas jetzigem Sitze ist durchaus nicht groß, wird aber durch zweckloses Hin- und Hermarschiren im hohen Grase — um dem Reisenden einen Begriff von der Größe des Landes und seines Herrschers zu geben — und durch ebenso unmotivirte Anhalte,, sowie Rasttage mehr als verdoppelt. Da alle Dörfer seitab vom Wege liegen und nur, wo sie nicht umgangen werden können, von Reisenden betreten werden, so macht das Land einen ziemlich ärmlichen Eindruck, obgleich die landschaftliche Scenerie in ihrem Wechsel von Bergen und Thälern Wohl anziehend genug ist.
So gelangten wir denn langsam zum Ziel und erreichten den Herrschersitz — ein weitläufiges Dorf, lang auf den Hügeln hingestreckt, — müde und matt. Sie kennen ja die Reize stundenlanger Märsche durch riesenhohe Schilf- und Dornenwälder, durch Papyrns-Sümpse und Gras-Oceane!