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A. Müller von Brandenburg.
bringen, dasselbe haben Sie ja anch von meinem Vater verlangt, und was man dem Vater zumuthet, wird doch für den Sohn keine Beleidigung sein."
Der alte Bronker, der die wachsende Erregung Conrad's bemerkte, suchte ihn an weiterer Rede zu hindern, aber dieser ließ sich nicht zurückhalten.
„Endlich," so fuhr er fort, „fordert er, ich soll ihm zum Tanze aufspielen. Nun, den Ton hat mir der junge Mann angegeben, und es könnte Rath dazu werden."
„Was soll das heißen?" fuhr Franz aus.
„Um Gottes Willen, Vater Bronker!" rief Meta ängstlich.
Der Alte ergriff den Arm seines Sohnes und zog ihn einen halben Schritt zurück.
„Conrad," sagre er, „ich hatte Dir befohlen, nichts mehr zu sagen, und Du hast vergessen, daß Dein Vater Dir befohlen hat, hast vergessen, daß das gnädige Fräulein mich und mein Haus stets mit Freundlichkeiten überhäuft hat, daß ich ihrem Vater diese Stelle, mein Brot, die Mittel zu Deiner Existenz verdanke."
Conrad's Brust arbeitete heftig. Man sah es ihm an, wie schwer er innerlich mit sich selber kämpfte, seinen Zorn zu unterdrücken. Aber es gelang ihm.
„Du hast eben das Schwerste von mir verlangt," sagte er, „aber Du wirst sehen, daß ich Dein gehorsamer Sohn bin."
„Gehen Sie, liebes, gnädiges Fräulein," sprach Bronker, sich wieder an Meta wendend, „ich folge Ihnen sogleich, oder noch besser, ich begleite Sie sofort."
Franz zuckte die Achseln, maß mit einem verächtlichen Blicke Conrad und mit den Worten: „So viel Lärm um ein paar zerrissene Saiten!" folgte er seiner Cousine, welche in hoher Erregung mit Bronker voranschritt und den Weg zum Schlosse einschlng.
„Herr Gott, da geht der Onkel hin, ohne Hut, ohne Stock in der Heidenhitze und den Schloßberg hinauf," rief Bärbi. „Ja, wenn ich nicht an alles dächte!" Damit lief sie in das Haus, holte schnell des Alten Hut und Stock und eilte ihm dann flinken Fußes nach.
Ohne noch ein Wort zu sagen, hatte Conrad bisher dagestanden. Jetzt wandte er sich ruhig, aber mit blassem Antlitz an Falk, der ein stummer Zeuge der Scene gewesen war, die sich soeben abgespielt hatte.
„Du hast gehört, Heinrich," sagte er.
„Schlag' Dir's aus dem Sinn," entgegnete der Angeredete. „Was geht Dich die ganze hochmüthige, vornehme Sippschaft an."
Conrad schien Falk's Worte gar nicht zu hören.
„Und mein Vater," fuhr er fort, „der mich mehr demüthigte, als sie; und die Base, die es nicht einmal versteht, wie sie mich kränkten! Und was ist's, worauf sie trotzen, womit sie glauben, sich über uns erheben zu können! Rang — Geld — Macht!-Ist das unerreichbar? O, Hein
rich, wenn ich ihnen zeigte, daß ich, der verachtete arme Schnlmeisterssohn das Alles haben könnte aus eigener Kraft, wenn ich wollte! Die Kraft fühle ich in mir; ich brauche nur das Glück, das alles Das in seinem Füllhorn trägt."
Ruhig legte Heiurich seine Hand auf des Freundes Schulter:
„Laß Dich nicht Hinreißen, Conrad, von der Erregung des Augenblickes," bat er ihn freundlich, „denke an Deinen Vater, an das Glück der Häuslichkeit, das Dir vor einer Stunde noch so lockend erschien!"
„Nein, Heinrich," erwiderte Conrad fest, „ich fühle es: die Idylle des Vaterhauses ist mir zusammengebrochen. Mit anderem Schimmer lockt mich das Glück. Ich bin jetzt entschlossen. Ans denn mit ganzer Kraft, mit ganzem Muth auf die Jagd nach dem Glück!"
Falk wollte etwas erwidern.
„Still," sagte Conrad, „kein Wort jetzt. Dort kommt Bärbi zurück."
Scheinbar in harmlosem Gespräch gingen die Freunde Arm in Arni in das Hans hinein, gefolgt von dem jungen Mädchen, dessen Angen mit leuchtendem Blicke ans Conrad hafteten. —
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Unter den prächtigen Häusern der Florianstraße, der elegantesten der ganzen Residenz, zeichnete sich das Hotel des Ministers von Hohenberg ganz besonders durch gediegene Pracht und geschmackvolle Architektur ans. Es war ein altes vornehmes Gebäude, welches seit vielen Jahrzehnten im Besitze derselben Familie gewesen und von dem jetzigen Inhaber vor nicht langer Zeit den Erfordernissen der Gegenwart entsprechend aus- und umgebant worden war. Die innere Ausstattung war gleichfalls bewundernswert!), denn der Minister besaß nicht nur ein feines Verständnis; für die Kunst und fiir den Comfort, sondern auch das Geld, um seine Ideen und Pläne zur Ausführung bringen zu können, denn die Hohenberg zählten zu den wohlhabenderen Familien des alten Adels.
Der Minister selbst, ein stattlicher Herr gegen das Ende der Fünfziger, galt in der Gesellschaft als ein liebenswürdiger, kluger und in staatsmäu- nischen Dingen sehr gewandter Mann, der, wie man behauptete, zumal in der letzten Zeir eine hochbedeutende Thätigkeit, Energie und Weisheit entwickelte, die ihn als einen der hervorragendsten