Zur Sonnenhöhe.
295
unter den ersten Dienern des Staates erscheinen ließ. Außerdem rühmte man die feine und verbindliche Art, mit welcher Hohenberg mit Jedermann ohne Unterschied des Standes umzugehen wußte, die glänzenden und stets ebenso interessanten als gemüthlichen Diners, Soupers und Bälle, die er im Verlaufe der Saison zu geben Pflegte, und beneidete ihn um seine Tochter, um die als Schönheit überall gefeierte Leonie, deren Geist ihrer Schönheit gleichkam, und die von den jungen Herren der Residenz natürlich umschwärmt wurde.
In dem Hause des Ministers herrschte, wie das ja anders nicht zu erwarten war, ein lebhafter Verkehr, und zu den am häufigsten dort gesehenen Gästen gehörte der junge, in ungewöhnlich schneller Carriöre in dies Amt berufene Ministerialrath Bronker. Conrad war seit seinem Besuch vor nunmehr zwei Jahren nicht wieder in der Heimath gewesen, die er damals nach sehr kurzem Aufenthalt verlassen hatte. Enttäuscht und verstimmt war er in die Residenz zurückgekehrt. In der langen Zeit seiner Abwesenheit, in jenen fünf Jahren, wo er vom Vater und von Bärbi getrennt gewesen war, war er innerlich ein ganz anderer geworden; er konnte sich in den einfachen Verhältnissen der Heimath, in den Anschauungen des Vaters und der Base nicht mehr znrechtfinden, seine Interessen waren sozusagen himmelweit von dem entfernt, was die beiden ihm sonst so lieben Personen erregte und bewegte, und diese vermochten ihrerseits wieder seinen Ideen nicht zu folgen.
So hatte sich Conrad denn in der Residenz aufs Neue in die Arbeit gestürzt und von dem Minister, der sein staunenswerthes Talent und seinen unermüdlichen Fleiß zu schätzen und zu — benutzen verstand, mit dem vollsten Vertrauen, ja mit dessen Freundschaft beehrt, war er, wie man in der Gesellschaft oft vernehmen konnte, Hohenbergs rechte Hand geworden, dessen politische Erfolge man zum guten Theile auf die Rechnung seines Mi- nisterialrathes zu setzen geneigt war.
Es schien, als ob die angestrengte Thätigkeit Conrads eigentliches Lebenselement war. Er war wieder frisch, gesund, kräftig, und da er auch auf äußerliche Eleganz in weit höherem Maße hielt wie früher, so galt er in den Salons als einer der interessantesten Männer, der nicht nur überall gern gesehen wurde, sondern auch seines liebenswürdigen, männlichen Wesens und seiner Stellung wegen mancher Dame begehrenswerth erschien, ohne daß er jedoch seinerseits irgend eine besonders auszeichnete. — —
In dem geräumigen Arbeitszimmer, welches unmittelbar an den Salon stieß, saß Excellenz von Hohenberg in einem bequemen Fauteuil und hörte aufmerksam dem Bortrage des Pvlizeirathes
Stürmer zu, der mit einem großen Convolut Akten neben ihm stand und sehr eifrig sprach. An einem Arbeitstisch in der Nähe des Ministers saß der Ministerialrath, der gleichfalls den Auseinandersetzungen des Sprechenden mit ungetheiltem Interesse folgte. Endlich erhob sich der Minister.
„Lassen Sie uns hier abbrechen, Herr Polizeirath", sagte er zu diesem, „meine Zeit ist verstrichen; gerade heute darf ich in der Sitzung der Kammer nicht fehlen."
„Ich wage Euer Excellenz nicht auszuhalten," entgegnete der Angeredete, „doch scheint mir die Entscheidung dringend."
„Freilich Wohl, aber" — und er wandte sich an Conrad, der ebenfalls aufgestanden war, „Herr Ministerialrath, Sie haben den Vortrag verfolgt, sind von der Sachlage unterrichtet?"
Conrad bejahte.
„So entscheiden Sie in meinem Namen. Ich bin im Voraus einverstanden."
Stürmer war überrascht. Dieser junge Mann sollte eine so wichtige Sache erledigen; er, der weit ältere Beamte von seiner Entscheidung abhängig sein! Es war geradezu unerhört. Conrad selbst erklärte, durch das Vertrauen seines hohen Chefs beschämt zu sein, da er sich wohl bewußt sei, dasselbe noch nicht verdient zu haben und erlaubte sich, die Bitte hinzuzufügen, Excellenz möchte ihm eine so große Verantwortlichkeit nicht auferlegen. Aber Hohenberg wollte nichts weiter hören.
„FalscheBescheidenheit", sagteer, „ziemtIhnen, Ihrem Talente, Ihrem Fleiße nicht. Ich denke, Sie müssen es wissen, was Sie mir werth sind."
Stürmer biß sich bei diesen Worten ans die Lippen.
„Das weiß alle Welt", sagte er, unfähig länger zurückzuhalten und aus die Gefahr hin, sich von seinem hohen Vorgesetzten einen ernstlichen Verweis zuzuziehen; man nennt den Herrn Ministerialrath den Günstling Euer Excellenz; man schreibt ihm das Verdienst kühner politischer Erfolge zu; man drängt sich an ihn; nur durch ihn, sagt man, findet man den Weg zu Euer Excellenz Ohr. O, es müssen in der That große Verdienste sein, die ein solches Vertrauen rechtfertigen."
Hohenberg blickte den Sprechenden ruhig an; doch schien eine Wolke über seine Stirn zu fliegen, und eine leichte Verstimmung war an ihm nicht zu verkennen, als er mit der Hand winkend entgegnete:
„Genug, Herr Polizeirath! Lieber Bronker, Sie tragen mir die Sache wohl noch einmal vor. Ich möchte die letzte Entscheidung mir doch Vorbehalten. Uebrigens lassen Sie sich nicht verstimmen vom Gerede der Menschen. Wer kann ihm entgehen? Das weiß ich am besten. Mag man Sie immerhin meine rechte Hand nennen, das,