Zur Sonnenhöhe.
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sprechen," unterbrach er Conrad. „Die Bahn, um deren Concessionirung wir petitioniren, ist von der äußersten Wichtigkeit und wird sich außerordentlich rentiren. Das alles habe ich Ihnen nachgewiesen, und ich glaube auch lange genug schon als Ihr gewissenhafter Agent an der Börse für Ihr Interesse so thätig gewesen zu sein, daß Sie mir vertrauen dürfen. Se. Excellenz haben sich um unser Project wenig gekümmert; wir wissen, daß Ihr Einfluß auf seine Entscheidung maßgebend ist. Herr Rath, ich bitte, ich beschwöre Sie, verschaffen Sie uns die Concession zum Bau dieser Bahn. Die bedeutendsten Häuser interessiren sich für die Sache. Der Bau ist des günstigen Terrains wegen billig, der Betrieb nicht kostspielig, der Gewinn sicher; der Gesellschaft liegt Alles daran, das Werk
ins Leben zu rufen-wir scheuen keine Mühe,
kein Opfer —"
„Diese Andeutung —unterbrach ihn heftig der Ministerialrath.
Strauß ließ sich nicht irre machen.
„Verzeihen Sie, ich wollte nicht verletzen. Aber lassen Sie uns offen reden. Wir leben in materieller Zeit, wo jede Stunde Gold ist; und reichlichen Profit aus der Minute schlagen, die Chancen nützen, wo sie sich auch bieten, das ist das Motto unseres Jahrhunderts. Wer sich idealen Träumen ergiebt, Ideen predigt, die das Heute nicht begreift, der schwimmt dem Strome umsonst entgegen und vergißt das alte wahre Wort, daß sich Jeder selbst der Nächste ist. Nur Macht giebt Freiheit, und die wahre Macht heißt — Geld! Wer das hat, hat die Welt."
Conrad schwieg. Das sagte ihm dieser Mann, und gerade in dieser Stunde! Wie ein Verführer trat er an ihn heran, gerade als ob er in seinem Herzen lesen könnte, als ob er wüßte, welche Gedanken ihn nach Stürmer's Weggehen bewegt hatten. Zeigte sich ihm hier etwa der Weg zur Größe, den er zu gehen hatte? Ihm schwirrte es vor den Augen; Gedanke drängte sich an Gedanke in seinem Haupte. Was sollte er diesem Banquier antworten, der lauernd dastand und aus seine Erwiderung wartete?
„Sie sind ein sehr beredter Anwalt Ihrer Sache, Herr Strauß," nahm er endlich das Wort. „Wer strebte nicht nach Ansehen und Macht Das Strebenist dem Menschen angeboren. Aber das Recht —"
„Das Recht? Wessen Recht verletzt die Con- cessiow? Wir brauchen sie, Sie können sie uns geben; sie nützt dem Lande, uns bringt sie Gewinn. Nun gut, erweisen Sie uns diesen Dienst — und jeder Dienst ist seines Lohnes wcrth — wir werden diesen Lohn nicht kärglich bemessen. Geld, Geld, Herr Rath, ist Macht."
Conrad wollte etwas erwidern, aber Strauß war ein viel zu schlauer Geschäftsmann, als daß er jetzt
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schon eine entscheidende Antwort des Ministerial- rathes, die vermuthlich nicht eben günstig ausgefallen wäre, hätte provociren mögen. Er bat also, Conrad möchte sich die Sache noch einmal gründlich überlegen, er würde nach einer Stunde zurückkehren.
„Sie sehen," sagte er, „ich lasse Ihnen Zeit, sich zu besinnen, obgleich ich nur eine Antwort gebrauchen kann und voraussehe, wie diese Antwort ausfallen wird und muß, wenn Sie des Staates und Ihr eigenes Interesse richtig erkennen."
Mit diesen Worten verließ er den jungen Ministerialrath, der von allem, was er heute nun schon gehört hatte, fast betäubt war. Lange überlegte er: Strauß bot ihm, was er suchte und gebrauchte; er durste nur die Hand ausstrecken, und sie wurde ihm mit Gold gefüllt — und Gold war ja Macht! Aber konnte er den Weg, den man ihm zeigte, gehen; und wenn er ihn ging, würde er ihn auch wirklich an das ersehnte Ziel führen?
Gedankenvoll starrte er aus dem Fenster auf die Straße.
Plötzlich öffnete sich die Thür des Zimmers; Conrad wandte sich um. Es war Fräulein Leonie von Hohenberg, die einzige Tochter seines Chefs, welche sehr heiter und vergnügt in das Zimmer hereineilte.
„Papa, ich muß Dich stören," rief sie lachend, bemerkte aber in demselben Augenblicke, daß nicht ihr Vater, sondern der Ministerialrath in dem Cabinet anwesend war. Sie stutzte einen Moment in Verlegenheit, doch schnell wieder gefaßt fragte sie Conrad, wo denn der Vater geblieben wäre, und schmollte ganz reizend, als sie erfuhr, daß derselbe wegen einer wichtigen Sitzung der Kammer schon seit einiger Zeit das Haus verlassen hätte.
„Die Last der Geschäfte, die Eile und die Wichtigkeit —"
„Um des Himmets willen," unterbrach ihn das hübsche junge Fräulein, eine schlanke, elegante Erscheinung, deren Helles, leichtes Seidengewand, welches sich eng der Taille anschmiegte, die herrlichste Büste erkennen ließ, „fangen Sie mir nicht auch so an! Ist denn meine Soiree nicht auch wichtig? Ihr Herren denkt immer, das ginge alles von selbst, Sie, Herr Ministerialrath, gewiß zuerst. Aber die Gelegenheit, Sie eines Besseren zu belehren, werde ich nützen. Der Papa ist mir entschlüpft, Hülfe brauche ich, alle Welt nennt sie Papas rechte Hand, und so sollen Sie ihn auch bei den Arrangements meiner Soiree vertreten."
„Ich, gnädiges Fräulein?"
„Ja, Sie! Und das macht mir ganz besonderen Spaß. Zuerst also, mein verehrter Vice-Papa, wie gefällt Ihnen meine Toilette?"
„Muß ich das sagen?"
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