Heft 
(1.1.2019) 07
Seite
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A. Müller von Brandenburg.

Natürlich," rief Leonie lachend;aber ich wollte nur, daß Sie sie überhaupt beachteten, denn ich wette, ohne diese Aufforderung hätten Sie gar nicht gewußt, ob ich ein rothes, ein grünes oder ein gelbes Kleid getragen hätte, und heute, merken Sie es sich, ist es blau, hellblau. Diese Farbe nennt man hellblau."

Ich danke für gütige Belehrung. Aber glau­ben Sie wirklich, daß ich das nicht bemerkt hätte?"

Ja, das glaube ich wirklich. Sie sind so un­ausstehlich liebenswürdig in Gesellschaft, von einer so interessanten Langweiligkeit, daß man Ihnen alles zutrauen kann."

Leonie plauderte das alles so reizend heraus, lächelte dabei so allerliebst und zeigte bei jeder Be­wegung soviel natürliche Anmuth, daß Conrad, der von jeher von ihrem graziösen Wesen in hohem Maße eingenommen gewesen war, sich an der lieb­lichen und doch zugleich aristokratisch-vornehmen Er­scheinung nicht satt sehen konnte und halb gegen seinen Willen das lustige Wortduell sortsetzte, welches Leonie gegen ihn begonnen hatte, und in dessen Verlaus sie immer mnthwilliger wurde. In scherz­hafter Weise hielt sie ihm seine Schwächen und Fehler vor.

Bilden Sie sich nur ja nichts ein," rief sie lustig,eitel sind Sie auch, so gut wie wir Anderen alle; Sie machen keine Ausnahme; und das ver­drießt mich an Ihnen am meisten, daß Sie es wissen, wie alle Welt für Sie schwärmt, und daß Sie doch thun, als ob Sie nichts davon merkten, und daß Sie obendrein ungalant sind, ein Bär, ein Bär an der Kette der Politik, nur mit dem Unter­schied, daß der tanzt und Sie das nicht einmal thun!"

Und dabei fordern Sie mich auf, Ihnen bei Ihrer Soirse zu helfen, gnädiges Fräulein, und beweisen mir doch, daß ich dazu durchaus nicht tauge."

Da haben Sie recht; das hatte ich vergessen," sagte sie etwas verlegen.

Zugleich fühlte sie, daß es Zeit war, einzu­lenken und die Worte so zu wenden, daß er keinen Vorwand finden konnte, ihr ihre Bitte abzuschlagen, was ihr, sie wußte selbst nicht, warum? recht un­angenehm gewesen sein würde. Leonie hatte sich nie Rechenschaft darüber abgelegt, ob sie ein ernsteres Interesse für den Ministerialrath hegte, sie wußte nur, daß sie jedesmal erfreut war, wenn der ge­feierte Mann in ihren Gesellschaften erschien, daß sie gern in seiner Nähe war und an seiner Unter­haltung immer ein besonderes Interesse fand. Es lag ihr also wirklich daran, bei Gelegenheit der Arrangements zur Soiree gerade seine Hülfe zu gewinnen, um ungestört von Fremden mit ihm so recht ungenirt plaudern zu können. Conrad seiner­

seits fühlte sich durch den Eifer, mit welchem sie seine Unterstützung suchte, und durch die Vertrau­lichkeit, die sie ihm entgegenbrachte, nicht wenig ge­schmeichelt, hatte er doch die reizende junge Dame von jeher bewundert und verehrt, mehr als jede andere, obgleich er doch viele aus den verschieden­sten Kreisen der Stadt kennen gelernt hatte.

Seien Sie mir nur nicht böse," fuhr sie fort; aber man muß das von Zeit zu Zeit mit den Herren thun. An Ihnen freilich würde ich meine Zeit nun schon gar nicht verlieren, wenn ich nicht wüßte, daß Sie alles können, was Sie wollen."

Conrad machte allerlei Einwendungen, aber Fräulein Leonie ließ sich nicht irre machen und setzte auch ihr Köpfchen auf.

Bitte, bitte, Herr Ministerialrath," sagte sie mit komischer Geberde die Hände faltend,wollen Sie einmal!"

Abermals wollte Conrad Protest gegen ihr An­sinnen erheben, aber Leonie hatte nicht Lust, diesen Protest gelten zu lassen.

Ich dulde keine Einrede," rief sie,ich fordere auch kein Versprechen, aber in einer halben Stunde bin ich dort im Salon, um die Blumentische zu ordnen und die Disposition zur Soiröe zu entwerfen. Ich sage es nicht, wen ich dort zu finden hoffe, wenn ich mich aber nicht nach anderer Hülse Um­sehen soll, wenn Sie einmal recht artig sein wollen, so denke ich in Ermangelung meines Papas seine rechte Hand zu erproben."

Inzwischen küsse ich die Ihrige," entgegnete Conrad galant, ihre Rechte ergreifend.

Leonie erröthete, und schnell enteilte sie durch die Thür des Salons.

Conrad war allein und sah noch lange nach dem Saale, in welchem sie verschwunden war, als müßte sie zurückkehren, oder als wollte er selber ihr sogleich Nachfolgen.

Wie reizend war diese Leonie, wie unbefangen heiter, wie ein lieblicher Schmetterling auf der Früh­lingshöhe des Lebens. Ja, so entzückend schön wie heute war sie noch nie gewesen. Welche Sicherheit, welche Anmuth fand sich doch in dieser Aristokratie! Er hatte sich in einen Fauteuil gesetzt, und tausend und abertausend Gedanken tauchten in ihm auf, als er mit halbgeschlossenen Augen dasaß, und glänzende Bilder, wonnige Träume umschwebten ihn. Aber diese Bilder und Träume zogen vorüber, und an­dere, weniger reizende traten an ihre Stelle: Ein einfaches Landmädchen, dessen Bewegungen, dessen Gestalt und ganzes Wesen so himmelweit von der Art Leonie's verschieden waren, dessen Bildung, dessen Redeweise so völlig anders war, als das Be­nehmen und die Sprache dieser Tochter der vorneh­men Welt; und auch Meta's gedachte er, die dem Sohne des Schulmeisters ihre Hand nicht reichen