Heft 
(1.1.2019) 07
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Zur Sonnenhöhe.

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wollte, die ihn fast verleugnete, als ob sie sich der Bekanntschaft mit ihm schämte. Hier war Licht, dort Schatten, hier warmer Sonnenschein, dort Eis. Ja, diese Leonie war vornehm, schön und gut zu­gleich.

Langsam strich er mit der Hand über seine Stirn, als ob er solche Gedanken verscheuchen wollte, aber sie wichen nicht, und jemehr er sich bemühte, sich der Erinnerung an die Heimath, an Bärbi, an seine ganze Vergangenheit hinzugeben, der Pflichten zu gedenken, die er gegen die Base hatte, desto Heller, desto energischer trat Leonie's Bild vor seiner Seele hervor.

In dieser Stimmung traf ihn der Minister, wel­cher soeben aus der Sitzung zurückkehrte.

Er glaubte Conrad in tiefes Sinnen über ge­schäftliche Angelegenheiten versenkt und forderte ihn auf, sich endlich Ruhe zu gönnen und nicht ununter­brochen mit seinen Gedanken bei Amtsgeschäften zu verweilen.

Hohenberg schien aber gleichfalls ernste Gedanken zu haben, denn Conrad sah recht wohl, wie leichte Wolken über seine Stirn zogen und eine innere Un­ruhe ihn bewegte.

Excellenz sind nachdenklich," sagte er.Ich hoffe, die Sitzung hatte nichts Unangenehmes."

Das nicht," entgegnete der Minister mit einem leisen Seufzer.Etwas ganz anderes liegt mir schwer auf dem Herzen. Sie sind längst der be­währte Freund meines Hauses, wie Sie der Ver­traute meines Cabinets sind. Ich will Ihnen nicht verschweigen, was mich in diesem Augenblick bewegt."

Mit Spannung erwartete Conrad die Mitthei­lungen seines hohen Chefs, der sich auf einen Pol­sterstuhl niederließ und ihn durch eine Handbe­wegung einlud, dasselbe zu thun. Dann begann der Minister:

Soeben, als ich aus der Sitzung komme, er­wartet mich bereits Graf Rettorf und hält um die Hand meiner Tochter an."

Wie ein Blitzstrahl trafen diese Worte Conrad. Unwillkürlich fuhr er von seinem Sitze auf. Er traute kaum seinen Ohren.

Um Fräulein Leonie?" fragte er mit zittern­der Stimme.

Das überrascht Sie? Nicht wahr? Mir selber kam es auch völlig unerwartet," sagte Hohenberg.

Leonie das Weib eines Anderen! Dieser Ge­danke marterte Conrad's Gehirn; er konnte ihn nicht fassen; die Sache erschien ihm wie unnatür­lich und ungeheuerlich, und doch mußte er als ver­nünftiger Mann sich sagen, daß eine so gefeierte Schönheit, ein so liebenswürdiges Mädchen wie Leonie über kurz oder lang sicher an den Altar geführt werden würde, daß irgend Jemand irgend

Jemand, aber mußte das denn Graf Rettorf sein? Und was sagte der Vater zu dieser Werbung?

Und was haben Excellenz geantwortet?" fragte er endlich.

Daß die Entscheidung meiner Tochter zukäme."

Conrad athmcte auf. Die Sache war also noch nicht definitiv entschieden.

Er forschte weiter:

Aber was wünschen und denken Excellenz?"

Ich bin in peinlicher Lage," entgegnete Hohen­berg.Der Graf ist reich, verwandt mit den ersten Familien des Landes, man könnte ihn eine glän­zende Partie nennen. Aber das Herz des Vaters ist doch nicht befriedigt. Rettorf Sie wissen es ja ist nicht mehr jung, Wittwer, ehrenwerth gewiß, aber das ist auch alles. Und ich hätte mir einen Schwiegersohn gewünscht, der neben dem Reichthum auch Talent besäße, Geschick und Geist, auf meine Pläne einzugehen, sie weiter auszuführen, einen Schwiegersohn, den ich mit Rath und That erhöbe, der vielleicht neben mir ein Portefeuille genug, der Mann ist Graf Rettorf nicht."

Excellenz haben Recht," fuhr Conrad heraus. Graf Rettorf ist ein Alltagsmensch."

Aber wenn ich ihn ausschlage, verfeinde ich mich mit der halben Aristokratie des Landes."

Excellenz haben keine Feindschaft zu scheuen," rief Conrad lebhaft.

Hohenberg schüttelte den Kopf.

Lieber Bronker, Sie kennen die Welt nicht. Hänge ich, das ganze System meiner Verwaltung nicht ab von der oft wechselnden Laune unseres Fürsten?"

Sie besitzen sein Vertrauen."

Aber wieviele haben sein Ohr. Leonie's Ent­scheidung beunruhigt mich, sie mag anssallen, wie sic will, das kann ich nicht leugnen."

Wenn Excellenz dem Fräulein alle Bedenken offen aussprächen," nahm der Ministcrialrath nach kurzem Schweigen das Wort.

Und sie eine glänzende Partie verscherzen ließe," sagte Hohenberg,nein. Alles könnte nnd dürste

ich ihr doch nicht sagen.-Lieber Freund, wenn

Sie mit ihr sprächen"

Conrad erhob sich schnell.

Ich, Excellenz?" frug er hastig.

Nicht wie von etwas Sicherem," fuhr der Mi­nister fort,nur wie von einer Vermuthung, einem on äik. Sie sind der Freund des Hauses, und Leonie hat sich längst gewöhnt, Sie als solchen zu betrachten; vielleicht ist es am besten, sie nimmt den Antrag an. Ihre Zukunft wäre gesichert. Stellen Sie es ihr in dem Sinne vor. Das könnte ich nicht, und sie soll nicht sagen dürfen, daß ich ihre Entscheidung beeinflußt habe."

Der Ministerialrath, der diesen Eröffnungen mit

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