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A. Müller von Brandenburg. Zur Sonnenhöhe.
wachsender Beklommenheit gefolgt war, bat seinen Chef, ihm die Ausführung dieses Auftrages erlassen zm wollen, aber Hohenberg klammerte sich an den Gedanken fest, der ihm durch eine glückliche Inspiration gekommen zu sein schien.
„Denken Sie, Sie wären in der Kammer," sagte er. „Wie oft hat Ihr Geschick und Ihre Redekunst meinen Ansichten Eingang verschafft. Das Haus hat seine Opposition wie die Kammer. — Ich mache jetzt Toilette zur Soiroe; und dann hole ich mir Ihre Antwort."
Mit diesen Worten reichte Hohenberg ihm die Hand und zog sich dann in seine Zimmer zurück, bevor Conrad noch Gelegenheit hatte, etwas zu antworten.
Es giebt Tage im Leben, an denen sich mehr Ereignisse in einigen Stunden zusammendrängen, als sonst oft in Wochen oder ganzen Monaten. Ein solcher Tag war für Conrad der heutige. Was war heute schon alles an ihn herangetreten! Stürmer, Strauß, Leonie! Aus welche Ideen hatten sie ihn gebracht, in welche Gedankenkreise ihn gedrängt!
Und jetzt diese Mittheilungen und dieser Auftrag des Ministers!
Graf Rettorf und Leonie! Dieses junge, frische, verlockend schöne Mädchen, dessen Besitz der Himmel auf Erden sein mußte, dieses zur Liebe geschaffene Weib die Gattin des alternden, häßlichen, wenig begabten Grafen, den sie nie geliebt hatte, den sie nie lieben konnte. Und er selber sollte dazu beitragen, daß dies unnatürliche Bündniß zu Stande kam! Er selber! Was hatte denn dieser Mann vor ihm voraus, daß er Ansprüche auf Leonie erheben durste?
Ein tiefer Groll gegen die Ungerechtigkeit des Schicksals erfüllte Conrads Herz; aber zugleich wiederhallten in seinem Ohre des Ministers Worte: Ich brauche eiuen Schwiegersohn, der nicht blos reich ist, sondern auch ein Manu von Talent, Geschick und Geist, der vielleicht ein Portefeuille hat neben mir.
Ihm schwindelte bei diesem Gedanken.
„Gras Rettorf ist dieser Mann nicht."
„Aber ich! — Minister! — Ich! Und Leonie! Ja, ich muß reich sein; ich muß! Welckft eine Aussicht öffnet sich mir! Alles für Alles! Groß muß der Einsatz sein, aber groß, schön, gewaltig ist auch der Gewinn, den ich in dem wilden Lottospiel des Lebens mir erwerben will. Nur Reichthum, Reichthum — wie aber ihn erringen?"
Wie ein zauberhafter Märchentraum überkam es ihn, wie eine Vision.
Er war Minister, der erste, gefeierte, verehrte Diener seines Fürsten; er leitete die Geschicke von Tausenden; er führte alle seine Pläne für die Größe, den Glanz, die Wohlfahrt des Landes aus, er war geliebt, bewundert, er versammelte um sich die ersten Männer seiner Zeit, Gelehrte, Künstler, Staatsmänner, in seinen strahlenden, mit allem Luxus ausgestatteten Salons bewegten sich neben glänzenden Cavalieren die schönsten Frauen, und unter ihnen war seine Gemahlin, seine Leonie die schönste, die geistvollste, liebenswertheste und anmuthigste, um die man ihn beneidete.
Dieses Dasein war göttlich schön, war der Mühe und Arbeit Werth, selbst.yianches Opfers. Dahin waren alle idyllischen Träume von stillem, bescheidenem Glück, von einer Zufriedenheit im engen Lehenskreise, und höher und immer höher schlugen die Wogen des Ehrgeizes über ihm zusammen, und sein guter Dämon schien sich trauernd von ihm abzuwenden.
Aber Geld mußte er haben, Geld, Reichthum mußte er besitzen. Wie ihn erlangen? Der Diener trat ein und meldete den Banguier Strauß.
„Das ist ein Wink des Schicksals," rief Conrad, als der Diener hinaus war; „den Mann sendet mir ein guter Genius. Vu bmigue! Das Spiel beginnt!"
Strauß trat ein.
„Die Stunde ist verflossen," begann er mit höflicher Verbeugung: „Herr Ministerialrath, ich komme, mir Ihre Antwort zu holen."
Conrad war in furchtbarer Erregung, aber er bezwang sich und äußerlich ruhig erwiderte er:
„Ich nehme Ihre Prvpositionen an. Betrachten Sie die Bahn als gesichert; morgen haben Sie die Concession in Ihren Händen, mein Wort darauf! Aber auch ich brauche Ihre Hülse."
Ein Freudenstrahl überglänzte das Gesicht des Banquiers, der Conrads Hand ergriff und sie lebhaft schüttelte, während er sich in Danksagungen ergoß.
„Sie hatten Recht," begann Conrad wieder, „Reichthum ist die Macht unseres Jahrhunderts; Herr Strauß, ich muß reich seiu."
„Sie sind es, sobald Sie nur wollen," entgegnete schnell der gewandte Finanzmann. „Das kleine Capital, das ich Ihnen an der Börse gewann, das kann Ihnen nicht genügen. Sie brauchen mehr, vor allen Dingen einen ausgedehnten Grundbesitz, der Ihnen Namen und Rang giebt — ich biete ihn."
(Fortsetzung folgt.)