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(01/01/2019) 07
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Heinrich No6.

bis zum Vischbach- und Kitzsteinhorn, den eis­schimmernden Gipfeln von Kaprun. Hier und dort rauscht eine Quelle durch den Wald, Baumbärte hängen von den Fichten, mit jeder Windung tau­chen neue Hochalpen empor, es kommt der Dach­stein heraus und auch in's Innere der Tauern- thäler hinein schaut man besser, je weiter man hinauf kommt.

Pinzgau ist ein klassisches Land für Roman­schreiber. Der Stofs ist aber noch gar nicht an­gerührt worden. Wer diesen Weg aus die Schmitten­höhe macht, der sieht die Illustrationen zu sämmt- lichen Blättern aller dieser möglichen, doch noch ungeschriebenen Romane. Er sieht all die Burgen und einst so reichen Märkte, zu welchen die Vene­diger über die Tauern herüber auf Sanmthieren ihre Kostbarkeiten brachten. Er sieht das Eis, die Heimath der Geister und Schatzhüter, die von Staubsällen durchkosten Schluchten, durch welche den Hochöfen einst die reichen Erze zugetragen wurden, den Hintergrund aller verschwenderischen Pracht von uralter Geschichte und noch älteren Sagen und Märchen.

Am lehrreichsten ist von der Schmittenhöhe aus der Abblick in das Thal Kaprun hinein. Man sieht hier, ohne daß man die Thalwanderung zu machen braucht, die hintereinander bis in die Eis­region hinein sich erhebenden Terrassen des Thales, bezeichnet durch die jäh geneigte weiße Linie des

Blick in das Kaprunerthal (b. Zell a. See).

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MM.

MN

Vom Eis bis zur Salzach reichenden Baches. Hier kann Einer auch, ohne die Beschwerde einer Wan­derung durch Stirn-Moränen und über den von abschmelzendem Wasser durchweichten Boden des Löß", mit dem freien Auge, noch besser mit dem Fernrohr, die Einzelheiten einer Gletscherzunge studiren. Der Neuling wird sich vielleicht wundern, er wird eine Vorstellung, die in ihm sich festgesetzt hat, aufgeben müssen. Das Gletschereis, was er dort im Hintergründe von Kaprun bis ans die Thalsohle herablangen sieht, ist nicht spiegelblank, sondern eine graue, zerklüftete Masse, einem er­starrten Lava-Strome zu vergleichen. Dennoch wird er, wenn er genau hinsieht, es aus den Kluften himmelblau herausdämmern sehen eine Bläue, wie sie die Wasser der klaren Seen haben, in welche die Gletscherwasser hineinrinnen.

Die Schmittenhöhe hat eine weite Rund­schau. Man sieht vom Hochgolling, der tief unten in Steiermark steht, bis zum Wilden Kaiser bei Kufstein. Gleichwohl aber gestehe ich. daß mir die von den benachbarten, ungefähr gleich hohen und gleich besuchten Kuppen, dem Kitzbüheler Horn und der Hohen Salve lieber sind. Vom ersteren sieht man schöner in die Eiswelt der Tauern hinein und vom letzteren besser in die Kalkalpsn. Aber etwas kommt doch der Schmittenhöhe zu, das die anderen nicht haben. Es ist dies derPinzgauer Hochweg". Man kann auf ihm von der Schmittenhöhe weg ungefähr sieben Stunden lang in einer durchschnitt­lichen Höhe von etwa 18001900 Metern fort- gehen und hat immer die Pracht der Tauern vor sich. Zuletzt gelangt man auf den gegen 2700 Meter hohen Gaisstein, der auch eine schönere Aussicht als die niedrigere Schmittenhöhe hat.

Um nun auch dem Orte selbst einen Blick zu gönnen, soll hier bemerkt werden, daß Zell am See einer der schmucksten und anziehendsten Orte des an solchen Marktflecken nicht armen Salz­burger Landes ist. Auch der Fortschritt hat hier durchweg günstig gewirkt. Es ist ein Ueberfluß an Gaststätten und Gärten da. Zum Baden, Ru­dern, Dampsschisf-Fahren ist allenthalben Gelegen­heit. Die braunen alten Holzhäuser zieren sich im Sommer eben so mit Blumenschmuck wie die Gärten um die anspruchsvolleren Markthäuser und Neu­bauten. Das Alles aber hat nicht nur die Eisen­bahn gethan es ist immer, auch jetzt noch in weltverlorenen Gegenden dieses Hochlandes Brauch gewesen, daß auf Sauberkeit und bescheidene Blu­menzierde geschaut wurde. In der letzten Hütte des Hochthales bringt der Sommer dem armen Menschen aus dem Gärtlein eine Nelke, eine Ge­ranium- oder Diclytra-Blüthe und durch solchen Schmuck, der ihm das kurze Sommerfest, inmitten der Umklammerung des vergangenen und des zn-