einzndringen und ließ das Zimmer nach frostiger und ärmlicher erscheinen als es ohnehin war.
Horst hatte einen Brief beendet und stützte den Kops in die Hand.
„So," sagte er, „meineGeschäftscorrespondenzen wären damit erledigt — und Privatbriefe habe ich nicht zu schreiben. Es ist mir sehr gleichgültig, ob meine sogenannten Freunde ein paar Tage früher oder später ihre nengierig-theilnahmsvollen Gesichter schneiden, wenn sie von meinem Mißgeschick hören — und Menschen, die um meinetwillen ernstlich in Sorge gerathen konnten, habe ich ja nicht. Das ist eigentlich günstig in meinem Fall — wenn's nur nicht so traurig wäre! Irgend ein Zufall wird ja wohl meine Unschuld erweisen — aber wer frägt danach? Wer vermißt mich?" Eine tiefe Niedergeschlagenheit bemächtigte sich seiner, eine apathische Theilnahmlosigkeit an seinem Schicksal. Gewaltsam schüttelte er diese Stimmnng von sich ab und versuchte, klar und sachlich über die Ereignisse der letzten Tage nachzndenken. Aber es gelang ihm nicht. Ihm war, als habe eine feindliche Macht plötzlich in sein Leben Angegriffen, alle Fäden verwirrend. Er hatte den Kopf auf die Arme herabgesenkt und versuchte mit geschlossenen Augen, sich die Bilder der letzten Tage klar vor die Seele zu führen. Aber da war bald ein Bild, das all die andern verdrängte. Er sah Frau Eva vor sich mit ihrem resignirten Gesicht und plötzlich fuhr er empor. Sie konnte ihn nicht für schuldig halten, sie durste es nicht!
Schritte wurden draußen ans dem Corridor laut, Schlüssel rasselten. Jetzt hielten die Schritte vor seiner Thür, kreischend drehte sich der Schlüssel im Schloß. Er hörte die Stimme des Schließers sagen:
„Eine Viertelstunde haben Sie Zeit" — dann wurde die Thür geöffnet. Durch das derselben gegenüberliegende Corridvrsenster drang ein breiter Strahl rothen Sonnenlichtes in das Zimmer, und umflnthet von seinem Schimmer trat eine schlanke, schwarzgekleidete Frau über die Schwelle.
„Sie hier — mein Gott, mein Gott, Sie hier!" stammelte Horst.
Frau Eva nickte leicht mit dem Kopf, aber sie hielt die Hände fest in einander gefaltet, ohne sie ihm entgegenzustrecken.
„Man hat nur nur sehr kurze Zeit bewilligt, wir dürfen keinen Augenblick verlieren," sagte sie, leise und hastig sprechend, während ihre Angen auf das vergitterte Fenster gerichtet waren und sic es vermied, Horst's Blick zu begegnen.
„Wie soll ich Ihnen danken, daß Sie zu mir kommen!"
„Nein, nein, das will ich nicht, nur — Sie sollen wissen, daß ich in Lorbeck geblieben bin und
Sie sollen mir erzählen, was Sie von Karl Hersalls Beziehungen dort wußten — alles, alles!"
„Aber ich weiß nicht mehr als Sie!"
„Doch, doch, besinnen Sie sich nur, es muß irgend etwas geben, das ans die rechte Spur führt!"
„Sie wissen, daß ich unschuldig bin, nicht wahr?"
Tiefe Röthe flammte ans Frau Eva's Wangen auf.
„Sie wissen ja, daß Alles, was man in dieser Beziehung sagte, nicht wahr ist, Alles, Alles," rief sie erregt. „Irene und ich, wir haben ausgesagt, ^ was wir wußten — aber das bezieht sich doch nur auf etwas, was zwischen Karl und Irene vorgefallen ist — sein Tod wird dadurch nicht erklärt."
„So wußten Sie, daß Karl und Irene verlobt waren? Und Sie sind um meinetwillen zum Richter gegangen, Sie beschäftigen sich mit meiner Angelegenheit?"
„Ich bitte Sie, lassen Sie mich aus dem Spiele — was mich betrifft — Sie sehen es ja, ich bin aufgewacht, das ist Alles! Aber nun sprechen wir von Ihnen. Besinnen Sie sich! hat Karl Ihnen nie etwas von Beziehungen oder Begegnungen mit Anderen erzählt — haben Sie nie bemerkt, daß er noch andere Menschen kannte, die nicht zu unserem Kreise gehörten?"
„Ich grüble darüber nach, seit ich hier bin und eine Idee, wenn Sie wollen'ein Verdacht, ist dabei allerdings in mir aufgestiegen, aber derselbe ist so wenig durch Beweise zu belegen, daß ich nicht glaube, damit durchdringen zu können. Auch möchte ich keinen Unschuldigen verdächtigen."
„Was ist das für ein Verdacht? Erzählen Sie, sprechen Sie schnell."
„Ich begegnete einmal im Walde einem jungen Menschen im Jägerrock, dessen Benehmen so sonderbar war, daß ich ihn für betrunken hielt. Später erzählte mir Karl, daß er Rosen für Irene in der Colonnade gekauft und daß ihn darauf dieser selbe junge Mensch im Jägerrock in sonderbaren Ausdrücken vor diesen Rosen gewarnt hatte. Die Blu- menverkäuserin in der Colonnade war die Tochter des Försters, Paul machte ihr den Hof, wenn man das so nennen kann — der Förster hat einen jungen Hülfsjäger bei sich —"
„Und dieser liebte das Mädchen, wahrscheinlich warnte Karl deshalb, den man ihm als Baron Hersall bezeichnete und auf den er eifersüchtig war, und hielt auch späterhin Karl für Paul —"
„Sie vollenden meinen Gedankengang, Baronin."
„Jeder müßte das, der die Sache vornrtheils- los betrachtete! O, Gott sei Dank, jetzt haben wir den Faden, der uns ans diesem Labyrinth führt!"
„Noch nicht ganz," meinte Horst.
„Die Gerichte werden wenig mit diesem Faden anzufangen wissen. Mir ist dieser mögliche Zusammen-