Frau Eva.
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Von so etwas. Er zeigte mir gleich von Anfang an, daß ich ihm lästig sei. Na, damals wußte ich noch nicht >veshalb — aber es kam mir gleich so vor, als ob er etwas im Schilde führte. Ja, das war damals eine böse Nacht und seitdem ist es, als ob ein Fluch auf dem Hause läge. Meine Tochter hat sich die Sache so zu Herzen genommen, daß sie krank ist seitdem, mein Hülfsjäger schleicht umher, als ob er das Fieber hätte, und ich, wenn ich die Angen schließe, so ist mir, als sähe ich das blasse Gesicht des armen jungen Herrn Barons vor mir.
„Das kann ich mir denken," meinte Frau Eva, „sonst mag es freilich heiterer in Ihrem Hanse zu- gegangen sein. Wo zwei junge Leute beisammen sind, wie Ihre Tochter und Ihr Gehnlse —"
„Ja, ja, ja, die gnädige Frau haben ganz Recht, die jungen Leute sind sonst meine Freude gewesen. Der Hiilfsjäger ist ein tüchtiger Bursche, schneidig wie nur einer, dabei gebildet — so gewandt mit der Feder, wie ein Schreiber —"
„Und das Förstertöchterlein ist ein hübsches Mädchen," warf Frau Eva dazwischen.
Sie suchte dabei unbefangen ansznsehen, aber das Herz klopfte ihr znm Zerspringen.
„Pia, es macht sich, es macht sich," meinte der Förster.
„Und die Beiden sollen gewiß ein Paar werden," fuhr Frau Eva fort.
„Die gnädige Frau sind zu gütig, sich dafür zu iuteressiren - aber es hat mir freilich geschienen, als ob so etwas zwischen der Rvsel und dem Hermann im Gange wäre und ich hätte es gern gesehen. Aber — wie das so zwischen jungen Leuten zu gehen pflegt, das Mädel hat sich wohl mit ihm gezankt — spricht jetzt immer davon, daß sie sich vermiethen wollte, als Stubenmädchen oder Kammerjnngfer, obgleich sie es nicht nöthig hat, und der Hiilfsjäger spricht überhaupt nicht mehr. Pta, ich hoffe immer, sie werden sich wieder vertragen. "
Frau Eva durchzuckte ein plötzlicher Gedanke.
„Wollen Sie darüber Gewißheit haben, wie die Beiden miteinander stehen, Herr Förster?" fragte sie.
„Freilich möchte ich es, aber —"
„Ich habe Ihre Tochter gesehen und sie hat mir sehr gilt gefallen. Da dieselbe, wie sie sagen, sich vermiethen will, könnte ich sie vielleicht mit mir nehmen. Wenn ich das dem Hülssjäger sagte —"
„Ja, freilich, dann würde er wohl Farbe bekennen müssen, aber die gnädige Frau find wirklich zu gütig —"
„Ich würde nur in meinem eigenen Interesse handeln, denn, wenn ich das Mädchen nähme, müßte ich doch vorher wissenstob sie auch frei ist."
„Freilich, freilich!"
„Also abgemacht. Sie geben dem Hiilfsjäger Ordre, daß er uns heute nach Hause begleitet — ich wollte Sie ohnehin darum bitten, denn ich wollte den Rückweg zu Fuß machen und fürchte ihn zu verfehlen. Nicht wahr, Irene, wir sprachen schon auf dem Heimwege davon?"
Irene, welche inzwischen die kleine Wirthschaft der Försterei besehen und durch ihr Lob den Förster in die allerbeste Laune versetzt hatte, bejahte. Plaudernd saßen alle drei noch im Garten zusammen, bis der Hiilfsjäger aus dem Walde zurückkehrte. Er war ein junger Mann, dessen bartloses, nichtssagendes Gesicht Frau Eva's Erwartungen bedeutend herabdrückte. Konnte ein Mann, der so Furchtbares auf sich geladen hatte, so anssehen?
Der Auftrag des Försters machte ihm übrigens offenbar keine Freude, was indessen natürlich erscheinen mußte, da er wahrscheinlich ermüdet war Schweigend schloß er sich den Damen an.
Ein leiser Schauer überrieselte Frau Eva, als sie mit ihm in den Waldesschatten traten, doch sagte sie mit möglichst unbefangener Stimme:
„Sie waren auch dabei, als man meinen armen Neffen, den Baron Hersall aus dem Walde trug, nicht wahr?"
Der Hiilfsjäger, der theilnahmlos vor sich hin gestarrt hatte, blickte plötzlich auf.
„Ihren Neffen?" wiederholte er.
„Ja — ach Sie wissen nicht, daß ich die Baronin Hersall bin. Der Förster hat es Ihnen nicht gesagt?"
„Nein —" Der Hiilfsjäger murmelte ein paar unverständliche Worte.
„So wissen Sie wohl auch nicht, daß ich des Försters Töchterchen engagiren und mit mir nach Umgarn nehmen will, wenn das Mädchen einverstanden ist? Mein Neffe, der Bruder des Verstorbenen, hat mir viel Gutes von ihr erzählt."
Der Hiilfsjäger bewegte die Lippen, ohne ein deutliches Wort auszusprechen.
Frau Eva schwieg. Sie hatte eine besondere Wirkung dieser Mittheilung erwartet. Aber der junge Mensch an ihrer Seite schritt wortlos weiter, die Augen ebenso starr vor sich hin gerichtet wie vorher. Ein flüchtiges Zucken lief manchmal über sein Gesicht, verschwand aber ebenso schnell, als es gekommen war.
Frau Eva wurde unheimlich zu Mut he. Irene schien ein Gleiches zu empfindeu, denn sie drückte den Arm ihrer Stiefschwester fester an sich und beide beschleunigten ihre Schritte.
Endlich, als die Thürme von Lorbeck schon vor ihnen anftanchten, nahm Frau Eva noch einmal allen Muth zusammen und sagte:
„Ich hoffe, das Mädchen wird mit mir gehen, da ihr Vater einverstanden ist."
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