Heft 
(1.1.2019) 07
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G. von Beaulieu. Wurzelfüßchen.

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bedeutend gesunder als die Flußniederung, aber die Malaria erstreckt sich doch eben so hoch hinauf als es Dörfer giebt, und dort, wo der Fieberpilz nicht mehr gedeiht, ist es schon so rauh, daß der Euro­päer ohne besonderen Anlaß auf längere Zeit hier nicht leben möchte. Würde das Sanatorium nun auch in mittlerer Berghöhe angelegt, so fragt es sich doch, ganz abgesehen von den nicht unbedeu­tenden Kosten, ob Jemand, der heftig von der Ma­laria befallen ist, auch sofort wieder genesen wird. Es ist merkwürdig, daß in Westafrika der plötzliche Wechsel von Klima und Lebensgewohnheit, sei es auch zum Besseren, schädlich zu sein scheint und daß schon der erste Hauch einer gesunden Luft sowie ge­sunder Lebensweise genügt, um die im Körper seit langer Zeit aufgespeicherten Krankheitskeime zum Ausbruch zu bringen.

Ich habe versucht, meinen geneigten Lesern in aller Kürze ein Bild des westafrikanischen Klimas zu geben. Wenn dasselbe auch lange keinen An­spruch auf Vollständigkeit macht, so hoffe ich doch, mit dazu beigetrageu zu haben, einige Aufklärung über dieses wichtige Thema zu geben. Afrika ist trotz seiner Jahrhunderte laugen Bekanntschaft noch immer ein unbekanntes Land, und wenn jetzt auch mit vielen Opfern an Geld und Menschenleben an seiner Entschleierung gearbeitet wird, so geht doch noch manches Jahrzehnt dahin, ehe wir über seine Natur vollkommen im Klaren sein werden. Wer aber hinausgeht, der muß wissen, daß er einen Kampf mit eigenartigen Verhältnissen zu wagen

hat, er muß sich vielen neuen Forderungen an­bequemen, und vor allen Dingen vorsichtig leben. Ein gesunder und kräftiger Mensch, der sich geistig und gemüthlich im beständigen Gleichgewicht be­findet, das durch keinen kleinlichen Aerger oder eine fehlgeschlagene Hoffnung gestört wird, hat die beste Aussicht auch in den Küstengebieten des tropischen Afrikas manches Jahr zu leben.

Wird Central-Afrika einst auch ein Land sein, welches der Europäer mit seiner Familie zum dau­ernden Aufenthalt wählen kann? Wer will diese Frage heute beantworten?Möglich ist es," sagt der erfahrene Afrikareisende vr. Pechuel-Loesche, wenn auch nicht wahrscheinlich, daß im unbekannten Afrika noch einzelne in jeder Hinsicht begünstigte Gebiete aufgefunden werden, wo Familien von Europäern bei eigener körperlicher Arbeit gedeihen können. Möglich ist es auch, daß die Wissenschaft ein Mittel entdeckt, die künftigen Besiedler gegen die üblen Einflüsse des Klimas zu schützen. So lange dies aber nicht geschehen, müssen wir die Ausbeutung des tropischen Afrika dem Kaufmann und dem Pflanzer überlassen im Bunde mit dem Missionar und Forscher. Sie alle haben die wich­tige Aufgabe zu lösen: den Afrikaner zur Arbeit zu erziehen, die Hülfsquellen des Landes zu ent­wickeln!" Deutsche Männer, Kaufleute, Missionare und Gelehrte haben schon in hervorragender Weise an der Erreichung dieses schönen Zieles mitgear­beitet; möge es auch in Zukunft so bleiben und einst der Erfolg das Werk krönen.

Am^Wchen.

Ein Märchen von G. von Beaulieu.

Mtm Walde, am Hange eines Hügels, wuchs unter einem großen Eichbaume eine Blume. Sie versteckte sich schüchtern unter den Eichenzweigen und grünte und blühte im Verborgenen, denn der Baum stand fernab vom Wege. Nur arme Kinder, welche Beeren suchten und Reisig sammelten, kamen hierher; sie erzählten der Blume, wie groß die Welt sei und wie viel Schönes man in ihr sehen könne. Und die Blume sehnte sich, die Welt zu sehen.

Eines Tages ging ein Mann in den Wald, und da er gemächlich schleuderte und sorgsam um sich spähte, entdeckte er die einsame Blume.

Welch' kräftiges Exemplar," dachte er,recht

als Zuchtexemplar brauchbar. Es würde gut für das große Mittelbeet meines Gartens passen."

Und er sagte zur Blume:Ich mache Dir einen Vorschlag, Waldpflanze. Was willst Du hier verkümmern und ungesehen verblühen? Ich habe einen prächtigen Ziergarten, komm zu mir. Du bist stark und kräftig und vornehmer Abkunft, die Eiche ist Dein Stammbaum. Vor meinem schönen Landhause werde ich Dir den Ehrenplatz geben, die Besucher meines Gartens werden Dich bewun­dern. Ich hebe Dich mit Deiner Scholle aus dem Waldbodeu und setze Dich in fette gute Erde aus meinem Treibhanse; Du sollst ein vornehmes Da­sein führen und keine Nahrungssorgen haben. Dafür

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