Heft 
(1.1.2019) 07
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G. von Beaulieu.

wirst Du blühen und mir Samen geben, denn ich beabsichtige, Deine Spezies in die Gartenkunst einzuführen. Dafür mußt Du auch versprechen, schlank und regelrecht zu wachsen und nicht wild und phantastisch in's Kraut zu schießen. Auch mußt Du darauf achten, daß die anderen Blumen des großen Mittelbeetes hübsch gleichmäßig bleiben. biobl6886 obliAa. Du wirst die Ehre und Zierde meines Gartens sein und jede ehrenhafte Pflanze hat Pflichten."

Der Waldblume wurde bei der feierlichen Rede angst. So sollte sie die vielgerühmte Welt sehen? Sie durfte nicht mehr wachsen, wie sie wollte, sich nicht mehr verstecken und still träumen, wenn ein Sonnenstrahl durch das Gezweig der Eiche drang; sie sollte steif und geziert dastehen und sich von den Menschen anstaunen lassen. Sie seufzte. Gern hätte sie die Welt gesehen, aber so mochte sie es nicht.

Und sie sagte es dem Manne.

Der ward böse.Du verschlägst Dir ein ge­sichertes Auskommen und eine geachtete Lebensstel­lung," zürnte er.Entschuldige mich, aber Du bist dumm, ich hätte Dir mehr Einsicht zugetraut. Nun bleibe in Deinem Winkel, wenn Du das vor­ziehst."

Er ging beleidigt von dannen, die Blume aber freute sich, daß sie noch wachsen konnte, wie sie wollte. Und wenn jetzt die beerensammelnden Kin­der kamen, mochte sie nichts mehr von der Welt hören, in der mau mitten in einem großen Beete stehen, ein gesichertes Auskommen an einem grün angestricheuen Stocke haben und mit fetter Treib­hauserde gespeist werden sollte, die vom Miste stammt.

Sie lachte über die närrische Welt und streckte noch einmal so gern und üppig ihre Blätter in der Waldluft, im Schatten der Eiche aus.

Aber das Beste wußte die Blume nicht. Sie trug eine geheime Kraft in sich, nur war noch Nie­mand gekommen, dieselbe zu wecken.

Doch eines Abends sollte es geschehen. Ein schlanker Jüngling bahnte sich einen Weg durch die Bäume des Waldes und schritt auf den Hügel zu.

Hier will ich den Sonnenuntergang sehen, hier ist die richtige Stelle!" Und er warf sich zu Füßen der Eiche nieder. Die Blume beachtete er nicht. Er sah nur zum Himmel, zu den rosigen Wölkchen am matten Aethersblau empor, sagte Worte tönende, wohlklingende Worte eines Ge­dichtes und lehnte das Haupt an die hohen vor­tretenden Wurzeln der Eiche. Dabei zerdrückte er einige Blätter der Blume und so geschah es, daß sie einen wunderbar aromatischen Duft aushauchte. Erstaunt blickte der Jüngling um sich und bemerkte die Waldblume.

Du liebes armes Ding," sagte er,habe ich Dir wehe gethau? Du bist nicht schön, nur kräftig und urwüchsig. Aber wie berauschend ist Dein Duft!"

O nein/' versetzte sie verschämt,ich wußte selbst nicht, daß ich es könnte und nun freue ich mich darüber, obgleich es weh thut. Sind Sie ein Dichter? Sie sprechen anders als die Menschen, welche ich kenne."

Dabei that sie sich ein wenig mit ihrer Men- schenkenntniß groß, die sich doch aus die Erdbeer- und Blaubeerkinder und auf den Besitzer des Land­hauses beschränkte.

Er lachte:Die Leute nennen mich so, aber Ihr, der Wald, die Sonne, die Blumen machen mich nur dazu."

Von der Zeit an kam er öfter zu dem Platze. Er merkte bald, daß die Waldblume, so erfahren sie auch gethan, nichts von der Welt kenne. Aber das war ihm just lieb und reizvoll und deshalb kehrte er immer wieder zu ihr zurück. Und wenn er sein Haupt auf eines ihrer Blätter legte, leise und liebkosend that er es jetzt, so umwehte ihn derselbe berauschende Duft wie am ersten Abend und er dachte nicht mehr an den Sonnenuntergang, wegen dessen ertdoch anfangs gekommen.

Eines Abends war er tief, tief traurig und sprach zu ihr:Ich muß hinaus in die Welt, fort. Ich bin arm und kann nicht meinem Glücke allein leben."

Fort?" Der Nachtthau erglänzte aus ihren weißen Blüthen.

Was mich bekümmert," sagte er,ist, ob Du Muth hast. Willst Du mit mir kommen ans die Landstraße in Sonnenbrand und Hitze, in Sturm und Staub; willst Du mit mir wandern?"

Hast Du keinen Garten, in den Du mich pflan­zen, wo Du bei mir bleiben könntest? Ich würde mit einem so bescheidenen Plätzchen zufrieden sein."

Ich sagte es Dir ja, ich bin ein armer, hei­matloser Mann."

Auch nicht eine Thonscherbe, in der Du mich mit ein wenig Walderde bei Dir haben könntest?"

Auch nicht eine Thonscherbe. Ich will Dir die Wahrheit sagen, eine Lüge ist meiner unwerth. Ich könnte mir ein Gärtlein erarbeiten, aber dann wäre ich an die erbärmliche kleinliche Scholle ge­bunden und ich will frei sein. Denke nicht so be­schränkt, raffe Dich auf. Du mußt Deine Wurzeln aus dem Waldboden reißen und mit mir wandern und während Du wanderst, werden Dir statt der Wurzeln Füße wachsen und Du wirst Deine Pflan­zennatur verändern, sofern Du nur die wahre Liebe für mich hegst. Sage, daß Du es thun willst. Sage es gleich, sonst gehe ich allein oder suche mir eine andere Blume, welche mehr Muth hat, als Du."