Großes Bivouac.
329
die Cigarre verdorben? Bitte, nehmt doch eine andere von mir."
„Ich danke wirklich," sagte der Dicke, nachdem er die ihm hingehaltene Tasche nicht ohne Mißtrauen besehen . . . „Das letzte Mal hast Du mir eine Knall-Cigarre gegeben, die in der Mitte explo- dirte . . . Ihr Artilleristen müßt immer 'was zu knallen haben ... in der Beziehung traue ich Dir nicht mehr . . . laß mich diese nur weiter rauchen."
Der Nebel war mittlerweile so dicht geworden, daß wir uns auf's Gerathewohl irgendwohin gesetzt; jetzt kam es mir aber vor, als wenn ich unter mir ein leises Regen und Bewegen fühlte.
„Suchen Sie etwas?" fragte mich ein zuvorkommender Kamerad von der Artillerie.
„Das grade nicht," war mein Bescheid . . . „aber es kommt mir beinahe vor, als ob ich auf 'was Lebendigem süße ... es ist so warm und ich glaube, es stöhnt sogar."
„Vielleicht ein Pferd?" meinte ein Anderer.
„Oder ein Hund?"
„Die Pflegen das doch nicht so lange auszuhalten . ."
Der lange Schirrmeister stand auf und neigte den Oberkörper, daß er Aehnlichkeit mit einem Storch bekam, der eine Padde sucht.
„Ach, das ist ja Ihr Vetter!" rief er aus. . „Sie haben sich auf Ihren Vetter gesetzt. ."
„Mein Vetter? . . welcher Vetter denn?"
„Er wollte Sie besuchen und da ist er unterwegs hier eingekehrt und hat 'nen Glas Grog getrunken ... es muß ihm aber wohl zuviel geworden sein; denn plötzlich legte er sich, und da ist er auch gleich liegen geblieben ..."
Ich stand auf und wandte mich um. Wahrhaftig, mein kleiner Vetter aus der Nachbargarnison .. . mein Stellvertreter bei den großen Bällen. Wir schweren Cavalleristen waren nämlich sehr faule Tänzer; damit die Damen aber nichts dabei verlieren sollten, ließ sich Jeder einen Freund von der leichtfüßigen Infanterie kommen . . . meine Wenigkeit hatte sich den kleinen Vetter zur Stellvertretung ausersehen ... er ist auch jedesmal erschienen, doch nie im Tanzsaal . . beim Mittagessen schwipps'te er sich stets einen Kleinen an und dann legte er sich ans mein Sopha, um auszuschlafen. Das dauerte aber lange; denn wenn ich ihn zum Ball wecken wollte, half mir all' mein Rütteln nicht . . er schlief, als wenn man ihn todt- geschlagen hätte . . und erst gegen ein Uhr gelang es meinem Cousin, ihn wieder zum Bewußtsein zu bringen. Um zwei Uhr fuhr er mit der ordinären Post wieder zurück, weil er morgens um Sieben in den Dienst mußte ... er ließ mich immer noch freundlich grüßen und für die Ehre danken, die ich ihm angethan . . . und kam regelmäßig wieder,
II. 2.
UM es regelmäßig ebenso zu machen . . . Der gute Vetter! . . er hatte mir eine Aufmerksamkeit erweisen und mich besuchen wollen . . aber die Zwischenstationen konnte er nicht vertragen ... er hatte sich wieder einen angeschwippst. . einen ähnlichen, wie ich ihn bereits kennen gelernt . . . Der gute Mensch! . . . Ich legte ihn etwas weiter zurück und setzte mich dann aus etwas Anderes.
Als ich eben wieder Platz genommen, brachte Hempel den bestellten Grog mit verschmitztem Lächeln. Es waren zwei mächtige Gläser von gleicher Größe und Form; Schirrmeister nahm das eine und ließ das andere zu Herrn von Padderow bringen.
Dieser faßte es an dem Fuß, wo er sich nicht verbrennen konnte, nickte seinem lieben Bruder von der Artillerie mit einer gewissen Feierlichkeit zu, brachte sein schiefes Riechorgan in den Dunstkreis des duftenden Getränks und schloß vor süßem Behagen die Augen, während seine ganze Seele die Freuden des Paradieses zu athmen schien.
Schirrmeister sah seinen Freund mit eigenthüm- lichem Lächeln an und in seinem Blick zwinkerte eine fast dämonische Schadenfreude.
Padderow hatte inzwischen die schiefen Augen wieder geöffnet und pustete nun mit seinen dicken Lippen in das Getränk, um es etwas früher kühl werden zu lassen.
Dann nahm er den ersten, herzhaften Schluck. Kaum hatte er diesen aber hinabgleiten lassen, so setzte er den Humpen schnell wieder ab, riß den Mund weit auf, verzog schmerzlich das Angesicht und fuhr mit der Linken nach der Magengegend.
„Nicht wahr, er ist gut?" fragte Schirrmeister mit schadenfrohem Lächeln.
Der Dicke antwortete nicht, sondern gab nur ein dumpfes Stöhnen von sich.
„Was ist Euch, edle Seele?" fuhr der Andere theilnehmend fort . . . „Ihr seht ja aus, als wenn Ihr in Verzückung gerathen wolltet."
Padderow gab abermals keine Antwort, warf aber dem unglücklichen Hempel einen Blick tödt- lichen Hasses zu und warf ihm seine Cigarre mit solcher Gewalt an den Kopf, daß sie von demselben abprallte und beinahe wieder zu ihm zurückgeflogen wäre.
„Weshalb seid Ihr denn so wüthend, wackerer Kampsgenoß?" erkundigte sich der Artillerist, indem er seinem Kanonier verstohlen abwinkte. Dieser hatte es aber nicht bemerkt, sondern war ruhig stehen geblieben. Nun blieb Schirrmeister nichts Anderes übrig, als der Sache ihren Lauf zu lassen.
„Was hast Du gethan, Unglücklicher?" redete er ihn an . . . „heraus mit der Sprache! gestehe Deine Uebelthat ein!"
Der dienstbare Geist, der übrigens entschiedenes
42