Heft 
(1.1.2019) 08
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Anton Ghorn.

dort huschte Einer wie heimlich und verstohlen zu seinem Nachbar und in den Werkstätten saßen Meister und Gesellen und hielten wunderliche Zwie- sprach. Es hing unzweifelhaft etwas in der Luft über Buchsweiler und nur Herr Jakob, den in seiner Gutmüthigkeit schon der Bescheid reute, den er den fünf Männern gegeben und der eine herbe Auseinandersetzung mit Frau Barbara gehabt hatte, ahnte nichts.

Die Nacht war angebrochen, dunkel und kühl, der Nordwind sang um die alten Stadtthore und die Knechte, welche da und dort die Wache hatten, fröstelten und fluchten. Da kam es leise von allen Seiten heran gegen den Thorthurm, in welchem die Rüstkammer sich befand und durch welchen es zu­gleich hinausging in der Richtung nach dem zwei Stunden entfernten Schlosse Lichtenberg, wo der Bruder Herrn Jakobs, ein trefflicher, ehrenhafter, Mann, dem die hochfährtige Schwägerin ein Dorn im Auge war, saß.

Ehe sie es versahen, waren die zwei Knechte im Thore überwältigt und gebunden; die Bürger, welche überall herbeikamen, bemächtigten sich der Waffen, und an die zweihundert Männer zogen in jener Nacht aus Buchsweiler, um aus Schloß Lichten­berg sich Schutz und Recht zu suchen. Sie hatten wohl anfangs im Sinne, sich des Schlosses in Buchs­weiler zu bemächtigen, aber das war zu fest, hatte eine zu starke Bemannung und die Donnerbüchsen, so auf der Höhe des Walles aufgefahren waren, waren eine zu gefährliche Sache, wenn man nicht über gleiche Waffen verfügte.

Am nächsten Morgen sah man in Buchsweiler nur Frauen und Kinder aus den Gassen; was von Männern noch da war, hielt sich verborgen, theils weil sie krank, theils weil sie sich schämten, den Auszug der Anderen versäumt zu haben. Die Frauen aber zeigten triumphirende Mienen und schauten trotzig hinauf nach dem Schlosse; an diesem Mor­gen dachte jedoch keine daran, ein Mittagsmahl zu kochen.

Um die nennte Stunde erschien ein gräflicher Ausrufer in den Gassen und verkündete mit weit­schallender Stimme: Herr Jakob von Lichtenberg gebiete, daß spätestens im Laufe des nächsten Vor­mittags alle Bürgersfraueu, deren Männer die Stadt verlassen und sich dermaßen gegen ihren Herren anfgelehnt, sammt ihren Kindern aus Bnchsweiler ausziehen müßten.

Die Kunde verbreitete anfänglich Bestürzung; in ihrer Aufregung liefen die Weiber dahin und dorthin, sich mit ihren Muhmen und Gevatterinnen zu berathen, die Aengstlicheren singen an, ihre Hab­seligkeiten einzupacken, in den Muthigeren aber er­wuchs ein kecker Trutz. Zn den letzteren gehörte auch Frau Kunigunde. Sie wollte mit ihrem Büb-

lein die Stadt nicht verlassen, sondern abwarten, was Herr Jakob gegen wehrlose Weiber und Kin­der unternehmen würde, ja im Nothsalle Gewalt gegen Gewalt setzen.

Es brauchte nur eine einzige so thatkräftige Natur, um hundert anderen Mnth zu machen und so gabs in Bnchsweiler in der kommenden Nacht in allen Häusern eine gewaltige Aufregung, von welcher die böse Bärbel allerdings keine Ahnung hatte.

Sie war's, die Herrn Jakob zu dem schlimmen Erlaß bewogen hatte und sie freute sich auf den kommenden Morgen, ließ auch um die zehnte Stunde ihren braunen Zelter satteln und ritt an der Spitze von einer Schaar bewaffneter Knechte hinab in's Städtchen, um die säumigen und widerspenstigen Weiber gewaltsam zu vertreiben, während Herr Ja­kob finsteren Blickes in seinem Gemache auf- und niederschritt und mit sich selbst und mit dem schö­nen Weibe grollte, das ihm die Liebe seiner Unter- thanen entzog.

In den Gassen von Bnchsweiler war's still, als ob Alles schon ausgezogen wäre; als aber die Knechte in die ersten Häuser traten, sahen sie über­all Mutter und Kinder beisammen sitzen, als ob kein Befehl zum Verlassen der Stadt gegeben wor­den. In jedem Hanse gab es Trotz und Widerstand und mit Gewalt mußten die Frauen heransgeführt werden und die weinenden Kinder kamen hinter­drein. Frau Bärbel sah finster drein und immer finsterer, je öfter dieselbe Seene sich wiederholte und als sie mit ihren Begleitern nach dem Markte einbog, schoß ihr die heiße Röthe ins Antlitz, denn hier war ihr mit einem Male der Weg verlegt und sie sah in die feindlichen Augen von Frau Kuni­gunde Bokelmann.

Dieselbe trug in der Rechten einen starken, eiche­nen Prügel und um sie her drängten sich wohl hundert Weiber und jedes von ihnen hatte eine Wehr in der Hand, wie der Augenblick und die Noth sie eben geliefert hatten: die Eine eine rostige Pike, die andere eine Axt, die dritte eine Heugabel, und andere ähnliche Gegenstände, wie sie meist sonst zur friedlichen Hantirnng bestimmt waren. Von allen Seiten kamen immer mehr Frauen heran und betroffen schaute die böse Bärbel auf den kampf­lustigen Hansen, aber nur einen Augenblick, dann schwoll ihr die Zornesader und sie gebot den Knechten:

Sprengt die tolle Bande auseinander und jagt sie hinaus zu ihren rebellischen Männern!"

Das war indeß schneller befohlen, als ausge­führt, denn wie der Führer der Knechte mit geho­bener Waffe Vordringen wollte, sauste der Knüttel, welchen Frau Kunigunde in der Hand hielt, ans seine Eisenhaube, daß sie rasselnd zu Boden fiel, und ein zweiter rascher Hieb ließ den kräftigen Mann