Die böse Bärbel.
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kam einen Schritt näher heran an Herrn Jakob und sprach dann mit seiner ruhigen, tiesen Stimme: „Verzeiht, Herr, wenn wir die Klage Eurer getreuen Stadt Bnchsweiler vor Euer Ohr bringen. Unerhörtes hat sich zngetragen, eine angesehene, ehrsame Frau ist an den Pranger gestellt worden um eines Wortes willen, das nicht Verleumdung, sondern Wahrheit ist —"
Hier fuhr die böse Bärbel ans, wie von einer Natter gestochen und wollte dazwischen reden, Herr Jakob verwies es ernst und ruhig:
„Laß den Mann zu Ende sprechen — ich will ihn hören und werde ihm sodann antworten!" — Sie ließ sich wieder ans den gepolsterten Sitz nieder und Herr Vobacher redete in seiner ruhigen Art weiter:
„Stellt in ich mit meinem grauen Kops an den Schandpfahl und die hier" — er deutete ans seine Begleiter -— „desgleichen, oder noch besser, stellt ganz Bnchsweiler hin, denn Frau Kunigunde hat nur das ausgesprochen, was die ganze Stadt denkt."
Das Angesicht Herrn Jakobs war wie in Blut getaucht, aber er preßte die Zähne fest aufeinander und hörte schweigend weiter zu, wie der Schultheiß fortfnhr:
„Herr, Ihr wisset, daß nur allzeit getreue und folgsame Unterthanen gewesen und Euch geliebt und verehrt haben als unfern guten Herrn. Bereitwillig hat Euer Ohr jederzeit unsere Klagen ange- hört und Eure Gerechtigkeit hat uns in unserem Recht geholfen. Wir mögen's nicht glauben, daß das anders geworden im Bnchsweiler Land. Recht und Schutz heischen wir von Euch, Herr, wie in alten Tagen, denn wir und unsere Weiber und Kinder werden unwürdig behandelt, wie wir es nicht gewohnt sind und wie es niemals Brauch war unter der Herrschaft der Lichtenberge. Ihr wißt, wie wir mit Euch getrauert haben in den Tagen der Trübsal, da Eure edle Gattin starb und wie wir uns freuten, als Ihr Euch aus Eurer Trübsal anfrafstet; damals haben wir dem Weibe an Eurer Seite gedankt und wir hätten es gesegnet, wenn es Euer Engel und der des Landes zugleich geworden wäre. Aber sie ward es nicht, wir seufzen und stöhnen unter ihrer harten Hand und rufen zu Euch: Herr, helft uns in unserer Noth! Seid unser Regent und Vater, wie Ihr es vordem gewesen und gebt das Regiment nicht in die Hand des fremden Weibes, auf daß Eure Uuter- thanen nicht anshören müssen, Euch zu segnen!"
Der alte Mann schwieg, Herr Jakob athmete tief auf, Bärbel aber war aufs Nene aufgesprungen und schrie in kreischendem Zorn:
„Das lüß'st Dn Dir gefallen an diesem Orte und von diesen — —"
„Ruhig, Weib!" gebot mit schwerem Ernst der Graf, dann wendete er sich zu den Männern:
„Ich werde Befehl geben, daß man die Bokel- mannin befreie, hoffe aber, daß sie nicht zum anderen Male sich ehrenrührig über die Gräfin äußere; will's auch keinem anderen in Bnchsweiler rathen, es zu vergessen, daß Frau Barbara mein Weib ist und Gehorsam fordern darf und Achtung. Ich habe Euch verwöhnt und bin zu gut gewesen, das macht Euch trntzig; — für heute sei's vergessen, kommt mir aber kein zweites Mal, um in mein Regiment oder in mein Hauswesen dreinzureden. Geht!"
Ein Schatten flog über die fünf Gesichter, welche sämmtlich ein wenig bleicher geworden, aber keiner der Männer erwiderte ein Wort; vor Herrn Jakob sich verneigend, verließen sie das Gemach und ein höhnisches Anflachen des bösen Weibes schallte hinter ihnen drein.
Schweigend gingen sie über den Schloßhof hinab nach der stillen Stadt, bis sie vor dem Schandpfahl stehen blieben, an dem noch immer Frau Kunigunde stand. Die Sonne schien ihr in's Antlitz, so daß sie die Augen gesenkt hielt, aber ihre Miene zeigte bewußte Freudigkeit. Herr Bokelmaun rief ihr zu:
„Dn wirst sogleich frei werden, Gundel!" und nun stellten sich die Fünf hart neben den Pranger und blieben hier stehen mit entblößten Häuptern, bis der Läufer des Grafen kam und den Befehl brachte, die Bestrafte loszngeben. Der Meister hob sein Weib herab von dem Gerüste und schlang um sie den Arm, Herr Ambrosius Vobacher mit dem goldenen Ehrenschmucke auf der Brust ging an ihrer anderen Seite und hinterdrein schritten die drei Rathsmannen. Aus allen Häusern aber kamen jetzt die Leute, Jung und Alt, und umdrängten mit fröhlichem Zuruf den Zug, so daß es den Knechten Herrn Jakobs bedüuken wollte, als ob das Prangerstehen in Buchsweiler zur Zeit die größte Ehre sei, die irgend Jemandem erwiesen werden konnte. Das meldeten sie auch auf dem Schlosse droben, so daß es binnen Kurzem auch Frau Bärbel zu Ohren kam und ihren Triumph einigermaßen dämpfte.
Die fünf Männer aber waren in Meister Bokel- mnnns Haus eingetreten, wo ihnen ein Labetrnnk vorgesetzt und wo eine ernste Berathung gepflogen ward, deren Ergebnis; noch am selben Abend offenbar werden sollte.
4 .
Das war ein eigenthümlich bewegter Tag in Buchsweiler Die Leute arbeiteten nicht, wie an einem Feiertage, aber sie standen auch nicht müssig im Gespräch auf den Gassen herum, nur da und
