Heft 
(1.1.2019) 08
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Anton Ghorn.

welcher sich auf- und zuklappen ließ. Das war der Schandpfahl, der Pranger von Bnchsweiler, und wer einmal hier oben gestanden mit dem eisernen Reifen um den Hals, durfte sich feiner völligen Ehrenhaftigkeit nicht rühmen.

Da hinüber führten die Knechte Frau Kuni­gunde, die, als sie dies Ziel gewahr ward, bestürzt und trotzig stehen blieb, während ihr eine heiße Blutwelle in das hübsche Gesicht schoß.

Sperrt Euch nicht unnütz, Frau Bokelmann, es hilft Euch nicht, Ihr müßt einmal bis zum Mittaggebetlänten Euch da oben zur Schau stellen, wir wollen Euch auch getreuliche Gesellschaft leisten!"

So sagte der Führer der Knechte und wollte eben die junge Meisterin am Arme erfassen, da kamen schnelle Schritte über den Markt her und die vier Gesellen des Herrn Bokelmann, mit dem Arbeitsschurz angethan, das Hemd an den sehnigen braunen Armen hinaufgestrichen, eilten heran.

Unsere Meisterin an den Pranger?" schrie der riesenhafte Altgeselleda müssen wir zuvörderst auch dabei sein. So lang sich diese acht Fäuste noch rühren können, hat's keine Noth. Platz da, ihr vier Kumpane, oder der Teufel soll Euch auf Eure rostigen Blechhauben fahren."

Hoho, Geselle laß er uns unsere Pflicht thun, sonst kitzeln wir ihm die Rippen mit unseren Piken 's ist des gnädigen Herrn Grafen Be­fehl" entgegnete der Landsknecht.

Was geht uns Euer Graf an- wir sind sämmtlich keine Buchsweiler Kinder-"

Und im nächsten Augenblicke wären die Män­ner handgemein geworden, wenn nicht Frau Kuni­gunde jetzt all ihre Besonnenheit wiedererlangt hätte. Sie sprach gebietend zu dein Altgesellen:

Laß sein, Velten! Ich dank' Euch. Suche Einer von Euch den Meister ans, der wird schon wissen, was er zu thun hat. Ich aber will mich da hinauf stellen und verhoffe, daß von der Stund ab das Prangerstehen als eine Ehre gelten soll in Buchsweiler und daß es wohl auch der ganzen Stadt zu Nutz gereichen werde!"

Sie sprach's und ging festen Fußes die Stufen hinan, ließ sich den Halsring umlegen und auch, freilich mit tiefem Erröthen, den Lüsterstein an- hängen, mit dem lose Mäuler, die andrer Leute Ehre abschnitten, sonsten bestraft wurden.

Verdutzt sahen's die Gesellen mit an, sahen auch noch, wie die Knechte mit höhnischen Geber­den sich an den vier Seiten des Prangers auf­stellten, und dann gingen sie allzusammen, um Meister Bokelmann aufzusnchen.

Auf dem Markte aber ward's tiesstille; kein Mensch zeigte sich selbst an den Fenstern, ja in vielen Häusern waren sie verhängt und nicht ein­mal die Kinder kamen in jener Vormittagsstnnde

auf den Markt, wo sie gewöhnlich spielten. Dafür aber waren alle Gemüther ans das Höchste erregt und Jeder, der von der Angelegenheit hörte, wußte auch, daß etwas geschehen müsse, um die Schmach zu sühnen, die allen ehrsamen Bürgersfranen von Bnchsweiler in Frau Kunigunde Bokelmann zuge- fügt war.

Diese aber hatte noch kein Stündlein an dem Pranger gestanden, stolz, als ob ihr eine seltene Auszeichnung zu Theil geworden, als von ihrem Hause her fünf Männer kamen im dunklen Festge- wande, darunter auch Herr Bokelmann und an der Spitze der vier Rathsmannen schritt Herr Ambro­sius Vobacher, die goldene Schaumünze des Stadt- schnltheißen auf der Brust. Sie kamen hart Heran an den Schandpfahl, entblößten ihre Häupter und neigten sich tief zum Gruß vor Frau Kunigunde, deren Gesicht jetzt erst recht von Hellem Stolze leuchtete, denn solche Ehre war noch Keinem wider­fahren, der jemals hier oben gestanden, und Meister Bokelmann rief ihr zu:

Trag's ruhig, Gundel, wir wollen Dir und uns schon Recht schaffen!"

Und die Fünf schritten weiter nach dem Schlosse zu, die vier Knechte aber machten trntzige Gesichter und es dänchte ihnen beinahe, als ob sie selber zu ihrer Schande an den Pranger gestellt wären.

An demselbigen Tage war Herr Jakob von Lichtenberg sichtlich verstimmt, denn es war ihm bei seiner gewohnten Herzensgüte doch unbehaglich, daß die Frau eines angesehenen und erbgesessenen Bürgers und Rathsmannes von Buchsweiler am Schandpfahl stehen sollte und er hatte nur nach den zärtlichsten Liebkosungen seines Weibes deren Drängen nachgegeben. Auch jetzt war sie bemüht, den Ernst, der auf seinem Angesichte lag, zu ver­wischen und sie hielt ihn warm umfangen, preßte ihren Kopf an seine Brust und liebkoste ihm die Wange und den grauen Bart, so daß er endlich lächelnd zu ihr niederschaute und sie ans die blitzen­den Augen küßte.

Da meldete der Diener die vier Rathsmannen mit Herrn Ambrosius Vobacher. Ueber Herrn Ja­kobs ehrliches Gesicht zuckte eine warme Röthe, eine Sekunde lang dachte er daran, sie abzuweisen, denn er ahnte, weshalb sie kamen, dann aber überwog seine Leutseligkeit, er drängte die schöne Bärbel sanft von sich und hieß sie in einer Ecke des Ge­maches sich niederlassen; hierauf gebot er, die Män­ner vorzuführen.

Sie traten ein, tiefen Ernst ans den Gesichtern und beugten sich ehrfürchtig vor dem Grafen, wäh­rend keiner von ihnen nach dessen Ehegemahl hin­sah oder sie gar eines Grußes würdigte, so daß der Frau Barbara die Röthe vor Entrüstung in die Wangen stieg. Der alte Ambrosius Vobacher