Heft 
(1.1.2019) 08
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Die böse Bärbel.

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erreichte und wie sie dieselbe hinter sich zuschlug, zwei neugierigen alten Muhmen just vor den Nasen, da war's auch mit ihrer Kraft und ihrem Muthe völlig zu Ende und es war gut, daß Herr Bokel- maun sie in seinen Armen ausfiug. An seiner Brust aber schluchzte das junge Weib wie aus tiefster Seele heraus nur das eine Wort:

Die böse Bärbel!"

3 .

Die böse Bärbel! So hieß sie schon nach we­nigen Wochen in ganz Buchsweiler und die Leute wichen ihr auf den Gassen aus und grüßten selbst Herrn Jakob nicht mehr so freundlich-ehrfürchtig wie zuvor. Der Hochmuthsteufel war der schönen Dirne aus dem Utteuheimer Heidehos in den Leib gefahren, saß darin fest und stachelte das Weib, dessen erster Knecht der alternde Gemahl selbst war, tagtäglich zu neuer Bosheit und Härte, und wenn die ehrsamen Buchsweiler Bürgersfrauen beisammen saßen, schalten sie aus wahrem Herzensbedürfniß und suchten sich nach altem Brauch damit den schweren Sinn zu erleichtern.

Es that ihnen auch wahrlich Noth, denn daß wußten sich die Aeltesten unter ihnen nicht zu ent­sinnen, daß eine wirkliche hochgeborene Gräfin von Lichtenberg ihnen Steuer und Frohndienste auf­erlegt hätte, wie jetzt dies fremde, hochmüthige Weib that, denn sie forderte eine Steuer von Garn und Milch und welche keine Kuh im Stalle und keinen Flachs auf dem Felde hatte, die mußte in jeder Woche einige Tage für sie in hartem Dienst arbeiten und erhielt statt des Lohnes Scheltworte und anstatt guter Nahrung Mißhandlung.

So waren die Weiber in Buchsweilcr erbittert und unmuthig und die Männer waren es um ihret­halben mit. Das dauerte so lange, bis endlich ein Funke in das gefüllte Pulverfaß fiel und die Herrlichkeit der bösen Bärbel in Scherben ge­schlagen wurde. Und dieser Funke kam von Frau Kunigunde Bokelmann.

Es war wieder einmal ein Tag gewesen, an welchem die ärmeren Frauen aus dem Schlosse arbeiten mußten und da es Abend wurde und man im Hause Herrn Bokelmanns eben Feierabend machte, weil die Vesperglocke vom Kirchthurm klang, trat die Frau des Meisters mit ihrem Büblein vor die Thür hinaus, um ein wenig Lust zu schöpfen.

Da kam über den Markt her ein schon bejahrtes Weib, dem die grauen Haare um das blasse, ängst­liche Gesicht flatterten und bei dem raschen Laufe wankten ihre Füße, als ob sie trunken wäre, und endlich brach sie mitten auf dem Platze zusammen. Aus allen Häusern liefen die Leute heran und

drängten sich um das Weib, das alle kannten als die ehrsame Wittwe eines blutarmen Schuhflickers, und mitleidige Seelen brachten kräftige Essenzen und stärkende Tropfen. Und während man ihr damit behülflich war, ging es mit einem unheim­lichen Murmeln von Mund zu Mund:

Die böse Bärbel hat sie hungern und prügeln lassen, weil sie krank ist und nicht arbeiten kann wollt' sie auch in's Gesängniß werfen, aber sie sei flüchtig geworden und wolle sich eher ein Leid anthun, als ihrer Peinigern: wieder in die Hand fallen."

Frau Kunigunde mit ihrem Knäblein war auch herangekommen und als sie das Alles hörte, schwoll ihr das Herz und in ihren: Unmuthe schrie sie laut, daß männiglich es verstehen konnte:

Der Büttel müßte das arge Weibsbild, das eine Schande für ganz Buchsweiler ist, mit dem Staupbesen aus der Stadt hinausfegen!" fügte auch wohl noch einen anderen Ehrentitel der Frau Barbara bei und das Alles just in dem Augenblicke, als der welsche Läufer mit seinem hämischen gelben Gesichte vorüberschritt, der die ganze Sache brühwarm seiner Herrin hinterbrachte.

Frau Kunigunde war indeß nicht die Person, die darob schlecht geschlafen hätte; sie hatte der Schnsterswittwe ein kräftig Labsal und einen reichen Zehrpfennig gegeben, auch durch einen Gesellen sie aus der Stadt bringen lassen und nach Uttenheim an ihre Verwandten verwiesen und hatte so ein recht gut Gewissen als Ruhekissen, dachte auch am anderen Morgen nicht mehr daran, daß sie der Stimmung der Bnchsweiler Frauen zu laut und zu energisch Ausdruck gegeben und war darob nicht wenig erstaunt, als bald nach dem Morgenbrod, als eben Herr Bokelmann in einer Geschäftssache das Haus verlassen hatte, vier bewaffnete Knechte bei ihr eintraten und der Anführer derselben sie anf- forderte, ihnen im Namen des Grafen vor: Lichtcn- herg zu folgen.

Als sie fragte, wohin man sie führen wolle, ward sie bedeutet, nur wenige Schritte weit und obgleich sie nicht verstand, was das heißen solle, ging sie mit, so wie sie eben im Hausanzuge war, nachdem sie ihr Büblein geküßt und dem verwun­derten Altgesellen zugerufen, was er dem Meister mittheilen solle.

Die Gesellen aber traten alle neugierig in die Thüre und ar: den Fenstern auf dem Markte er­schienen alte und junge Köpfe und sahen dem kleinen seltsamen Zuge nach.

Jenseit des Marktes vor dem Rathhanse war eine kleine ummauerte Erhöhung, zu welcher einige Stufen hinaufführten. Auf derselben stand ein wetter­gebräunter Pfahl und an diesem befand sich ein verschiebbarer Eisenring von etwa zwei Zoll Breite,