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R. Tenge.
Man hat Ludwig despotisch genannt: eigenwillig war er gewiß, doch nicht so herrischer und gewalt- thätiger Natur, wie es groß veranlagte, mit Leidenschaft ihren Zwecken nachgehende Staatsmänner zu sein pflegen. Seine Künstler wissen es am besten: oft stritt er mit ihnen hartnäckig; nicht selten zeigte der Erfolg, daß er Recht hatte, in anderen Fällen kehrte der aufgebracht Fortgegangene wieder und bekannte: „Sie haben Recht, ich hatte Unrecht!" Bei jedem wichtigen Gesetze machte er die fragende Bemerkung, ob nicht bestehende Rechte Anderer dadurch verletzt würden? — Auf seine königlichen Würden und Ehren hielt er mit Eifersucht, wo etwas darauf ankam; sonst ist er bekannt wegen seines einfachen, fast schäbigen Auftretens und der unscheinbaren, bürgerlichen Art, wie er umherging und, in der Stille Menschenliebe übte. Als er in der Umgegend von Rom den von Athen zurückgekehrten General Heidecker in einer Gesellschaft traf und in der Abendkühle, die dem heißen Tage folgte, alle beim Heimfahren nach den Ueberziehern und Mänteln griffen, bemerkte Ludwig, daß Heidecker nicht mit einem solchen Schutzmittel versehen war; sofort legte er seinen Ueberzieher ab, sprang aus dem Wagen und nahm Heidecker mit den Worten beim Arm: „Wir beide gehen zu Fuß heim, da verkälten wir uns nicht!" Sagt das nicht mehr als manche Wohlthat, die eine gelegentlich belauschte Noth ihm ablockte? — Ueber seine Sitten ist oft zweifelnd gelächelt worden. Daß er der Schönheit huldigte, weiß man von ihm selbst aus seinem römischen Aufenthalte, wo ein Jesuitenpater bei der Beichte streng mit ihm wegen eines Cicisbeo-Ver- hältnisscs zu einer edlen Italienerin in's Gericht ging; spitzfindige Leute meinen, daß er deshalb und nicht wegen ihrer politischen Neigungen als König gegen die Gesellschaft Jesu gewesen sei. Man verweist wohl auch auf sein Schönheiteu-Cabinet: die Mehrzahl der darin aufgenommenen Personen sind an sich selbst ein Beweis, daß Ludwig nur der Blüthe der Münchener Frauenwelt eine künstlerische Huldigung darbrachte. Doch Lola Montez? Ludwig selbst bekennt, daß diese Abenteuerin mit dem Zauber einer elementaren Gewalt auf ihn eingewirkt hat und der Mißbrauch, den dieselbe mit dem mehr an sich gerissenen, als gewährten Einflüsse trieb, hat ihn zum einzigen Male mit seinen Ministern, der Universität und der Münchener Bürgerschaft in ernsthaften Conflikt gebracht. Sollen wir aber dem sonst so aufrichtigen Manne nicht Glauben beimessen, wenn er hetheuert, daß er die angebliche Spanierin nur als eine schöne Freundin gekannt, daß er seiner Gemahlin Therese, dem Muster edler Weiblichkeit, die Treue nie gebrochen?
Doch das sind persönliche Fragen, welche nur
au deu Lebenden hafteten, die Zeit hat den Staub derselben von der geschichtlichen Erscheinung dieses Fürsten hinweggespült; gleichwohl mag der Sturm, den die Lola-Katastrophe austrieb, nicht ohne Einfluß auf den kurz danach von Ludwig gefaßten Entschluß, die Krone niederzulegen, gewesen sein. Die Aufregung zitterte noch nach, als die Februar- Revolution von Paris ihre tosenden Wellen durch Europa trieb; es kam in München zu stürmischen Forderungen und Ausschreitungen; Ludwig bewilligte am 5. März 1848 die bekaunten Märzforderungen und ein neues Ministerium; der Jubel, der ihn bei einer feierlichen Umfahrt am 14. begrüßte, schien herzliche Aussöhnung zu bedeuten, aber ganz unerwartet erklärte Ludwig am 20. seine Abdankung: „Eine neue Richtung hat begonnen, eine andere als die in der Verfassungsurkunde enthaltene, mit der ich nun in's 23. Jahr geherrscht.. . Auch vom Throne herabgestiegen, schlägt glühend mein Herz für Bayern, für Deutschland." Und daß es auch für München glühte, bewies er durch die Anordnung des Baues der Propyläen am nachfolgenden Tage. Ehrlich bekennend, daß er das Königthum anders verstand, als die wogende Zeit es wollte, trat er von der Herrschaft zurück. „Nicht durch Krankheit gebrochen, nicht durch Vereitelung seiner Unternehmungen entmuthigt, in der vollen unversehrten Kraft seines Leibes und Geistes faßte er den Entschluß und hat ihn nie bereuet, nie auch nur einen Versuch gemacht in den Gang der Regierung irgendwie wieder einzugreifen. Alle Fürsten, welche der Herrschaft entsagten, zogen sich in die Abgeschiedenheit zurück, sie ertrugen es nicht, machtlos unter denen zu wandeln, die früher ihnen gehorcht hatten^; Ludwig dagegen ist in der Hauptstadt geblieben, in welcher er 22 Jahre als Alleinherrscher gewaltet hatte, ist täglich in freundliche, vertrauliche, theilnehmende Berührung mit Personen aus allen Ständen getreten; wo er immer gesehen wurde, haben ihn alle Zeichen der Verehrung und Volkslieds umgeben, Jeder hat sich gefreut ihm zu begegnen, ein Blick, ein Wort, ein Erkennungszeichen von ihm zu empfangen, und kein Fremder hätte es ahnen können, daß dieser Gegenstand der allgemeinen Ehrfurcht und Huldigung nicht mehr Herrscher sei." Brauchen wir diesen Worten des Historikers Dölliuger etwas hiuzuzusetzen, als daß der letzte Hauch des verscheidenden Fürsten ein Gruß an sein liebes München war? Die segensreichen Folgen, welche sich an die Schöpfungen Lud- wig's für München insbesondere knüpfen, nur anzudeuten, würde einen weiteren Raum erfordern, als hier gestattet ist; aber ist es denn nothwendig? ist nicht die große, schöne, reiche Stadt ein Zeug- niß derselben? Die Steine reden; die Tempel, die Kunsthallcn, die Bildsäulen, der gesammte Schmuck,