Heft 
(1.1.2019) 09
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Die gestörte Ludwigs-Feier in München.

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die Freskomalerei mußte dem Münchener Material und Klima angepaßt, die Glasmalerei und die Erzgießerei sozusagen neu erfunden, selbst die stets geübte Porzellanmalerei gründlich umgestaltct wer­den. Nicht minder gehörte die einsichtige Weise dazu, wie Ludwig den Grundplan des neu zu er­bauenden München regelte; er setzte seine Bau­werke in so weiser Vertheilung in die öde Gemar­kung, daß sie zwar in Zusammenhang stehen, jedoch nur als Grundsäulen der künftigen Straßenent­wickelung dienten, überall belebend, nirgends eine Aufhäufung oder Ueberladung bildend. In der langen Ludwigsstraße zwischen dem Siegesthor und der Feldherrenhalle ist die Ludwigskirche das ein­zige Bauwerk, zu dem köuigliche Gelder beitrugen, die Universität, die herrliche Staatsbibliothek, das schöne Blindeninstitut, das Salinengebäude, das Kriegsministerium, das Odeon, welche neben ande­ren Palästen und herrschaftlichen Gebäuden prangen, sind nur nach den Angaben Ludwig's, allein mit öffentlichen und vacant gewordenen Stiftungsgeldern errichtet. Diese und andere Bauwerke entsprangen nicht der Laune, sich iu der Residenz eine prächtige Umgebung zu schaffen, sondern dem Bedürfnisse: durch die Vereinigung der bayerischen Lande, die Erhebung Bayerns znm Königreich und seine Ver­größerung waren Räumlichkeiten für die vermehrten Regierungsgeschäfte nothwendig geworden. Die Verlegung der Universität, die trotz großer Ver­wendungen für sie in Landshut, wohin sie aus Ingolstadt der Raufereien zwischen Militär und Studenten wegen übertragen war, ohne dort nach Ludwig's eigener studentischer Erfahrung einen edleren Geist anzunehmen, war eine Wohlthat für München und die Hochschule selbst, denn diese schöpfte aus der Verbindung mit der, 1808 durch die Akademie der bildenden Künste erweiterten Aka­demie der Wissenschaften und deren reichen Samm­lungen, durch die Berufung großer Gelehrten und die freien Einrichtungen, die Ludwig ihr gab, Kraft zu einem Aufschwünge, der sie in erste Reihe unter den gelehrten Anstalten Deutschlands stellte. Auch zu der später hinzugekommenen Technischen Hoch­schule legte Ludwig den Grund, indem er in Mün­chen, wie auch in Nürnberg und Würzburg, poly­technische, sonst überall landwirthschaftliche und Gewerbeschulen errichtete, und die Gymnasien er­löste er von der verknöchernden Buchstabengelahrt­heit, indem er dem Körper sein Recht zur Ent­wickelung angedeihen ließ und zur Einführung des Turnens den in Preußen mißliebig angesehenen Maßmann berief. Er wollte tüchtige, unterrichtete Beamte und Lehrer haben, aber sie sollten auch gesund und rüstig sein; ihm schwebte zum Schutze des Landes die allgemeine Wehrfähigkeit vor, der Einrichtung ähnlich wie sie in der Schweiz bestand

und für welche mau damals allgemeiu in Süd­deutschland eingenommen war. Das sind ernsthafte, aufrichtige Bestrebungen gewesen, welche die An­erkennung verdienten, durch welche die Universität Göttingen am 31. October 1853 Ludwig ehrte, indem sie ihn, zur Erinnerung an seine Immatri­kulation an der Georgia Augusta vor fünfzig Jah­ren, zum Doctor der Philosophie und Magister der freien Künste ernannte, weil nie Jemand auf dem Throne mehr für die Pflege der Wissenschaften und Künste und zum Ruhme des gemeinschaftlichen Vaterlandes gewirkt habe.

Ob so große Verdienste nicht durch ebenso große Fehler und Schwächen ausgewogen wurden? Lud­wig selbst hat nie Anspruch darauf gemacht als ein Musterbild oder ein Heiliger zu erscheinen. Er war sparsam, weil er in seiner Jugend zu ein­fachem Leben und Entbehrungen angehalten wor­den, er war es für seine Person und forderte es von allen Verwaltungsstellen seines Reiches, viel­leicht mehr als hier und da gut war, allein nur um Mittel zu anderen gemeinnützigen Unterneh­mungen zu bekommen; fast der einzige Hader mit seinen Landstünden war der von 1839 bis zu sei­ner Abdankung währende Streit, ob die Negierung über die Verwendung der erzielten Erübrigungen zu bestimmen habe oder die Landesvertretung. Von sich konnte er mit allem Fug behaupten, daß er mit dem Staatsgute gewissenhaft wie der Bürger eines Freistaates gewaltet habe. Er ist übrigens von einsichtigen Personen nur in einem Falle in den Verdacht genommen, nicht leichtfertig, sondern nur uuvorsichtig mit dem Staatscredite umgegan­gen zu sein, nämlich wegen des Darlehns von 1i/g Million Gulden, womit er die Griechen unter­stützte. Es ergab sich aber, daß er persönlich diese von den Hellenen in's Buch der Vergessenheit ge­schriebene Schuld, sowie die darauf fälligen Zinsen im Belaufe von 290,000 Gulden, zurückgezahlt hat und den Zweiflern ist vor wenigen Jahren die Gewißheit hierüber durch den deutschen Reichs­kanzler vor Augen geführt, der das Ehrgefühl der Griechen anfaßte, so daß die Schuld an die testa­mentarisch bestimmten Erben Ludwig's entrichtet wurde. Die, durch die klassischen Studien geweckte, durch den trüben Zustand, den Deutschland lange darbot, gesteigerte Begeisterung für den Freiheits­kamps der Hellenen hat Ludwig, der dabei nicht denken konnte, daß sein zweiter Sohn Otto auf den griechischen Thron berufen würde, mit schweren Opfern bezahlt; es mag wohl, wie sein Leichen­redner Haneberg sagte, eine Zeit kommen, da der gebildete, über die Blüthe seines Vaterlandes glück­liche Hellene zum Sarkophag Ludwig's iu der Ba­silika an der Isar dankbar wallfahren wird.

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