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vr. ilieä. Hermann Ulencke.
„Du kannst es!" rief Leonie. „Wenn Du nur willst!"
„Leonie, meine Leonie! Auch Du verzeihst mir?"
„Alles, alles! Trage doch auch ich einen Theil der Schuld!"
„Und Du liebst mich?"
„Kountest Du daran zweifeln, Conrad?"
Stürmisch riß Conrad das schöne, junge Weib an feine Brust.
„Vater!" rief er, und wollte zu den Füßen Bronker's niedersinken; dieser aber fing ihn auf und zog ihn mit Leonie sanft an sein Herz.
„Nimm mich wieder an als Deinen Sohn," sagte Conrad. „Ich habe viel erstrebt und viel geirrt, ich habe nach dem Glück gerungen und es nicht erreicht; ich wußte nicht, wo es zu suchen war."
„Und jetzt, Conrad?" flüsterte Leonie.
„Jetzt weiß ich es," sagte er glücklich, „es liegt am Herzen meines Weibes, in den Armen meines Vaters —"
„Und in der Gemeinschaft mit Deinen Freunden," ergänzte der Vater.
„Und das Amt? die Politik?" fragte Leonie.
„Es wird mir anfänglich wohl sauer werden, beide zu vermissen," sagte Conrad lächelnd, „aber ich werde mich darein finden."
„In Feldingen giebt es auch fruchtbringende Thätigkeit," bemerkte Bronker.
„Gewiß, Vater," entgegneteConrad, „aberdorthin gehe ich nicht. Gestürzte Staatsmänner reisen zuerst immer nach dem Süden, und dahin will auch ich, wenn es meiner lieben Leonie recht ist. Und wenn Herr und Frau Doctvr Falk uns begleiten wollen —"
„Dann bleibe ich daheim und verwalte Eure Häuser," sagte Brouker, „und wenn Ihr zurück- kvmmt, verleben wir alle zusammen den Rest des Sommers in Schloß Feldingen."
„Das wird nicht angehen," entgegnete Conrad, „denn die Verluste, die ich erlitten habe, zwingen mich, das Gut wieder zu verkaufen. Meta's Verwandte wollten schon vor längerer Zeit Feldingen znrückerwerben; jetzt können sie es bekommen, und wenn meine Jugeudgespielin wieder in dem Schlosse ihrer Ahnen leben darf, wird sie, wie ich glaube, mit mir zufrieden sein, und die Erfüllung ihres Wunsches wird mir Freude bereiten. Ich habe Euch allen manchen Schmerz und vielen Kummer verursacht, laßt mich jetzt versuchen, auch einmal Glück und Zufriedenheit zu verbreiten, wie ich beides durch Eure Liebe gefunden habe. Ich habe den kühnen Flug zur Sonnenhöhe des Lebens gewagt; ich glaube, ich habe sie heute erreicht."
Conrad schwieg, und Gattin und Vater erwiderten nichts. Lautlose Stille herrschte in dem weiten Gemach, welches zum ersten Male drei glückliche Menschen umschloß.
Irrsmn mlö Irrmärstr.
Von vr. inml. Hermann Kleinste.
/^^ioethe hat in einem kleineil Singspiel: Der Triumph der Empfindsamkeit, einen Prinzen gezeichnet; den empfindsamsten Mann von allen Männern, der für die Schönheiten der Natur ein gefühlvolles Herz trägt, der Rang und Hoheit nicht so sehr schätzt, als den zärtlichen Umgang mit der Natur. Da nun aber, wenn mail in himmlischen Entzückungen aufgefahren ist, Einen in der Natur- lind Menschenwelt das leidige Geziefer mit seinen Stacheln und krabblichen Füßen gleich wieder an die Sterblichkeit erinnert, so hat der Prinz den Entschluß gefaßt, durch tüchtige Künstler sich eine Welt in der Stube zu verschaffen. Sein Schloß ist daher auf die angenehmste Weise ausgeziert, feine Zimmer gleichen Lauben, seine Kabinette Grotten und dabei alle Bequemlichkeiten, die Stahlfedern
und Refforts nur geben können. Wie null der Prinz in jedem Lustschloß seine Natur hat, so hat er auch eine Reisenatur, die er auf seinen Zügen überall mit herumführt. Dazu ist in dem Hofetat ein besonderer Dirsolonr cko ln ug-tmrs, ein Naturmeister allgestellt. In dem einen Kasten werden sprudelnde Quellen mitgesührt, in dem andern ist der lieblichste Gesang der Vögel verborgen, in einem ist Mondschein eingepackt n. In der Mitte dieser künstlichen Natur aber ist eine Laube mit einer Puppe, die der Prinz als sein Ideal verehrt. Als durch eine eigenthümliche Complication der Umstände das Weib, dessen Ebenbild jene Puppe ist, sich heimlich statt der Puppe, leiblich selbst in die Laube setzt, verschmäht sie der Prinz und reicht gerührt feiner Puppe die Hand zum ewigen Bündniß.