Heft 
(1.1.2019) 09
Seite
417
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Vergebens sucht Ihr mich durch Eure Schönheit, durch Euer einschmeichelndes Wesen abzuziehen, von den Gedanken wegzuwenden, die ich immer mit den Armen meiner Seele umschlungen halte. Fahrt wohl, Ihr sterblichen Mädchen. Das Unsterbliche umschwebt meine Stirne und die Geister steigen herab, meine Wohnung zu beleben und mein Herz zu beseligen."

Was wird nun aus diesem Prinzen, der sich aus der Menschenwelt in Theaterdeeoration rettet und die Umarmung eines blühenden Weibes flieht, um eine Puppe anzubeten, die ganz, wie er meint, in Sympathie sür ihn geschaffen ist. Wie ist die Genuithsstimmung und Lebensauffassung eines jungen, schönen, begabten, hochgestellten Mannes zu erklären, der sich immer mehr in Menschenhaß hineinlebt, vor den Menschen wie wilden Thieren flieht, und sagt: Gesegnet seist Du, liebe Einsamkeit!?

Aus äußeren Umständen und Schicksalen allein gewiß nicht. Wenn ein Mann oder Greis, der mit liebevollem Gemnthe die Welt umfassen wollte und dafür schweren Undank geerntet, der seine liebsten Hoffnungen zu Grabe hat tragen müssen, dem das Schicksal seine Lieben geraubt hat und der krank und gebrochen nicht mehr die Kraft hat zum Kampfe mit der Welt, wenn der sich in die Einsamkeit zurückzieht, so begreift man das leicht, aber wenn ein Jüngling oder junger Mann nach dem erstell Kampfanprall mit der Welt auf immer sich der Welt verschließt, so schließt man ans eine besondere Charakteranlage, auf krankhafte Gemüthsstimmung. Wenn ein Denker oder Künstler die Einsamkeit auf­sucht und die Eitelkeit der Welt verschmäht, um seine Ideale zu gestalten, so muß die Welt ihm dankbar sein, weil er sie mit Werken beschenkt, die der Menschheit erst ihre Würde sichern und ihr helfen auf dem schwierigen Pfade zu höheren Cul- turstufen, wenn aber eineschöne Seele" ans Angst durch Handlung die Reinheit des Wesens zu be­flecken sich der Welt entzieht, lim nur in süßen Ge­fühlen und hoher Poesie zu schwelgeu, so ist diese schöne Seele" in großer Gefahr auf Abwege zu gerathen, sich in's Unfaßbare und schwindelnde Un­endlichkeit zu verlieren und an den Schranken, die der Menschheit gezogen sind, unterzugehen.

Uni gesund zu bleiben braucht der Mensch ir­gend eine Objectivirung seines Seelenlebens nach außen, muß sich entweder im praktischen Leben be- thätigen oder ein wissenschaftliches oder künstleri­sches Werk schaffen. Das bloße Genießen der Poesie und hoher Ideale verweichlicht und stört das Gleich­gewicht der Seele. In den Irrenanstalten kann man viele solcher Naturen finden, bei denen die Reizbarkeit und Aufnahmefähigkeit nicht in Gleich­gewicht stand mit der Widerstandskraft gegen die Welt und der schöpferischen Kraft. Sie stecken sich

im Bewußtsein ihrer Anlagen und in Ahnung eines schönen Ideals zu hohe Ziele, können aber den Kampf mit der Welt nicht ausfechten und verlieren so zuletzt den Halt und die Besonnenheit. Weiter­hin ist es die Aufgabe der echten Poesie nicht so­wohl im Bruche und Zwist mit der Gegenwart zu stehen oder ein poetisches Leben dem prosaischen Alltagsleben gegenüberzustellen, sondern das All­tagsleben mit seinen kleinlichen Sorgen, Mühsalen, Feindschaften, Verdruß, Verzweiflung zu verklären, aus dem täglichen Leben selbst die Poesie heraus­zulesen und so die Menschen zu trösten und zu er­heben. Gerade an der falschen Poesie, welche uner­reichbare Ideale aufstellt und statt die Harmonie der Menschenseele herzustellen, einseitig die Seele überspannt in weinerlicher Sentimentalität, oder überzarter Reizbarkeit oder forcirter Kraft, sind schon so und soviele im Grunde edle und begabte Na­turen zu Grunde gegangen, man denke an Hölder­lin, Kleist, Grabbe aus neuerer Zeit. Ich glaube, es ist geradezu ein Krankheitsstofs, der in der Mischung der germanischen Race liegt und immer wieder Hamlete und Wertster erzeugt, Leute bei denen das Denken oder das Gefühl die Willenskraft lähmt und die so an dem Ueberwuchern dieser Ein­seitigkeit zu Grunde gehen.

Es ist ja gewiß wahr, es gehört ein groß Theil Dickhäutigkeit und robuster Seele dazu, um gleich- müthig durchs Leben zu gehen und seinen Lebeus- muth zu bewahren, namentlich in unsrer Zeit des rohen Mammonismus und teuflischen Egoismus, es ist gewiß auch wahr, daß viele feine und edle Naturen, die tief und innerlich veranlagt sind, durch die'Welt in die Gemeinheit herabgezerrt und zu Grunde gerichtet werden, daß sie umsomehr den höhnischen Widerstand der Welt empfinden müssen und um so schmerzlicher den Contrast der Wirk­lichkeit fühlen müssen, je hingebender sie ihre idealen Ziele verfolgen, ja daß es unendlich schwer ist in Berührung mit der Welt noch ein vornehmer Geist mit Freudigkeit zum Kampfe zu bleiben, aber dem steht gegenüber, daß man in richtiger Selbster- kenntniß seine Kräfte schätzen lernen soll und keinen Kampf ausnehmen, den man nicht ausfechten kann, daß man entweder sich der Welt anpassen oder sie zu seinem Ideale heranziehen muß. Gerade weil sie so gemein ist, gerade deswegen haben wir ja eine gewaltige Aufgabe. Es ist nun aber Erfahrung, daß gerade aus nervös belasteten Familien, in denen also Nervenkrankheit, Trunksucht, schlimme Leiden­schaften vorgekommen sind, solche zarte geistige, fast überirdisch seelische Naturen Vorkommen in gleichem Maße, wie körperlich reizende süße Zartheit bei schwindsüchtiger Anlage oft uns auffällt. Durch ihre Liebenswürdigkeit, schnelle Auffassung, guten Witz, ihr ganzes durchgeistigtes Wesen nehmen solche