Heft 
(1.1.2019) 10
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Im Nahethal bei Oberstem.

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ihn der sehnlichst herbei gewünschte Tod. Von Je­rusalem kehrt er heim zur Nahe und betet fromm im Kloster Disibodenberg. Hier ruht Bertha, welche in Betrübniß dahingeschieden. Verloren ist für immer der Preis seiner Unthat, und nachdem er dem Abt des Klosters seinen Frevel gebeichtet, er­mahnt ihn dieser: zur Sühne der schweren Schuld den Fels der seinem Bruder den Tod gebracht, durch Errichtung einer Kirche dem Herrn zu weihen. Und Tag und Nacht unter Beten und Kasteiung arbeitet Wyrich mit eigenen Händen in dem harten Gesteine.

Er hämmert fleißig den Tag und die Nächte lind sank ihm ermattet die nervige Rechte,

Du büßest, gedacht er, den Brudermord Und hämmerte wieder und hämmerte fort."

Und als sich die Höhlung nach und nach zur Kirche gestaltet, läßt er in dem Raume täglich dem Andenken des Bruders eilt Meßopfer bringen. Die Ueberreste des Ermordeten wurden am Tage der Einweihung, in einer Gruft unter dem Altar beigesetzt:

Und in der Höhlung weitern Schatten Da ragte bald ein Christusbild,

Und eh' ein halbes Jahr vergangen,

Sah' man das Kirchlein droben prangen.

Doch als zum ersten Festvereine Hinaus das Volk in Schaaren lief,

Da lag er still im Kerzenscheine Des reichen Hochaltars und schlief,

Und als der Diener der Gemeine Ihn dreimal sanft bei'm Namen ries,

Da war in sehnendem Verlangen Er schon zum Bruder heimgegangen."

G. Pfarrius.

Und beide Brüder umfaßt nun droben ein ge­meinsames Grab. Nach den Inschriften der Grab­male waren die Brüder den Wildgrafen verwandt. Simrock hörte diese jedenfalls sinnige Sage, von den: Küster der Kirche eines Tages weniger tragisch und ernst erzählen. Da diese andere Lesart in­dessen darthut, wie Sagen entstehen können, so wollen wir auch diese den freundlichen Lesern nicht vorenthalten. Der Küster erklärte:Der eine Bru­der konnte die Katzen nicht leiden, der andere steckte ihm einen alten Kater in eitlen Stiesel, der grau­sam kreischte und spanchte, als der Gras mit dein Bein hineinfuhr, und das war die Ursache," daß Wyrich den Emich übrigens Namen die dein Grafengeschlecht tätige Zeit eigen von den Zinnen der Burg hinabstürzte. Und diese wunder­same Katergeschichte hat, so wenig Poetisch der Stoff auch scheint, Simrock in trefflichen Versen zu einer seiner poetischsten Gaben gestaltet.

Seit die Rhein-Nahebahn das eiserne Band durch die Bergschluchten und Thalgelände der Nahe gelegt, gesellen sich den Erinnerungen an eine frühere Zeit, auch Kunstbauten der Neuzeit hinzu, und wenn

II. 2.

Der gefallene Fels bei Oberstein.

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schon die Eisenbahnstrecke Bingen-Saarbrücken heute in ihrer anfänglich bewunderten bautechnischen Be­deutung längst durch Großartigeres überholt ist, die zehn Tunnel, die Dämme an der Nahe, die Via- ducte lassen sich immer noch als stattliche Werke der Baukunst bezeichnen. Brücken und hochstrebeude Verbinduugsbauten folgen sich knrzgedrängt, und nicht ohne malerischen Eindruck ist eine Brücke kunst­reicher Construction nahe dem Städtchen Oberstem, welche uns der Künstler in treuer Wiedergabe heute bietet.

Und wandern wir nur wenige Minuten vom Bahnhof der Nahe entlang abwärts, so finden wir dicht bei dem etwa zweihundert Meter langenGe- fallenensels-Tunnel", der durch ein sehr festes Ge­stein (Porphyr und Kieselconglomerat) getrieben werden mußte, dengefallenen Fels" und drunter, halb iti den Felsen eingeklemmt ein kleines Hütt- chenFnhr's Hütte" genannt, welches säst furcht­erregend zwischen herabgestürztem mächtigen Gestein eingezwüngt ist. Das Hüttchen entspricht ganz dem wundersamen Charakter der Gegend, dem auch die Erinnerung an eine gewisse Räuber-Romantik nicht fehlt, hauste doch in dem nahen Fischbachthale lange Zeit der berüchtigteSchinderhannes". Kaum bleibt hier am gefallenen Fels Raum zur Straße, denn der Fluß, von nackten und steilen Gesteinsmassen eingeschlossen, ist von Felsstücken zum Theil über­lagert, so daß die Wasser sich häufig mühsam durch die freien Stellen hindurch drängen müssen. Noch

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