Allgemeine Rundschau.
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den Anschein haben, als sei er der Betrogene. Die interessante und packende Schilderung der berüchtigten Räubergeschichte, welche Beaumarchais in einem Briefe gegeben, muß man mit derjenigen vergleichen, welche v. Arneth in seiner Schrift „Beaumarchais und Sonnenfels" (Wien 1868) nach authentischen Dokumenten des Wiener Archivs veröffentlicht hat! Durchaus nicht vortheilhafter für Beaumarchais sind die Enthüllungen, die C. A. Dauban in seinem Werke »I^as prisona <!« iLaris 80 us In rävoiution« (Paris 1870) nach ungedruckten Documenten und eigenen Briefen Beaumarchais' über diesen gemacht hat. Daraus geht unwiderleglich hervor, daß Beaumarchais einer der Hehler des Abbä de Gevigney war, einer der Bibliothekare der Pariser großen Bibliothek, der diese reiche Sammlung um Karten und Urkunden im Werthe von mehr als einer Million bestohlen. Da diese Papiere und Pergamente fast ausnahmslos Rechts- und Adelstitel waren, läßt sich ihr absoluter Werth gar nicht angeben: sie sind unersetzlich. Aus einem Briefe Beaumarchais' au den Polizeilieutenant Lenoir vom 12. Mai 1785 geht hervor, daß er zwei große Magazine in der Nähe des Kapuziner- und Jakobinerklosters in Paris gemiethet hatte, um die gestohlenen Dokumente unterzubringen. Noch mehr! Beaumarchais hat erwiesenermaßen auch eine große Anzahl von Papieren aus den Archiven der Bastille bei deren Plünderung an sich gebracht, d. h. entwendet! s.-m.
Zu unseren Illustrationen.
In der Arena. Originalzeichnung von Frank Kirch- bach. Wir entnehmen dieses Kunstblatt einem hervorragenden Prachtwerk, welches in dem Verlage von Friedrich Adolf Ackermann in München unter dem Titel: „Die letzten Tage von Pompeji", 20 Tuschzeichnungen zu E. Bulwer's Erzählung von Frank Kirchbach erschienen ist. Der Künstler fübrt uns durch „In der Arena" eine jener ergreifenden Scenen vor, welche das Bulwer'sche Werk so packend und fesselnd schildert. Glankus, der edle Athener, schmählich zum Tode verurtheilt, ist nur mit dem Stilus bewaffnet in die Arena gestoßen worden, um gegen den seit 24 Stunden ohne Nahrung gelassenen Löwen sein Leben zu vertheidigen. „In der elastischen Schönheit seines Baues und seiner Gliedmaßen, in seiner sinnenden, doch rnnzellosen vom Haupthaar umwogten Stirn, in der hohen Geringachtung und in der Unbezähmbarkeit seiner Seele, die man deutlich aus seiner Stellung, auf seineil Lippen, in seinen Angen wahrnahm, schien er die wahrhaftige geistige und körperliche Versinnlichung der Tapferkeit seines Vaterlandes — der Gottheit der Anbetung desselben — zu gleicher Zeit ein Held und ein Gott zu sein." Glaukus hatte seine Glieder gebeugt, als wollte er sich die festeste und aufmerksamste Stellung geben, indem er den Anlauf des Löwen erwartete. Hoch erhoben hielt er seine kleine blitzende Waffe, in der schwachen Hoffnung, daß ein wohlgeführter Stoß — denn er wußte, daß nur zu einem Stoße ihm Frist gelassen war — durch das Auge in das Hirn seines grimmen Feindes fahren könnte, der ihn mit halber Eile umkreiste, den ungeheueren Kopf von Seite zu Seite wendend und mit dem Schweif den Sand der Arena peitschend. — x. —
Prima Ballerina. Originalzeichnung von H. Schlittgen. Wir veröffentlichen diese Originalzeichnung als die charakteristische Leistung eines unserer gewandtesten deutschen Illustratoren, der sich augenblicklich in Paris aufhält, cm seine etwas der französischen Manier ähnelnde Behandlung der Stoffe weiter auszubilden. Den größeren Krcichu ist H. Schlittgen durch seine vielfachen trefflich hun oristischen Illustrationen in den Fliegenden Blättern bckmnt geworden. Leicht und genial entwirft er seine
Figuren und lauscht ihre charakteristischen Eigenschaften meisterhaft dem modernen Leben ab. x. —
Karawanserai in Skutari. Nach dem Gemälde von R. von Ottenfeld. Siehe Artikel von Adolf Ebeling.
Miscellen.
Unbestellbar. Als Columbus seine erste Fahrt nach dem fernen Westen antrat, ließ er sich vom König von Spanien einen Empfehlungsbrief an den — Kaiser von China mitgebeu. Da er es auch nach der Entdeckung des neuen Landes als zweifellos ansah, daß er Ostindien von der entgegengesetzten Seite her erreicht habe, wollte er nun bei den Eingeborenen Erkundigungen über jenen Herrscher einziehen und sandte daher an verschiedenen Stellen Dolmetscher an's Land, welche der arabischen oder einer andern orientalischen Sprache mächtig waren, um mit den Eingeborenen zu reden. Obwohl man die Sprache der Insulaner nicht verstand, deutete er doch die Zeichen, mit welchen sie antworteten, dahin, daß der mächtige Groß- Khan von China ganz nahe sein müsse! Jndeß blieb der Empfehlungsbrief doch begreiflicherweise schließlich — unbestellbar. 6-.
Ein dänischer Methusalem. Noch heute weiß in Dänemark, wie man zu sagen pflegt, jedes Kind von dem steinalten Drakenberg zu erzählen, der, 1626 zu Dront- j heim in Norwegen geboren, 1772 in seinem Wohnorte ! Aarhuus starb, also ein Alter von 14 6 Jahren erreichte! In seinen jüngeren Jahren Seemann, hatte derselbe später eine Stelle auf einem Gute des Grafen Dannenskjold- Samsve, wo er zuletzt auch das Gnadenbrod aß. Bis zu seinem 110. Jahre blieb Drakenberg unbeweibt, dann erst gab er sein Junggesellenleben auf, und als er zu seiner Trauung gewisser Papiere bedurfte, holte er sie sich selbst aus seiner Vaterstadt, von der er damals weit entfernt (in Jütland) war. Nachdem er etwa 20 Jahre verheirathet gewesen, starb ihm die Frau, und als Hundertunddreißig- jähriger machte er sich noch einmal an die Werbung um ein junges Bauernmädchen, sowie später um Andere, ward aber abgewiesen. Als er gestorben, nachdem er unter sechs dänischen Königen gelebt hatte, wurde er in der Domkirche zu Aarhuus begraben, wo man vor nicht langer Zeit noch seine Leiche als unverwesliche Mumie zeigte. Ein Bildniß dieses Wunder-Greises befindet sich auf dem Rathhause zu Aarhuus. Solche durch ihr respektables Alter zu den seltensten Ausnahmen zählende Menschen müssen allerdings von jener fieberhaften Lebensgier und athemlosen Lebenshast, die das charakteristische Merkmal unserer Zeit bilden, verschont geblieben sein und sich mit Genüssen begnügt haben, welche frei sind vom Gifte der Erschlaffung. Gegen die Wirkung dieses Giftes helfen schließlich alle Schätze der Welt nichts, wie sie andererseits jede Widerstandskraft im Falle eines empfindlichen Glückswechsels lähmt und insbesondere die Ausübung einer unschätzbaren Kunst verhindert: die der Kunst, arm zu werden! s.-iu.
Technisches.
Deutsche und französische Panzerthürme. Wie unseren Lesern erinnerlich, haben die Buckarester Schießversuche eine Entscheidung zwischen dem deutschen Panzerthurm von Schumann-Grusou und dem französischen von Maugin nicht ergeben. Dieser erwies sich nämlich als nicht widerstandsfähig genug, während jener Fehler in dem Bewegungsmechanismus auswies, die dessen dauernder Einführung im Wege standen. Gruson, der Erbauer des Thurms, blieb glücklicherweise die Beseitigung dieser Mängel nicht lange schuldig. Vor einigen Wochen trat er mit