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Der Talmud : sein Wesen, seine Bedeutung und seine Geschichte / dargestellt von Dr. S. Bernfeld
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heisst es (3. B. Mosis 16, 30) ,An diesem Tage [am Versöhnungsfest] wird [Gott] euch entsün- digen von allen euren Sünden, vor Jahweh werdet ihr rein sein*; Sünden gegen Gott werden am Versöhnungstage getilgt, keineswegs aber Sünden gegen den Mitmenschen, wenn nicht zuvor dessen Verzeihung erlangt worden ist. Im TraktatSanhedrin, in dem die altjüdische Civil- und Strafprozessordnung aufbewahrt wurde, wird im vierten Abschnitt mitgetheilt, wie Zeugen beim Strafprozess zu verwarnen sind, damit sich diese streng an die Wahrheit und die von ihnen bezeugten Thatsachen halten sollen. Das; alt­jüdische Recht kennt nämlich nicht den Zeugen­eid; die Zeugenaussage erhielt aber dadurch be­deutenden Werth, dass man bei der Wahl der Zeugen und bei deren Vernehmung äusserst sorg­fältig und vorsichtig zu Werke ging; Indicienbe- weise oder die Aussage eines Zeugen genügten für ein verurtheilendes Verdikt keineswegs.; Die Zeugen wurden daher vom Vorsitzenden ermahnt, auch nicht in der geringfügigsten Einzelnheit von der Wahrheit abzuweichen, und zwar lautete die Ansprache an die Belastungszeugen etwa wie folgt.: »Haltet euch streng an die Wahrheit, dass ihr nicht etwa Das aussagt, was euch wahrschein­lich dünkt, oder was ihr von andern, und mögen es noch so glaubwürdige Personen sein, gehört; ihr müsst dessen gewärtig sein, dass wir eure Aussagen einer strengen Prüfung unterziehen werden. Denn ein Strafprozess [wo es sich um ein Todesurtheil handeln kann] ist keinem bürger­lichen Rechtstreit gleich, bei dem man das dem Verurtheilten zugefügte Unrecht gut machen kann. Bei Strafprozessen bleibt hingegen das