werden, dass schon die Mischna, trotz ihrer Gemeinverständlichkeit, gründliche und vielseitige Kenntniss verschiedener Wissenschaften erfordert, um verstanden zu werden. Am wichtigsten sind unter allen Umständen der privat- und strafrechtliche Theil und die sociale Gesetzgebung der mündlichen Lehre, weil sich in ihnen die politischethische Entwickelung des Judenthums offenbart. Ausserdem hat manches für alle Zeiten grossen Werth und dürfte der allgemeinen Wissenschaft einverleibt werden.
Die Mischna, in sechs; Ordnungen von ins- gesammt dreiundsechzig Traktaten getheilt, hat von der ältern palästinensischen Agada nur einen mässigen Theil aufgenommen. Diesem Zweig der mündlichen Lehre ist vor Allem der bereits erwähnte Traktat „Aboth“ (Sprüche der Väter) gewidmet, der unzählige Male übersetzt wurde und somit weitern Kreisen bekannt ist. Aber auch in den andern Traktaten finden sich agadische Be- standtheile, die jedenfalls von sorgfältiger Auswahl zeugen. Das biblische Wort erhält da eine von der eigentlichen Bedeutung nicht allzusehr abweichende Auslegung, und doch erscheint es in einem ganz andern Licht: als der Inhalt einer erhabenen Lehre, entweder im Sinne rein menschlicher Moral, oder in religiös-nationaler Auffassung. So schliesst z. B. der Traktat „Joma“ '(über den Versöhnungstag) mit dem Ausspruch, dass an diesem Tage nur die menschlichen Sünden gegen Gott verziehen werden, nicht aber die Sünden gegen den Mitmenschen, dessen Verzeihung ob des erlittenen Unrechts oder einer Kränkung man sich nicht zuvor verschafft hatte. „Denn, so hat einst R. Elasar b. Asarja gedeutet: In der Schrift