II.
Der Talmud oder die Gemara,
Die Mischna wurde, wie bereits erwähnt, im Jahre 189 oder 219 der üblichen Zeitrechnung „redigirt“; ob sie jedoch bereits damals] schriftlich festgelegt oder nur mündlich vorgetragen wurde, ist bis heute ein unerledigter Punkt der jüdischen Geschichtsforschung. Viele Anzeichen sprechen dafür, dass sie damals wohl schriftlich fixirt wurde, wenn auch die Diskussion über die Mischna zumeist nach mündlichem Vortrag eröffnet zu werden pflegte. Dem sei indessen wie ihm wolle, jedenfalls erhielt um jene Zeit das Studium der mündlichen Lehre einen früher nie geahnten Aufschwung, indem jetzt die Mischna das Thema bot, an das sich eine ins Einzelne gehende Erörterung knüpfte. Die Mischna glich nunmehr im gewissen Sinne der heiligen Schrift; die Auslegungskunst und auch der Auslegungseifer der späteren Lehrer wendeten sich ausschliesslich ihr zu, während das Studium der Bibel dadurch ziemlich vernachlässigt wurde.
Verschiedene Umstände und geschichtliche Ereignisse trugen zu dieser Entwickelung der Dinge bei, und dadurch erst ist der Talmud im eigentlichen Sinne als Auslegung und Erweiterung der Mischna entstanden. Bis dahin entwickelte