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Geschichte der Reformation in der Mark Brandenburg / Adolph Müller
Entstehung
Seite
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Wie zur Beurtheilung des einzelnen Menſchen Kenntniß feiner Jugend und deren Umgebung, fo iſt zur Würdigung eines Volks nothwendig, die Art feines Urſprungs und die Zeitverhaͤlt= niſſe aufmerkſam zu betrachten, unter deren Einfluſſe es in die Reihe weltgeſchichtlicher Voͤlker eintritt. In der Zeit aber, in welcher die Markgrafen des ascaniſchen Hauſes die Germaniſa tion der ſlaviſchen Bewohnerſchaft in den Marken begannen, war neben dem Element kriegeriſchen Muthes und Aufſchwungs auch das religioͤſer Erhebung und Begeiſterung in der Chriſter heit vorherrſchend. Beide Elemente haben ſich als bleibende Eigenſchaft im maͤrkiſchen Volksleben gleichſam verkoͤrpert, aber das letztere iſt hier um ſo naͤher ins Auge zu faſſen, da es un mittelbarer zur kirchlichen Entwicklung und zur Einfuͤhrung der Reformation in der Mark gehoͤrt.

Als Albrecht der Bär im zwölften Jahrhundert den Ver kuͤndigern des Evangeliums Chriſti die Wege in die Sumpf und Waldgegenden des Spree- und Havellandes oͤffnete, wurde daſſelbe nicht in ſeiner urſpruͤnglichen und lautern Geiſtigkeit, wie im apoſtoliſchen Zeitalter am Jordan, in Griechenland und Rom gepredigt. Ueber ein Jahrtauſend hatte es bereits auf Erden beſtanden, war in zwei Erdtheilen, in Aſien und Africa, nach mannichfachen Schickſalen faſt ganz vertilgt worden, und hatte in Europa unter den beſchraäͤnkenden, endlichen Verhaͤltniſ ſen, unter deren Einfluſſe es ſich ausbreitete, beſtimmte, endliche Formen angenommen. Jedes Heiligſte und Goͤttlichſte iſt dieſem Einfluſſe ausgeſetzt, und kann ſogar der mangelhaften Natur al les Endlichen gemaͤß nur in ſolchen unvollkommnen Formen zu ſichtbarer Geſtaltung gelangen. Allein das iſt zu fragen, ob das Sichtbare und Endliche als das unmittelbare Product des Gei ſtes, und ſomit in hoͤherer Weihe und Berechtigung erſcheint, oder ob dieſe geiſtige und heiligende Grundlage den Formen ent ſchwunden iſt, und dieſe nur auf weltliche Autorität und zeitli ches Herkommen geſtuͤtzt, Geltung haben. In den Jahrhund zer ten des Kampfes der chriſtlichen Kirche gegen die ſie umgebende roͤmiſch⸗heidniſche Welt war das Walten des Geiſtes in ihr fo vorherrſchend, daß ihre äußere Geſtaltung ſichtbar deſſen Gepraͤge an ſich trug. In den ſpaͤtern Zeiten der ruhigen Herrſchaft trat