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Geschichte der Reformation in der Mark Brandenburg / Adolph Müller
Entstehung
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hen. In den chriſtlich germaniſchen Reichen, die ſeit dem fuͤnf ten Jahrhundert an die Spitze der Weltgeſchichte traten, war die Volksthuͤmlichkeit nicht in der Art die Baſis ihrer Geſammtent wicklung wie in der alten Welt bei Aegyptern, Perſern, Grie chen und Römern, oder wie es in der neuern Zeit der Fall iſt. Die Nationalitaͤt trat gegen gewiſſe abſtracte Richtungen in den Hintergrund, welche wie das Lehnsweſen, das Ritterthum, der Kampf gegen die Unglaͤubigen, der Minnegeſang, das Zunft- und Gildeweſen und Anderes von allen Voͤlkern theils gemeinſchaft lich zu gleicher Zeit, theils nach einander mit mehr oder weniger Aufſchwung und Energie verfolgt wurden. Es gab gar nicht, wie in der heutigen Zeit, einen engliſchen, franzoͤſiſchen, ſpani ſchen Staat, ein deutſches und italieniſches Volk, die in Folge ihrer Volksthuͤmlichkeit ſich geiſtig ſo eigenthuͤmlich individualiſirt und abgeſchloſſen haͤtten, daß von einer deutſchen, franzoͤſiſchen oder engliſchen Theologie oder Philoſophie, von den Principien der ſpaniſchen oder ſcandinaviſchen Voͤlkerſchaft oder ihrem Feu dalſyſtem die Rede haͤtte ſein koͤnnen, ſondern was in den ver ſchiedenen chriſtlichen Reichen als geiſtiges Leben beſtand, war uͤberall der Hauptſache nach gleich. Die Prieſter, die Ritter, die Gelehrten Spaniens, Italiens, Deutſchlands ſtanden ſich viel naͤher, als die Eingebornen eines. deſſelben Volkes, wenn ſie verſchiednen Ständen angehörten. Jedes Verhaͤltniß, jede neu entſtehende Richtung erſtarrte ſogleich in dem Zunft- und Gilde weſen zu einem Allgemeinen und Feſten, und galt damit eben nicht als Volksthuͤmliches, ſondern in dieſer beſtimmten Sphaͤre, ſoweit ſich dieſelbe in der Chriſtenheit verbreitet hatte. Bei dies ſem Mangel vorherrſchender nationeller Elemente war es hoͤchſt foͤrderlich, daß die geſammte Chriſtenheit durch das hierarchiſche Band zu einem Ganzen und zu einer Einheit verbunden war. Dieſer Gedanke, oder doch das dunkle Bewußtſein von der Noth­wendigkeit ſolcher allgemeinen Verknuͤpfung leitete die fruͤhern abendlaͤndiſchen Kaiſer ſeit Carl dem Großen bei ihrem Beſtre ben, die Suprematie des roͤmiſchen Biſchofs zu unterſtuͤtzen. Als Gregor VII. die Principien erkannte, in deren bewußtloſer Anwendung das geſammte Abendland ſich bis dahin entwickelt hatte, als die bewußte und conſequente Durchfuͤhrung dieſer 2