Stephan Bodecker ſolche Veränderung ſich und dem ganzen Bis thum fuͤr nachtheilig halten mochte. Allein die vorgeſchriebene Lebensweiſe wurde ſo wenig beobachtet, daß ſchon Friedrich in feiner Schrift an den Papſt anführte: es komme nur auf die foͤrmliche Entbindung von den Regeln an, der That nach lebten ſie ſchon lange nicht mehr nach denſelben. Endlich befreite ſie
Papſt Julius II. 1507 von der Kleidung und Regel des Ordens, und erklaͤrte ſie zu weltlichen Domherrn, und diesmal willigte der Biſchof Hieronymus Scultetus in die Veränderung ein. Ein andres Zeugniß der ungebundenen Lebensweiſe iſt die Verordnung, daß derjenige, welcher betrunken zu den canoniſchen Stunden kommen wuͤrde, 3Groschen als Strafe erlegen ſollte. Dennoch waren die guten Eigenſchaften, die in Bezug auf die fruͤhere Zeit zum Lobe der Domſtifter angefuͤhrt worden find, keineswegs gänzlich verſchwunden, und manche derſelben, wie die Beſchaͤftigung mit der lateiniſchen Sprache, ſind vorzugsweiſe auf dieſe ſpaͤtern Perioden zu beziehen. Auch die Wohlthaͤtigkeit wurde noch mannigfach geuͤbt, das Domſtift zu Brandenburg ſetzte 1497 einen Fond von 24 Rheiniſchen Gulden zur Unter haltung einiger Studenten auf Univerſitaͤten aus.
An den niedern Clerus waren im Allgemeinen Unwiſſenheit, Aberglaube, brutale Anmaßung und ein ausſchweifendes Leben, wozu beſonders das Verbot der Prieſterehe beitrug, hervorſte chende Eigenſchaften. Der Biſchof Bodecker von Brandenburg hielt im Jahre 1435 eine Provinzialſynode, uͤber die Verbeſſerung des verderbten Zuſtandes des niederen Clerus in ſeiner Didceſe zu berathen. Er äußert ſich bei dieſer Gelegenheit fol gendermaßen):„Was ſoll ich von unſern Geiſtlichen und Predigern ſagen! Obwohl wenige des Verbrechens der Simo— nie ſchuldig, obwohl noch wenigere Schismatiker, und wie wir hoffen gar keine Ketzer unter ihnen ſind, ſo daß das Volk, ohne daß es zu ſeinem Verderben gereichte, die Kirchenſacramente von ihnen empfangen kann; fo treibt mich doch die Wahrh heit, zu meinem großen Schmerz zu ſagen, daß die meiſten ſich Concubinen halten, und ſich ganz oͤffentlich allen Ausſchweifungen in
) Gerkens Brandenburgiſche Stiftshiſtorie S. 226.