der Wolluſt uͤberlaſſen, fo daß ihr Lebenswandel nicht nur dem gemeinen Manne, ſondern auch den Fürften und Großen zum Aergerniß gereicht. Und jene Laſter und Verbrechen ſind unter ihnen ſo allgemein, daß ſie mit frecher Stirn Unzucht und Ehe— bruch für etwas ganz Ziemliches halten. Denn wenn ihre Kö: chinnen oder Buhlerinnen von ihnen oder vielleicht auch von an— dern Mütter werden, fo leugnen fie nicht etwa die Suͤnde, fon; dern halten es für die größte Ehre, Väter der Kinder zu fein, die in ſo ſchaͤndlichem Umgange erzeugt worden; daher bitten ſie auch als angebliche Vaͤter die benachbarten Prieſter und Laien beiderlei Geſchlechts als Taufzeugen ihrer Kinder zu ſich, und gaben mit der groͤßten Freude und Feierlichkeit Kindtaufsfeſte, da ſie ſich doch vielmehr daruͤber herzlich betruͤben ſollten. Verflucht ſind diejenigen, die ihr Verbrechen noch durch ihr eigenes Ge— ſtaͤndniß offenbaren, da ſie es doch durch Leugnen zweifelhaft machen und der geſetzmäßigen Strafe entgehen koͤnnten. Aber noch mehr zu verabſcheuen iſt, daß, wenn ſie ihre Baſtarde mit dem Vermoͤgen der Kirche bis zum mannbaren Alter erzogen ha— ben, ſie dieſe unter ſich verheirathen, ſo daß der Sohn des einen Prieſters die Tochter des andern zur Ehe nimmt, indem ſie hier— durch ihr vielleicht ſchon in Vergeſſenheit gekommenes Vergehen wieder auffriſchen und von Neuem ans Licht bringen.“ Das Lob wegen der Rechtglaͤubigkeit der maͤrkiſchen Geiſtlichkeit darf nicht auffallen. Es war eine bornirte, ganz ihrem natuͤrlichen Triebe lebende Menſchenclaſſe, die in dumpfer Gedankenloſigkeit ohne lebendiges, gefuͤhlvolles Bewußtſein von dem wahren Inhalte der chriſtlichen Religion und der Bedeutung ihres Berufs handwerksmaͤßig ihre Amtsgeſchaͤfte betrieben, und daher auf ſo— genannte ſchismatiſche oder ketzeriſche Meinungen gar nicht ka— men. Auffallend aber iſt der Fluch des Biſchofs uͤber diejenigen, welche ihr ſuͤndhaftes Leben fo oͤffentlich trieben. Wie fern lag auch ihm das Verſtaͤndniß des Evangeliums Chriſti, und wie ſehr war er in juͤdiſchem Phariſaͤismus befangen, und doch wird er als einer der beſten und froͤmmſten ſeiner Zeit geruͤhmt. Allein es wurde damals auch uͤberhaupt in der Kirche nur der Schein eines heiligen Lebens geſucht. Aehnliche Berichte von Zeitgenoſſen, beſonders biſchöͤfliche Synodalverordnungen finden ſich in unſrer
Druckschrift
Geschichte der Reformation in der Mark Brandenburg / Adolph Müller
Seite
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