Druckschrift 
Geschichte der Reformation in der Mark Brandenburg / Adolph Müller
Entstehung
Seite
43
Einzelbild herunterladen

konnten, ſondern auch Häufig genug bei hoͤhern Geiſtlichen ſo groß, daß wir uns ohne beſtimmte Beiſpiele kaum eine Vorſtel­lung davon machen Finnen. Die Bibel war außer den evange liſchen und epiſtoliſchen Pericopen faſt ganz unbekannt geworden: Erasmus erzählt im Anfange des ſechszehnten Jahrhunderts, daß er oͤffentliche Lehrer der Theologie an Univerſitaͤten kennen gelernt habe, welche nach ihrem eignen Geſtaͤndniſſe bis zum ſpaͤ­teſten Greiſenalter niemals das vollſtaͤndige neue Teſtament in der Hand gehabt haͤtten. Wenn es ſo mit den gelehrten Theolo­gen beſchaffen war, was darf man da von den praktiſchen Geiſt­lichen erwarten? Von einem Religionsunterricht in dem Sinn, wie wir ihn in der evangeliſchen Kirche kennen, konnte ſchon we­gen der Abneigung gegen Predigten ſowohl derer, welche ſie hal­ten, wie derer, welche ſie anhoͤren ſollten, kaum die Rede ſein. Wurde aber dennoch gepredigt, ſo bezog ſich die Erörterung auch nur auf das Aeußerliche des Gottesdienſtes, auf die Verehrung der Heiligen, beſonders der Maria, die Macht des Papſtes und der Biſchoͤfe, den Vorzug des geiſtlichen vor dem Laienſtande, die Wichtigkeit der Reliquienverehrung, auf Pilgerungen und Ablaß, auf den groͤßern Werth eines eheloſen als ehelichen Lebens. Außer dem waren es Häufig ſpecielle Anlaͤſſe, welche die geiſtlichen Red­ner in Eifer brachten. Man wollte einen Juͤngling oder ein Maͤdchen aus beguͤterter Familie zum Eintritt in einen geiſtlichen Orden bewegen, und ſprach von der Nothwendigkeit, ſich zum Frommen ſeiner Seele aus der verruchten Welt in die Stille und Heiligkeit des Kloſters zuruͤckzuziehen: man erzaͤhlte viele Geſchichten, wie es denen ſo erſchrecklich ergangen ſei, die ſich der Aufforderung, in den geheiligten Chor geweihter Bruͤder und Schweſtern einzutreten, mit Hartnaͤckigkeit entzogen, die aus Liebe zur Welt und ihren Guͤtern die zeitliche und ewige Ver dammniß auf ſich geladen. War ein Geiſtlicher von einem Laien in ſeinen Rechten beeintraͤchtigt worden, oder glaubte er es zu ſein, ſo war der Gegenſtand der Predigt die unantaſtbare Wuͤrde der Kirche und ihrer Diener, und wie es denen im Himmel und auf Erden nicht koͤnne vergeben werden, welche ſich auf irgend eine Weiſe an dem Eigenthum und den Gerechtſamen derſelben vergriffen. In den weſtlichen Laͤndern Europas, in denen die